Die Branche hofft auf eine Senkung der Mehrwertsteuer. Ein Kölner Wirt sagt, sie sei überlebenswichtig.
Kölner Gastro in der Krise„Es lohnt sich immer weniger, die Restaurant-Tür aufzumachen“

Die Preiskalkulation von Restaurants und Brauhäusern ist auch beim Kölsch immer knapper.
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Die wirtschaftliche Situation im Gastgewerbe bleibt äußerst schwierig. „Die Aussichten sind trüb“, teilte der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga am Dienstag mit. Eine aktuelle Umfrage unter 4000 Betrieben hat demnach ergeben, dass die Branche auch im Juli ein deutliches Umsatzminus verzeichnet habe. Ein Grund dafür dürfte das regnerische Wetter gewesen sein. Zugleich belasteten hohe Kostensteigerungen die Unternehmen weiter. „Viele befürchten, 2025 in die roten Zahlen zu rutschen“, hieß es. Die wichtigsten Fragen und Angeboten zur Branchenkrise.
Wie geht es den Gastronomiebetrieben in Köln und dem Rheinland?
„Es lohnt sich immer weniger, die Tür aufzumachen“, sagt Heiko Hörnecke, Wirt des Brauhauses „Quetsch“ am Rodenkirchener Rheinufer. „Wir haben Arbeit ohne Ende, wir haben Zulauf ohne Ende, aber trotzdem haben wir Sorgen.“

Heiko Hörnecke betreibt das Brauhaus „Quetsch“ in Rodenkirchen seit vielen Jahren.
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Matthias Johnen, stellvertretender Geschäftsführer des Dehoga Nordrhein, der mehr als 5500 Mitgliedsbetriebe in den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf vertritt, bestätigt den negativen Trend. „Wir nähen schon über die Naht“, sagt Johnen. „Nur 20 Prozent unserer Gastronomen berichten davon, dass sie keinen Umsatzrückgang haben.“ Aus Kölner Brauereikreisen heißt es: Wenn sich nichts ändert, sind Teile der Gastronomie nicht lebensfähig.
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Dem Gaststättenverband zufolge droht das sechste Verlustjahr in Folge. Der bundesweiten Branchenumfrage zufolge meldeten die Betriebe im Juli dieses Jahres durchschnittliche Umsatzverluste von mehr als neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Was sind die Ursachen für die dramatische Lage?
Die Gastronomie steckt seit Jahren in der Krise. Vor allem während der Corona-Pandemie mussten Zehntausende Betriebe aufgeben. Der Ukraine-Krieg bedeutete den nächsten Schlag, die Preise gingen nach Kriegsbeginn in die Höhe und sind bis heute kaum wieder gesunken. Allein die Personalkosten für Gastronomen haben sich den Dehoga-Angaben zufolge in den vergangenen dreieinhalb Jahren um mehr als ein Drittel erhöht. Die Kosten für Strom, Gas und andere Brennstoffe stiegen im selben Zeitraum um fast 28 Prozent.
„Wir erleben aktuell in vielen Bereichen steigende Einkaufspreise“, sagt Dennis Lieske, Geschäftsführer des „Gaffel am Dom“. „Besonders deutlich ist das beim Fleisch.“
Die höheren Ausgaben für Waren, Personal und Betrieb sorgten im Rodenkirchener Brauhaus „Quetsch“ dafür, dass der Ertrag schmelze, sagt Betreiber Heiko Hörnecke. „Olivenöl, Tierfett, Fleisch“, zählt er teure Posten auf.
„Die Kosten explodieren, die Gäste sind preissensibler, die Umsätze sinken“, sagt auch Dehoga-Präsident Guido Zöllick. „Die aktuellen Belastungen bringen viele Betriebe an ihre Grenzen.“
Auch Franz Gruber, Inhaber des österreichischen Spezialitätenrestaurants „Gruber’s“ im Kölner Agnesviertel, bestätigt die stark gestiegenen Preise. „Binnen zehn Jahren ist der Preis für den für uns so wichtigen Kalbsrücken von 9 auf heute 22 Euro angestiegen“, sagt Gruber im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Was heißt das für die Speisen- und Getränkepreise?
Die Preise in Gaststätten stiegen zwischen Januar 2022 und Juli 2025 um mehr als 26 Prozent, wie aus dem Halbjahresbericht des Dehoga hervorgeht. Von Januar bis Juli 2025 gingen die Preise in der Gastronomie im Vergleich mit dem jeweiligen Vorjahresmonat zwischen vier und fünf Prozent in die Höhe.
Brauhaus-Wirt Hörnecke sagt, natürlich habe er die Preise anheben müssen – „im Schnitt um zehn bis 15 Prozent“. Doch das reiche nicht. „Und mehr kann man den Gästen auch nicht zumuten.“ Sein Schweineschnitzel koste etwa 20 Euro. „Das ist schon viel Geld. Aber anders ist es nicht mehr darstellbar.“ Den Preis für ein Kölsch habe er allerdings seit zwei Jahren nicht mehr angehoben: 0,2 Liter kosten 2,40 Euro auf der Terrasse und 2,20 Euro an der Theke. „Mehr will ich nicht. Wir reden noch immer von Kölsch. Da ist dann irgendwann auch der Deckel drauf.“

