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Start der GamescomWie Köln die Milliardenbranche Gaming für sich nutzt

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21.08.2024, Köln: Erster Tag der Computerspielemesse Gamescom 2024 in der KölönMesse - Besucher spielen auf der Messe. Foto: Thilo Schmülgen

Besucher spielen auf der Gamescom 2024. Foto: Thilo Schmülgen

Nicht nur während der Computer- und Videospielmesse Gamescom brüstet sich Köln mit dem Titel „Gaming-Hochburg“ – was dran ist und welche Bedeutung die Branche für die Stadt hat. 

Spätestens wenn die Computer- und Videospielemesse Gamescom in Köln eröffnet, wird klar, dass auch die Gamingbranche der Stadt weit mehr ist als ein nischiger Nerd-Treff. Die Gamescom ist die weltweit größte Veranstaltung ihrer Art. Von Mittwoch bis Sonntag, 20. bis 24. August, zieht sie hunderttausende Fans und Geschäftsleute in die Stadt – mehr als jede andere Kölner Messe.

Nicht überraschend also Gerald Böses Statement zur Veranstaltung: Die Welt blicke dieser Tage Richtung Rheinland, sagt der Kölner Messechef. Zumindest die Spieler- und Tech-Welt, möchte man etwas einschränken. Für Wirtschaft und Politik birgt die Messe Potenzial. Angemeldet haben sich unter anderem NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU), die die Messe offiziell eröffnen wird.

Der geballten Aufmerksamkeit des Gaming-Universums kann man sich sowieso sicher sein. Das Video der Gamescom-Eröffnungsfeier riefen 2024 mehr als 44 Millionen Menschen auf. Neben den 5000 Live-Gästen zog die „Opening Night“ am Dienstagabend auch in diesem Jahr wieder ein internationales und virtuelles Millionenpublikum an. Die Gamescom habe „internationale Strahlkraft“ und „wirtschaftliche Relevanz“, fasst Böse zusammen, zu Recht.

Schlüsselindustrie des 21. Jahrhunderts

Allerdings beschränkt sich die Bedeutung der Gamingbranche für den Standort Köln nicht nur auf das alljährliche Messe-Spektakel. Man sieht sich darüber hinaus als „Europäische Games-Metropole“, „Deutschlands Games-Hauptstadt“ und „Hochburg der Gamingbranche“. Auch wenn Standorte wie Berlin, München und Hamburg für Unternehmen inzwischen als mindestens genauso attraktiv gelten, wenn nicht gar als noch anziehender. 

Laut Andree Haack, städtischer Dezernent für Stadtentwicklung, Digitalisierung, Wirtschaft und Regionales, bietet Köln als Medienstadt für die Branche jedoch den idealen Nährboden. Weil die Faszination für Computer- und Videospiele wachse, sei die Games-Industrie mittlerweile einer der stärksten Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft. Es geht um Unterhaltung, aber nicht nur. Gaming „zählt zu den Schlüsselindustrien des 21. Jahrhunderts. Mit ihren innovativen Ansätzen wirkt die Branche heute weit in andere Wirtschaftsbereiche hinein – auch und gerade hier in Köln“, so Haack.

Köln: Gamingbranche machte 2022 Umsatz von mindestens 240 Millionen Euro

Den Umsatz der Gamingbranche beziffert die Stadt für das Jahr 2022 auf mindestens 240 Millionen Euro, dafür sorgen über 75 Unternehmen, die rund 1600 Menschen beschäftigen. „Rechnet man die Softwarebranche hinzu, sind aktuell sogar mehr als 7500 Menschen in beiden Bereichen beschäftigt“, teilt das Presseamt mit. 

Die gefüllte Lanxess-Arena während der „Extreme Masters Cologne“

Auch E-Sports-Veranstaltungen ziehen Gaming-Fans nach Köln. Die „Extreme Masters Cologne“, ein bedeutendes Counter-Strike-Turnier, füllten die Lanxess-Arena im August an drei aufeinanderfolgenden Tagen.

Als Teil der digitalen Wirtschaft und mit Schnittstellen in weitere Zweige, wie den Film- und Mediensektor, die Medizin oder Verteidigung, seien „die Fähigkeiten dieser Branche für unsere Wirtschaft und den Staat in Zukunft von großem Wert“, sagt Haack. Zwei praktische Beispiele: Die Uniklinik Köln setzt VR-Brillen und Roboter ein, damit Medizinstudierende echte Operationen in virtueller Umgebung üben können. Zudem gebe es Feuerwehren, die Notfallübungen am Computer trainieren, schreibt Köln-Business, die Wirtschaftsförderung der Stadt.

„Dies ist eine Milliardenindustrie, die abseits der klassischen Videospiele zu einem Innovationstreiber geworden ist. Von den Kompetenzen in den Bereichen Neuronale Netzwerke, virtuelle Realitäten oder Künstliche Intelligenz profitiert die Automobilindustrie genauso wie unser Gesundheitssystem“, sagt Köln-Business-Geschäftsführer Manfred Janssen. „Das sichert und schafft Arbeitsplätze und Innovationskraft, wodurch unsere Stadt attraktiver zum Arbeiten und Leben wird.“

Milliardengeschäft durch Verkauf von Kölner Unternehmen ESL nach Saudi-Arabien

Für Anziehungskraft sorgen vor allem die hier ansässigen großen Firmen – die dürften sogar Laien etwas sagen. Mit dem Computerspiele-Entwickler Electronic Arts (EA) hat eines der im internationalen Geschäft bedeutendsten Unternehmen einen Sitz in Köln. Bekannt wurde der amerikanische Hersteller durch seine Sportspiele, darunter die Fußballsimulation „EA Sports FC“ – besser bekannt als „Fifa“– oder „Die Sims“ und „Need for Speed“. 

