Affe Petermann aus dem Kölner ZooDer tragische Tod eines PR-Maskottchens

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Petermann

Petermann musste Besucher mit abstrusen Kunststücken bespaßen.

  • Es war ein Schock und eine deutschlandweite Nachricht: 1985 griffen die beiden Schimpansen Petermann und Susi den Kölner Zoo-Direktor Gunther Nogge an. Er überlebte die Attacke nur knapp.
  • Heute beschreibt er die Affen als Opfer ihrer Zeit.

Köln – Die Narben sind unverkennbar: Spuren einer Attacke, die Gunther Nogge nie vergessen wird, nicht bis heute, in seine Mittsiebziger hinein. Auch wenn der langjährige Direktor des Kölner Zoos 33 Jahre danach beinahe abgeklärt über die Ursachen spricht. Über jenen 10. Oktober 1985, als ihn die Schimpansen Petermann und Susi angegriffen und beinahe totgebissen hatten. Siebeneinhalb Stunden kämpften die Ärzte um das Leben Nogges. Manch anderer wäre traumatisiert, hätte womöglich seinen Job aufgegeben. Aber nicht Nogge.

 „Ich habe mich später selbst immer gewundert, dass ich nicht nachts aufgewacht bin, schweißüberströmt in irgendeinem Alptraum und sehe diese Schimpansen über mir. Das ist nie passiert“, sagt der ehemalige Zooleiter über seine Gefühle. „Die wollten mir nichts Böses. Die wollten mich nicht auffressen“, sagt Nogges heute, „sie wollten mich auch nicht totmachen oder so. Sie wollten mir einfach nur zeigen, dass sie die Alpha-Position im Zoo haben, dass sie also Überlegene sind. Das ist ein ganz natürliches Schimpansen-Verhalten.“

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Gunther Nogge nach dem Angriff der Schimpansen Petermann und Susi im Krankenhaus: Siebeneinhalb Stunden kämpften die Ärzte um sein Überleben. 

Die beiden Affen flüchteten durch den Tierpark und wurden erschossen. Der Fall des Affen Petermann avancierte zur oft aufbereiteten Medien-Story. Schließlich hatte man bei dem Schimpansen vieles falsch gemacht, hatte ihn in völlig artfremd aufgezogen, ihn als PR-Maskottchen abstrus vermenschlicht. Petermann riss Karten im Zoo ab, aß vor Publikum wie ein Mensch, trat im Karneval mit Lederhose und Seppelhut auf, prostete dem Publikum auf einer Silvestergala im Fernsehen zu. 1959 eröffnete der Affe öffentlichkeitswirksam ein Postsparbuch, um für Spenden für ein neues Affenhaus zu werben.

Gunther Nogge sieht Petermann eher als typisches Opfer seiner Zeit. Viele Affen seien damals ähnlich vorgeführt worden. Es wäre daher falsch, dem Zoo Vorwürfe zu machen: „Erst seitdem die heute weltberühmte Jane Goodall Anfang der 60er-Jahre als erster Mensch in den Wald ging, um Schimpansen in der Natur zu beobachten, wissen wir, dass sie dort nicht mit Fahrrädchen, Lederhosen und Tiroler Hut und schon gar nicht allein leben, sondern in Familiengruppen.“

Petermann habe in Gesellschaft der Menschen viele affentypische Verhaltensweisen schlicht nicht gelernt, erläutert Nogge: „Ein Schimpanse, der wie Petermann ohne Kontakt zu Artgenossen aufwächst, hat dazu keine Gelegenheit.“

Gunther Nogge war von 1981 bis 2007 Direktor des Kölner Zoos.

Gunther Nogge war von 1981 bis 2007 Direktor des Kölner Zoos.

Zugleich aber folgte das Tier seinen Instinkten. Das Schimpansen-Männchen sah in dem damaligen Zoodirektor einen ranghöheren Kontrahenten, einen Gegner, der ihm seine Position streitig machte. Am 10. Oktober 1985 erhielt der Affe unverhofft Gelegenheit dazu. Offenbar hatte ein neuer Tierpfleger eine der Käfigtüren offengelassen.

Unvermittelt sah sich Nogge Petermann und seiner Gefährtin Susi gegenüber: „Die beiden Schimpansen sahen mich und haben sich sofort auf mich gestürzt. Dann wollte ich mich wieder retten, bin ins Haus rein, durch diesen Besucherraum in die Futterküche und da war dann die Auseinandersetzung. Ich habe die Tür nicht mehr schnell genug zu bekommen, da ist es passiert.“

Nogge überlebte. Petermann stilisierten linke Kreise gar zu einem Helden gegen das bürgerliche Establishment. Im Todeskampf habe der Schimpanse gar noch die linke Hand zur Faust erhoben. Nüchtern wertet der Zoologe Nogge den Angriff heute als „artgerechte Verhaltensweise“. Nichts weiter.

Petermanns Mythos bis heute ungebrochen

Allerdings sorgte nicht zuletzt dieser tragische Fall für eine Bewusstseinsänderung in der Zoohaltung von Tieren, speziell auch Affen. Noch im November 1985 entwickelte der Kölner Zoo die ersten Erhaltungszuchtprogramme. Fortan wurden die Tiere in den Parks selbst gezüchtet. Heute leben Schimpansen, Gorillas und viele andere bedrohte Tierarten inmitten eines tropischen Regenwaldes. So etwa im Urwaldhaus, das ebenfalls 85 seine Tore öffnete. Petermann hat dieses neue Heim nicht mehr erlebt. Sein Mythos indes ist bis heute ungebrochen.  

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