Filippa Padiglia betreibt seit 45 Jahren das „Etrusca“ an der Zülpicher Straße.
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Ein bis drei Euro habe sie auf Gerichte aufgeschlagen, sagt Filippa Padiglia, „sonst können wir die Kosten nicht mehr decken“. Seit 45 Jahren betreibt sie mit ihm Mann Carlo das „Ristorante Etrusca“ an der Zülpicher Straße.
Wie reagieren die Gäste? Geben sie weniger aus, gehen seltener essen?
„Nein“, sagt „Etrusca“-Wirtin Padiglia. „Die Leute, die vorher gerne essen gegangen sind, machen das auch jetzt noch.“ Heiko Hörnecke schätzt sich glücklich, dass die Einkommensgrenze in Rodenkirchen nicht so niedrig sei, sagt er. „Wir stoßen auf Akzeptanz bei unseren Gästen. Aber ja, wir hören von ihnen auch: Die Preise sind aber hoch.“ Einen Konsumverzicht spürt auch Gastronom Franz Gruber nicht.
Sichtbar werde die Sparsamkeit der Kunden auch nicht in weniger Restaurantbesuchen, sondern in Zurückhaltung beim Verzehr, sagt Dehoga-Nordrhein-Experte Matthias Johnen. „Die Gäste lassen Digestif weg, den Kaffee nach dem Essen, oder sie fragen nach einer kleineren Portion, obwohl sie keine Senioren oder Kinder sind.“ Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges berichtet zudem, dass viele einstige Gäste zu Systemgastronomien abwanderten, die aufgrund ihrer Größe andere Spielräume haben.
Padiglia treibt diese Sorge ebenfalls um. „Ich glaube, es wird irgendwann keine Familienbetriebe in der Gastronomie mehr geben. Wir kochen mit Herz, wir bieten Delikatessen und gute Gerichte mit den besten Zutaten. Aber die Leute gehen zu Systemgastronomen, zahlen ein bisschen weniger und sind zufrieden.“
Was hat es mit der Mehrwertsteuerung-Senkung auf sich?
Während der Corona-Pandemie wurde die Mehrwertsteuer in der Gastronomie von 19 auf sieben Prozent reduziert, um die Betriebe zu entlasten. Seit Januar 2024 gilt nun wieder der reguläre Steuersatz. Die Gastronomen hoffen jetzt auf das Einhalten des Koalitionsvertrags zwischen CDU und SPD. Darin wurde vereinbart, die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie ab dem 1. Januar dauerhaft auf sieben Prozent zu reduzieren.
Wird die Steuersenkung an die Verbraucher weitergegeben?
„Auf gar keinen Fall“ sei das möglich, sagt „Quetsch“-Chef Hörnecke. „Das ist unser letzter Strohhalm, um wieder in die Gewinnzone zu kommen. Wir brauchen die sieben Prozent dringend zum Überleben.“
Mit den entstehenden finanziellen Spielräumen würden viele Betriebe Arbeitsplätze sichern, neue schaffen und verschobene Investitionen nachholen, heißt es vom Dehoga. Der Umfrage zufolge will nur knapp die Hälfte der befragten Betriebe (44 Prozent) „ihren Gästen ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bieten“.
Im „Gaffel am Dom“ soll die Entlastung an die Gäste weitergegeben werden – zumindest „dort, wo es kalkulativ möglich ist.“ Filippa Padiglia will erst die gestiegenen Kosten im „Etrusca“ decken, aber: „Wenn es machbar ist, geben wir es weiter.“