Ralf Reichert sitzt auf einem hellen Sessel

Ralf Reichert, Kölner Gaming-Pionier und Gründer der Electronic Sports League (ESL), die 2022 für eine Milliarde Euro nach Saudi-Arabien verkauft wurde

Ein echtes rheinländisches Ur-Gewächs ist dagegen die Electronic Sports League (ESL). Geschrieben hat die Erfolgsgeschichte der Kölner Ralf Reichert, er gilt als Pionier des aktuellen E-Sport-Hypes und hat auch in Köln vielen Unternehmen den Weg geebnet. Die „Zeit“ bezeichnete ihn im vergangenen Jahr als Urvater des professionellen Computerspielens. Zusammen mit seinen Brüdern war er einst selbst begeisterter Gamer, bevor er im Jahr 2000 die Turtle Entertainment GmbH gründete und begann, E-Sport-Turniere zu veranstalten. Die Folgefirma ESL entwickelte sich mit der Spielebranche insgesamt zu einem internationalen Top-Unternehmen und wurde vor drei Jahren für eine Milliarde Dollar nach Saudi-Arabien verkauft.

Neben den Big Playern wird die Gaming-Szene in Köln aber auch von den „Indies“ geprägt. Das sind kleine, „independent“, also unabhängige Studios und Dienstleister. Auch Start-ups, junge Entwickler und Unternehmerinnen zieht es in die Stadt. 

Über 300 Studierende am Cologne Game Lab der TH Köln

Einen Anteil daran hat auch die Hochschullandschaft. Das SAE Institute oder die School of Games, beide private Schulen, bieten Studiengänge wie „Game Art und 3D Animation“ oder „Game Programming“ an und zählen laut Köln-Business zu den führenden Ausbildungsstätten für die deutsche Gaming-Industrie. 

Genauso wie die staatliche Technische Hochschule (TH) Köln, die einen Bachelor- und drei Masterstudiengänge für künftige Autorinnen und Gestalter digitaler Spiele anbietet. Aktuell sind über 300 Studierende am Cologne Game Lab (CGL), dem Institut für Spieleentwicklung und Forschung der TH, eingeschrieben. 

Die Area von Xbox besuchen viele Menschen bei der Gamescom 2024

Bei der Gamescom stellen nicht nur Branchenriesen wie Xbox und Nintendo Spiele und Geräte vor, auch unabhängige Entwickler, die sogenannte Indie-Szene, ist vertreten.

Etwa 30 von ihnen erwartet bei der Gamescom ein echter Realitäts-Check. Sie haben die Möglichkeit, ihre Projekte erstmals im großen Stil zu präsentieren. „Dort fallen täglich hunderte Augen auf dein Spiel. Besucherinnen und Besucher geben dir Feedback. Gleichzeitig konkurrierst du mit unzähligen anderen hervorragenden Indie-Games an den Nachbarständen um Aufmerksamkeit“, erzählt Greta Hoffmann vom CGL. „Es ist der Traum vieler Game-Design-Studierender, einmal während des Studiums auf der Gamescom zu sein und ein eigenes Spiel zu zeigen“, sagt die Professorin. 

335.000 Menschen besuchten 2024 die Kölner Messe Gamescom

Für dieses Jahr hat die Gamescom ein Rekordjahr angekündigt: Noch nie waren so viele Aussteller da, mehr als 1500 Unternehmen, Entwickler und Hersteller aus 72 Ländern sind beim Branchentreff vertreten, darunter Größen wie Nintendo und Xbox. Bis Sonntag werden mehr als 300.000 Besucherinnen und Besucher erwartet, im vergangenen Jahr waren es 335.000.

Sie beleben nicht nur das Treiben in der Stadt, sondern auch die lokale Wirtschaft mit unmittelbaren Erträgen durch die Ausgaben in der Hotellerie, Gastronomie und dem Einzelhandel, sagt Jürgen Amann, Geschäftsführer von Köln-Tourismus. Das macht sich besonders bei der Auslastung der Hotels und der Zimmerpreise bemerkbar. „Übernachtungsgäste gaben in Köln im Durchschnitt des Jahres 2024 rund 219 Euro pro Tag aus, wie das konkret zur Gamescom aussieht, lässt sich nicht sagen – die Ausgaben werden aber höher sein“, so Amann.

Laut der Kölner Messe und den aktuellsten Zahlen, die allerdings bereits im Jahr 2015 erhoben wurden, lassen Besuchende über alle Messe-Veranstaltungen des Jahres verteilt während ihres Aufenthalts rund 1,2 Milliarden Euro in der Stadt, die Gaming-Messe dürfte einen bedeutenden Anteil daran haben. Eine Schätzung von Messe-Chef Böse: „Man kann davon ausgehen, dass die wirtschaftlichen Effekte der Gamescom für Köln und die Region mindestens im dreistelligen Millionenbereich liegen.“