Masterplan zur Geothermie2045 sollen 20 Prozent der Wärmeversorgung in NRW aus der Erde kommen

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Rohre liegen auf dem Gelände des Bohrplatzes Tiefengeothermie an der Heinrich-Mann-Allee in Potsdam. Der Versorger EWP plant ein neues Stadtquartier der Wohnungsbaugesellschaft ProPotsdam mit Geothermie zu beheizen. Die EWP rechnet damit, dass sie mit den beiden Bohrlöchern etwa 50 Jahre lang klimaneutral Fernwärme gewinnen kann.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat am Montag einen Masterplan zur Geothermie vorgelegt. Hier ein Bohrplatz für Tiefengeothermie in Potsdam.

Der Wärmemarkt in Deutschland verursacht rund 40 Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen. Um das zu ändern, will NRW verstärkt auf Geothermie setzen.

Das ist mal eine Ansage. Bis 2045 plant die NRW-Landesregierung 20 Prozent des Wärmebedarfs in Nordrhein-Westfalen mit Erdwärme zu decken. Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne) hat am Montag eine Strategie vorgelegt, wie das Land die Erschließung des Erdwärme-Potenzials in den kommenden Jahren vorantreiben will.

Der neue Masterplan Geothermie hat zwei Schwerpunkte. Der erste ist ein Explorations- und Bohrprogramm, mit dem der Geologische Dienst bis 2028 erkundet, wo förderbare Erdwärme in NRW überhaupt zur Verfügung steht. Der zweite dient der finanziellen Absicherung des sogenannten Fündigkeitsrisikos. Das heißt konkret: Als Starthilfe sichert das Land das finanzielle Risiko teilweise bei den ersten Bohrungen ab, falls eine Bohrung nicht erfolgreich ist. Außerdem fördert das Land in Kooperation mit der NRW-Bank ab sofort wieder Maßnahmen zur Vorerkundung.

Risikoreiche Fracking-Methoden sind bei der Planung ausgeschlossen

Mit 4,9 Millionen Euro fördert die Landesregierung bereits seit 2021 seismische Untersuchungen im Münsterland und im Rheinland sowie die Aufbereitung und Modellierung der gewonnenen Daten. Allein im Rheinland haben Spezialfahrzeuge, sogenannte Vibrotrucks, an mehr als 1700 Messpunkten im Oktober 2022 Schallwellen in den Boden geschickt, deren Reflexionen an knapp 7000 Stationen aufgezeichnet wurden. Wie bei einer Ultraschalluntersuchung entsteht auf diese Weise ein genaues Bild des Untergrunds bis in eine Tiefe von 3500 Metern.

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Die drei Messlinien zwischen Viersen, Krefeld, Düsseldorf und Duisburg sind insgesamt rund 70 Kilometer lang. Das Ergebnis der Untersuchungen stimmt hoffnungsfroh. Im Rheinland bieten die mitteltiefe Geothermie von 400 und 1500 Metern und tiefe Geothermie ab 1500 Metern Chancen für eine klimafreundliche Wärmeversorgung. Bei der Förderung wird das hydrothermale Verfahren angewendet. Dabei wird natürliches Tiefenwasser durch eine Förderbohrung an die Oberfläche gepumpt wird. Dort gibt das heiße Wasser seine Energie über Wärmetauscher an den Energieverbraucher ab – beispielsweise Industriebetriebe oder Gewächshäuser. Anschließend wird das Wasser über eine zweite Bohrung wieder in die Tiefe zurückgeleitet.

Wie alle erneuerbaren Energien soll auch der Ausbau der Geothermie die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern.

Wie alle erneuerbaren Energien soll auch der Ausbau der Geothermie die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern.

Der Ausbau der geothermischen Nutzung zählt seit März 2019 zu den Kernaufgaben des Geologischen Dienstes. Damals beschloss der Landtag, mithilfe seismischer Messungen von der Erdoberfläche ein möglichst exaktes Bild des Untergrundes zu erstellen und wasserführende Gesteinsschichten zu erkennen. Der Flächenverbrauch und der Eingriff ins Erdreich sind nach Angaben der Landesregierung dabei minimal, sodass Schäden am Grundwasser oder unerwünschte Erdbewegungen äußerst unwahrscheinlich sind. Risikoreichere Fracking-Methoden schließt sie aus.

