Schmuck mit religiösen Motiven diente nicht nur der Verschönerung, sondern auch der Erbauung.
Adventskalender (2)Einen Dürer am Hals

Goldene Brosche (Agraffe) mit einer Verkündigungsszene (um 1500) aus dem Museum für Angewandte Kunst Köln
Copyright: Alexander Schwaiger
In der von A bis Z sensationellen Sonderausstellung „Faszination Schmuck“ des Museums für Angewandte Kunst (MAKK) hat es mir eine der Vitrinen besonders angetan. Dort ist zu sehen, wie die ganz großen Werke der Malerei schon vor Jahrhunderten ihren Weg ins Kunstgewerbe gefunden haben. Wer heute die Mona Lisa auf dem T-Shirt spazieren führt, ist sozusagen Ausläufer einer alten Tradition.
Für meinen Adventskalender habe ich einen tropfenförmigen Anhänger ausgesucht, der um 1500 in deutschen Landen entstanden ist. Ursprünglich war dieses knapp 8 cm hohe prachtvolle Stück eine sogenannte Agraffe, eine Art Brosche, mit der man zum Beispiel zwei Enden eines Tuchs zusammenstecken konnte. Diese hat man irgendwann umgearbeitet.
Engel Gabriel kommt hereingerauscht
Die Besonderheit ist die figürliche Darstellung: eine Verkündigungsszene im Miniaturformat. Auf der rechten Seite, vom Betrachter aus gesehen, sitzt oder steht die Jungfrau Maria. Ich glaube, sie sitzt. Von links kommt in grünem Gewand der Engel Gabriel hereingerauscht und bringt Maria die schier unglaubliche Kunde, dass sie die Mutter Gottes werden soll. Die Szene ist umgeben mit einer Blattranke, wie man sie auch von spätgotischer Architektur kennt. Und in die Ranke wiederum sind kleine Türkise, Amaldine und facettierte Glassteine eingearbeitet.
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18.11.2025 Köln. Ein Adventskalender mit und von Barbara Schock Werner. Es werden 6x4 Objekte aus gebeutelten Kölner Museen betrachtet und vorgestellt. Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK). Anhänger. Foto: Alexander Schwaiger
Copyright: Alexander Schwaiger
Wer sich in der zeitgenössischen Malerei auskennt, den wird diese Verkündigungsszene vielleicht an Albrecht Dürer oder Martin Schongauer erinnern. Kann nicht sein, denken Sie? Und ob! Die Leute damals kannten ihre großen Meister. Dürers Kupferstiche zum Beispiel waren weit verbreitet. Als sich nun der Goldschmied, der diese Agraffe fertigen sollte, an die Arbeit machte, dachte er sich keine eigene Version der Verkündigung aus, sondern verwendete eine bereits vorhandene Vorlage. Ob er nun direkt einen Dürer vor Augen hatte oder ein von Dürer beeinflusstes Werk der niederländischen Malerei – das kann an dieser Stelle offenbleiben. Dürer und Schongauer waren übrigens selbst Söhne von Goldschmieden und hätten diese Agraffe als meisterliche Arbeit gewiss zu schätzen gewusst.
Entscheidend finde ich, dass die Menschen der damaligen Zeit große Kunst ganz nah bei sich haben, sie sozusagen über dem Herzen tragen wollten. Und mit den Motiven stellten sie zugleich konkrete, greifbare Bezüge zu ihrer Frömmigkeit her – mit Bezügen zur Heilsgeschichte oder zu den Legenden bedeutender Heiliger. So dienten solche Schmuckstücke nicht nur der Verschönerung, sondern auch der Erbauung ihrer Träger.
Aufgezeichnet von Joachim Frank
In unserem Adventskalender stellt Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner jeden Tag ein besonderes Ausstellungsstück aus einem von sechs Kölner Museen vor. Alle Folgen finden Sie hier: www.ksta.de/weihnachten
Das Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK), An der Rechtschule 7, 50667 Köln, ist geöffnet dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr (montags geschlossen, außer an Oster- und Pfingstmontag). Geschlossen ist das Museum auch an Heiligabend, am 1. Weihnachtsfeiertag, an Silvester und Neujahr sowie an Karneval. Am „Köln-Tag“, dem ersten Donnerstag im Monat, ist das Museum bis 22 Uhr geöffnet (außer an Feiertagen).
Eintritt für die Dauerausstellung „Kunst und Design im Dialog“: 4 Euro (ermäßigt 2 Euro). Kombi-Tickets zu den Sonderausstellungen: 10 beziehungsweise 13 Euro (ermäßigt 5 bzw. 6,50 Euro). Am Köln-Tag freier Eintritt für alle Kölnerinnen und Kölner, ab 17 Uhr ermäßigter Eintritt auch für alle anderen.

