Der Niehler Hafen ist eine unbekannte Größe. Vor 100 Jahren wurde er fertiggestellt und ist seitdem Drehscheibe für den Kölner Warenverkehr.
Kölner StadtgeschichteVor 100 Jahren wurde der Niehler Hafen fertig

Ein Hafenkran im Nebel in Niehl. Den Hafen gibt es schon seit 100 Jahren.
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Obwohl ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für Köln, ist der größte Hafen der Stadt vielen Kölnern ein eher unbekannter Ort. Nur wenige Menschen kennen das gigantische Gelände mit den vier Hafenbecken und den Terminals hinter dem Bahndamm wirklich. Auch die malerische Halbinsel mit der Rheinaue Niehl und dem sogenannten Cranachwäldchen, die den Hafen umschließt, ist eher in Kreisen von Joggern und Radfahrern ein bekannter Spot.
Doch der Eindruck trügt komplett, der Niehler Hafen ist kein „Lost Place“, sondern ein Hidden Champion, ein unterschätztes Juwel, was seine Bedeutung für die Geschichte Kölns angeht – und der heute 24/7 in Betrieb ist. 2025 ist ein besonderes Jahr für den „Hafen Niehl I“ (so die offizielle Bezeichnung). Denn dieses Jahr wird der bedeutendste der sechs Kölner Häfen 100 Jahre alt.
Die Geschichte allerdings reicht viel weiter zurück. Im Dezember 1740 suchte Köln den Aufzeichnungen zufolge ein verheerendes Hochwasser heim. Das bewog die Obrigkeit, den Niehler Damm zu errichten. Das geschah in den Jahren 1741 bis 1745 und stellte die frühe Grundlage dar für den Bau eines Hafens. Damals war Niehl noch Bestandteil des Amtes Hülchrath (heute Grevenbroich) und ungefähr das, was man ein Fischerdorf nennt.
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Der Stadtverordnete Josef Neven DuMont empfand es nicht als Lob, dass entgegen der ursprünglichen Annahme die Widerstände in Köln gegen Infrastrukturprojekte unendlich viel größer waren als im Fernen Osten, in China
Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgte dann nördlich des damaligen Dorfes die Ansiedlung einiger Großbetriebe, und damit wuchs der Wunsch von Stadtverwaltung und Wirtschaft, einen nahegelegenen Hafen zu errichten. Seit 1888 war das heutige Niehl Teil der Stadt Köln.
„Die Planung und Errichtung eines Industriehafens in Niehl, der einem großen Industriegebiet dienen sollte, beschloss die Stadtverordnetenversammlung am 5. Dezember 1912. Der damalige Oberbürgermeister Max Wallraff begründete, warum neben dem 1898 eingeweihten Rheinauhafen und dem 1907 errichteten Deutzer Industriehafen ein Industriegebiet mit Hafen benötigt werde“, sagt Ulrich Soénius, Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs. Es mangelte schlichtweg an Flächen für die Zukunft. Der Hafen sollte schrittweise ausgebaut werden.
Schon damals gab es in Köln die heute so gar nicht fremden Widerstände und Probleme beim Bau neuer Infrastrukturprojekte. Jedenfalls stritt die Kölner Politik mächtig um den neuen Hafen. „Der Stadtverordnete Josef Neven DuMont empfand es nicht als Lob, dass entgegen der ursprünglichen Annahme die Widerstände in Köln gegen Infrastrukturprojekte unendlich viel größer waren als im Fernen Osten, in China“, zitiert Historiker Soénius.
Das genaue Datum der Fertigstellung ist unbekannt
Die endgültige Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung zum Bau des Hafens fiel dann im März 1922, auch wenn es historischen Quellen zufolge schon vorab Erdarbeiten dazu gegeben haben soll. Bereits am 8. Mai desselben Jahres begannen die Baggerarbeiten für den Aushub des Hafenbeckens, ein Hafenbüro wurde am 1. Januar 1923 bezogen.

Aufnahme des gerade fertiggestellten Hafens im August des Jahres 1925
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Unbestritten ist, dass der Hafen im Jahr 1925 fertiggestellt wurde – wann genau ist aber historisch unklar – irgendwann zwischen dem 1. April und dem 20. Juni, schätzt Historiker Soénius. Der Duisburger General-Anzeiger meldete im Januar dieses Jahres, dass er „von gutunterrichteter Seite erfahren“ habe, dass „die Kipperanlagen voraussichtlich am 1. April dem Verkehr übergeben werden“ sollen. Seit 1917 war Konrad Adenauer Oberbürgermeister von Köln. „Warum Adenauer, der sonst keine Gelegenheit der öffentlichen Präsentation ausließ, keine offizielle Eröffnung vornahm, bleibt im Dunkeln“, sagt Soénius.
Der Betrieb nahm so schnell Fahrt auf, sodass die Verwaltung schon ein Jahr später forderte, den Bahnhof um drei Gleise zu erweitern. Der Antrag des Hafenamtes, wegen der großen Fläche des Hafens ein Motorrad mit Beiwagen anzuschaffen, wurde abgelehnt, ebenso das Ersuchen eines Gastwirtes aus Andernach, ein Grundstück für eine Gastwirtschaft zu erwerben. Bereits 1926 entfiel 50 Prozent des Umschlags aller sechs Kölner Häfen auf den in Niehl, hauptsächlich Steinkohle aus der Nähe von Aachen wurde hier verladen. Veränderungen der Transporttarife der Bahn führten dann in den 1960er Jahren dazu, dass weniger Kohle per Schiff im Hafen ankam.

