Auf der Flucht nach KölnUkrainische Familie wird mitten in der Nacht ausgesetzt

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Inna Pavlik und ihr Hund Basia.

Köln – Hunderttausende Menschen haben nach dem russischen Angriff auf die Ukraine das osteuropäische Land verlassen. Inna Pavlik (30) und ihre Familie hat es nach tagelanger Flucht an den Kölner Hauptbahnhof verschlagen. Inna Pavlik trinkt Kaffee in der provisorischen Anlaufstation, die Feuerwehr, Hilfsorganisationen und freiwillige Helfer am Breslauer Platz eingerichtet haben. In den Armen hält sie ihren Hund Basia.

Es war am 25. Februar, einen Tag nach dem russischen Angriff, als Inna Pavlik und ihre Familie beschlossen, Kiew zu verlassen und in den Westen zu fliehen. „Nachdem wir um fünf Uhr morgens Salven von Granaten hörten, war uns klar, dass es Zeit ist, wegzufahren.“ Die Eltern Vitaly und Galina (beide 60) und sie hatten am vorherigen Tag alle Sachen eingepackt, die sie auf der Flucht mitnehmen wollten. „Komisch, wie unvorbereitet man für den Krieg ist“, sagt Inna Pavlik. „Wir haben sechs Rollen Toilettenpapier und Sardinen mitgenommen. Im Nachhinein frage ich mich: Wofür?“.

Nie lange Ruhe an einem Ort

Die Flucht sollte die Familie nach Winnyzja führen, eine Stadt 250 Kilometer westlich von Kiew, in der sich nach der ersten Welle der Bombenangriffen viele Flüchtlinge aus der Hauptstadt sammelten. „In den ersten Tagen wurde Winnyzja nicht bombardiert, deswegen konnten wir uns dort ein bisschen ausruhen“, sagt Inna Pavlik. Die Ruhe währte aber nicht lange. Bereits nach drei Tagen heulten auch hier Sirenen, die vor Luftangriffen warnten. Die Familie floh weiter, doch die nächsten Probleme kamen schnell.

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Zahlreiche ukrainische Flüchtlinge kommen am Hauptbahnhof an.

„Ich habe jemanden gebeten, uns zur polnischen Grenze zu fahren. Ich habe ihm das Geld für Benzin und für seine Hilfe überwiesen. Aber auf dem Weg zur Grenze hielt er sein Auto an einem Feld an, mitten in der Nacht, und weigerte sich, uns weiter zu fahren. Wir waren schockiert.“

Inna und ihre Familie mussten während der Ausgangssperre zur nächsten Tankstelle laufen. Über die Autobahn, in der Nähe tobten die Kämpfe . „Ich hatte Angst um meine Eltern und habe in Facebook-Gruppen nach freiwilligen Helfern gesucht, die uns ins westukrainische Lviv fahren können.“

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Dann trennte sich die Familie, denn der Fahrer, den sie fand, hatte nur zwei Plätze frei, die Pavlik für ihre Eltern reservierte. Die junge Frau blieb alleine zurück, trampte, und wurde von einem Lkw mit nach Lviv genommen, wo sie ihre Eltern Familie wiedertraf.

„Der Bahnhof in Lviv sah schrecklich aus. Kinder saßen auf Betonplatten, eingewickelt in Folie, weil es so kalt war.“ Im Zug nach Polen stand Inna Pavlik 21 Stunden im Windfang, andere Geflüchtete saßen auf dem Boden. „Ich habe gehofft, es wäre nur ein Alptraum und dass ich bald aufwache.“

Ukrainische Familie wird mitten in der Nacht ausgesetzt

In einem polnischen Wohnheim für Flüchtlinge konnten die Pavliks nicht lange bleiben. Täglich kamen neue Flüchtlinge an, man war auf eine so hohe Zahl Menschen nicht vorbereitet. Irgendwann gab es kein Platz mehr für sie. So entschlossen sie sich, weiter nach Deutschland zu reisen. „Mein Vater sollte am 27. Februar eine Fußoperation haben, deswegen war es mir wichtig, irgendwohin zu kommen, wo die Ärzte in der Lage sind, ihm zu helfen.“

Sie fanden eine Busstation, an der freiwillige Helfer Flüchtlinge unterstützten. „Diese Station war eine Stunde von uns entfernt, die ganze Strecke sind wir zu Fuß gegangen“, sagt Mutter Galina Pavlik. Per Zug ging es weiter nach Köln. Nach anderthalb Wochen kam die Familie an einen sicheren Ort - mental und physisch erschöpft.

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Helfer versorgen die Menschen mit Lebensmitteln. Es gibt Getränke und etwas zu essen.

Wie es jetzt weitergeht, ist noch unklar. „Galina, Vitaly und Inna, bald werdet ihr abgeholt“, macht eine freiwillige Helferin während des Gesprächs in Köln den Flüchtlingen Mut. „Alle Hotels in der Nähe sind schon voll, aber wir hoffen, dass wir etwas finden. Wenn nicht, dann überlegen wir neu.“

Das Gesicht von Inna Pavlik strahlt trotz aller Ungewissheit Ruhe aus. Seit sie in Sicherheit ist, kann sie nichts mehr erschüttern. Ihr Hund Basia zittert, heute aber nicht mehr vor Kälte - offenbar sucht sich der aufgestaute Stresses der vergangenen Woche ein Ventil. Später wird die Familie Pavlik mit einem Auto zu einem Hotel gebracht, in dem sie vorerst bleiben kann.

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