Zur Wärmeversorgung von Einfamilienhäusern oder ganzen Stadtquartieren ist diese Methode aus Kostengründen ungeeignet. Das geht nur in Gebieten, in denen oberflächennahe Erdwärme in bis zu 400 Meter Tiefe zur Verfügung steht.

Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz, ist im Porträt zu sehen.

Setzt auf einen Masterplan zur Erdwärme in NRW: Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz: „Unter unseren Füßen liegt ein Schatz – eine unerschöpfliche und klimaneutrale Energiequelle, die wir heute noch zu wenig nutzen.“

„Unter unseren Füßen liegt ein Schatz – eine unerschöpfliche und klimaneutrale Energiequelle, die wir heute noch zu wenig nutzen", sagte Ministerin Neubaur bei der Vorstellung des Masterplans in Düsseldorf. Mit dem Masterplan Geothermie NRW legen wir als erstes Bundesland eine umfassende Strategie vor, um das enorme Potenzial der Erdwärme zügig und sicher zu erschließen. Indem wir den Unternehmen präzise Informationen zur Beschaffenheit des Untergrunds liefern und einen Teil des Investitionsrisikos übernehmen, bringen wir den Markthochlauf der Geothermie in Nordrhein-Westfalen kraftvoll voran.“

Der Masterplan beinhaltet alle Nutzungsformen der Geothermie. Die wesentlichen Vorteile der Erdwärme seien die ganzjährige Verfügbarkeit, die Grundlastfähigkeit, der Beitrag als heimische Energiequelle zur regionalen Wertschöpfung sowie die Möglichkeit, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern. Für die Verteilung der Wärme verfüge Nordrhein-Westfalen durch gut ausgebaute Fernwärmenetze schon heute über beste Voraussetzungen, so die Ministerin. Die liegen allerdings vor allem in den Ballungsgebieten und sollen dort weiter ausgebaut werden.

So soll das Fernwärmenetz in Köln von derzeit 380 Kilometer bis 2045 um 200 Kilometer erweitert werden. Ob und wie Erdwärme in Köln bei der Wärmeversorgung eine Rolle spielen könnte, ist völlig offen. Bisher wird bei geothermischen Anlagen überwiegend oberflächennahe Erdwärme genutzt.


Ausbau der Windenergie in NRW kommt voran

Der Ausbau der Windenenergie in NRW kommt voran. Nach einer Auswertung des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz wurden 2024 im ersten Quartal 139 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 825 Megawatt (MW) genehmigt. Das entspricht einem Zuwachs von rund 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und annähernd einem Drittel der bundesweit genehmigten Leistung in Höhe von 2737 MW. Damit hat NRW Anfang April bereits das Volumen des gesamten Jahres 2022 und 43 Prozent der im Jahr genehmigten Leistung erreicht und liegt bundesweit an der Spitze vor Niedersachsen (504 MW) und Schleswig-Holstein (356 MW). Im ersten Quartal 2024 sind außerdem 28 Anlagen (133 MW) neu in Betrieb genommen worden. Somit sind in NRW derzeit 3.796 Anlagen mit einer Leistung von 7.329 MW Leistung in Betrieb.

„Die erfreuliche Entwicklung ist zum einen ein Verdienst der Genehmigungsbehörden, die hier eine sehr gute und engagierte Arbeit leisten. Gleichzeitig entfalten auch die geänderten Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene eine positive Wirkung“, sagte NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne). „Das Umweltministerium hat hierzu gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Bezirksregierungen Anfang 2023 die Regional-Initiativen Wind eingerichtet. Damit steht ein umfassendes Beratungs- und Unterstützungsangebot für die kommunalen Genehmigungsbehörden zur Verfügung.“

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