Das teilweise geflutete Hafenbecken Niehl 1, wenige Monate vor der Fertigstellung im Jahr 1925
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Besondere Aufmerksamkeit erlangte der Niehler Hafen, als am 19. September 1929 erstmals das Wasser-Postflugzeug „D 1717 New York“ im Rahmen des Postdienstes von Überseedampfern landete. Zu der Zeit waren 25 Prozent des geplanten Projekts fertiggestellt: zwei Kilometer Kaianlagen, ein Lagerhaus mit 17.400 Quadratmetern Lagerfläche, daneben 900 Meter Kaianlagen am Rheinufer. Einen besonderen Schub erhielt der Hafen durch die Ansiedlung der Ford-Werke ab 1929. Das US-amerikanische Unternehmen kaufte von der Stadt das Gelände inklusive der nördlichen Kaimauer und errichtete in sechsmonatiger Bauzeit mit dem Kölner Bauunternehmen Bauwens seine Werksanlagen. „Die Symbiose von Industriegelände und Hafen war gelungen“, sagt Soénius.
Die Stellung Kölns nach dem Krieg war mit dem Niehler Hafen verbunden
Der Hafen wurde in den 1920er Jahren kontinuierlich weiter ausgebaut. Aus den 1930er und 1940er Jahren ist wenig über die Entwicklung des Hafens bekannt. 1941/42 wurde Wehrmachtsmaterial dort gelagert. Die Zerstörungen waren im Vergleich zu den anderen Häfen in der Stadt nicht so gravierend, was sicherlich auch am geringen Ausbaugrad lag. „Vier Kräne waren bei Kriegsende betriebsbereit, nur einer war vollständig zerstört. Bereits im Juni 1945 begann hier wieder der Umschlag mit 300 t, im November waren es bereits 52.000 t im Monat“, sagt Soénius. Vier Jahre später sah die Zeitung „Die Welt“ die Stellung Kölns als Hafenstadt wesentlich mit dem Ausbau des Niehler Hafens verbunden. Dieser sei „eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Neubelebung und Förderung des wirtschaftlichen Lebens Kölns“.

Eine Art Bagger beim Ausheben des Niehler Hafenbeckens im Jahr 2023
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In der Folge wurde weiter ausgebaut, insgesamt flossen zwischen 1948 und 1970 rund 36 Millionen Mark an Investment in Niehl I.
In den 1980er Jahren erreicht dann der Siegeszug des Containers den Niehler Hafen. „Container werden in Zukunft mehr und mehr in den Verteilerzentren im Binnenland vorgehalten“, heißt es im Geschäftsbericht des Jahres 1980. Die Hafenverwaltung propagierte daher: „Ein Containerterminal am Wasser ist zur Sicherung dieser Verkehrsanbindung der Kölner Wirtschaft und des Kölner Groß- und Einzelhandels unumgänglich“. 1985 werden die Häfen in den Stadtwerke-Konzern eingegliedert, was schließlich 1992 in der Gründung der Hafen und Güterverkehr Köln (HGK) führt. Dass diese vor zwei Jahren den Neubau ihrer Verwaltung im Niehler Hafen bezog, kann als starkes Zeichen für den Standort interpretiert werden.

Bauarbeiter auf der Baustelle des Niehler Hafens, vermutlich im Jahr 1922
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Doch warum wurde der Niehler Hafen überhaupt ein Hidden Champion und blieb trotzdem vielen Kölnern kaum bekannt? „Die große Leistung der Häfen insgesamt, nicht nur des Niehler Hafens, blieb lange der Bevölkerung im Verborgenen. Während Rheinauhafen und Deutz sich inmitten der Stadt befanden, war vielen Menschen in der Region die Bedeutung des Hafens nicht klar“, sagt Ulrich Soénius. 1967 konstatierte der Vorsitzende des Ratsausschusses „Wirtschaft und Häfen“, Helmut Rehker, der Niehler Hafen sei „von dem Lebensbereich der Kölner Bürger so wirkungsvoll getrennt, dass in der Bevölkerung vielfach Erstaunen über die bisher noch nicht bemerkte Leistungskraft durch die Berichterstattung ausgelöst wurde“.
Mit dem Rückbau der Flächen am Rheinauhafen und in den Häfen Deutz und Mülheim blieben die Häfen in Niehl und Godorf. Angesichts verkehrspolitischer Ziele, auch aus Klimaschutzgründen immer mehr Waren vom Lkw auf die Bahn und das Binnenschiff zu verlagern, dürfte Experten zufolge die Bedeutung des Niehler Hafens weiter steigen, seiner relativen Unbekanntheit tut das keinen Abbruch.

