Geheime DossiersKölner Generalvikar verteidigt PR-Strategie für Kardinal Woelki

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Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki

Köln – Der neue Generalvikar des Erzbistums Köln, Dompropst Guido Assmann, hat die PR-Strategie von Kardinal Rainer Woelki im Missbrauchsskandal verteidigt. Nach tagelangem Schweigen der Bistumsleitung zu bislang geheimen Unterlagen aus dem Jahr 2020 wies Assmann den Vorwurf zurück, Woelki habe im Zusammenhang mit dem Aus für ein erstes Missbrauchsgutachten und der Beauftragung einer Ersatzstudie den eigenen Betroffenenbeirat instrumentalisiert.

Erzbistum Köln stellt sich gegen Darstellung der Instrumentalisierung

„Weil die Stimme des Betroffenenbeirats so wichtig ist und die Betroffenen ein berechtigtes Interesse an Transparenz haben, durften sie auf keinen Fall übergangen werden“, schreibt Assmann in einer Mitteilung an die Mitarbeitenden vom Mittwoch, die das Erzbistum am Abend auch veröffentlichte. „Handlungsleitend war somit immer und ausschließlich die Betroffenenperspektive – genauso wie es unser Erzbischof vorgegeben hatte. Es gab nie das Ziel, diese zu einem bestimmten Stimmverhalten zu animieren. Es ist auch niemals Druck auf einzelne oder mehrere Teilnehmer ausgeübt worden.“

Guido Assmann

Generalvikar Guido Assmann

Wäre das Votum des Beirats zu dem von Woelki geplanten Gutachterwechsel anders ausgefallen, wäre komplett neu nachgedacht worden, versichert Assmann. Dass die Sitzung im Oktober 2020 von Teilnehmern "unterschiedlich bewertet" werde und sich ein Betroffener instrumentalisiert fühle, zeige ihm, „dass wir im Umgang mit Betroffenen noch sensibler werden müssen“.

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Vertrauliche Dokumente: Statement von Woelki gefordert

Nach der Veröffentlichung vertraulicher Papiere der vom Erzbistum beauftragten Agentur für Krisenkommunikation durch den „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatten die Stadtdechanten von Köln, Bonn, Wuppertal und Düsseldorf in jeweils eigenen Stellungnahmen eine Erklärung des Kardinals gefordert.

Kölner Stadtdechant befürchtet moralischen Bankrott

Der Kölner Stadtdechant Robert Kleine sprach von einer moralischen Bankrotterklärung, falls Woelki die „Inszenierung samt Wut bei gleichzeitig durch bezahlte PR-Experten angeratenen Emotionen, Glaubhaftigkeit und Echtheit“ gebilligt haben sollte. Kleines Bonner Kollege Wolfgang Picken warnte vor einem Tiefpunkt in der krisenhaften Situation des Erzbistums. Zuvor hatten sich Betroffenenvertreter – allen voran die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus – empört über die Empfehlungen der PR-Strategen und Woelkis Vorgehen gezeigt.

Der frühere Co-Sprechers des Kölner Betroffenenbeirats, Patrick Bauer, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, er habe erkennen müssen, dass er von der Bistumsleitung „wie ein dressierter Schimpanse durch die Manege geführt“ worden sei. Der wie Bauer im November 2020 aus Protest zurückgetretene zweite Sprecher, Karl Haucke, äußerte sich ähnlich und forderte Woelkis Rücktritt.

PR-Berater empfahlen Woelki „echte Wut“

Aus einem der geheimen Dokumente zu Woelkis PR-Strategie geht hervor, dass die Berater die Zustimmung des Betroffenenbeirats zum Gutachterwechsel als zwingend erforderlich für den Erfolg der Kommunikation ansahen. Es wurden verschiedene Szenarien samt möglichen Folgen durchgespielt. Für den Verlauf einer entscheidenden Sitzung mit dem Betroffenenbeirat kurz vor Bekanntgabe des zu diesem Zeitpunkt längst beschlossenen Gutachterwechsels wurde der Bistumsspitze unter anderem angeraten, „echte Wut“ zu zeigen.

Es sei „definitiv falsch“, dass die Bistumsspitze „nach einem Drehbuch Dritter gehandelt“ habe, schreibt Assmann, der Woelkis Stellvertreter in der Leitung des Erzbistums ist und in dieser Funktion am 1. Juli den bisherigen Generalvikar Markus Hofmann abgelöst hat. „Die Agentur hat uns Handlungsempfehlungen mit auf den Weg gegeben, Vorschläge gemacht und Szenarien entwickelt, hat also für ihr Geld auch gearbeitet – eine völlig übliche Vorgehensweise“, so Assmann weiter. „Natürlich haben wir nicht alle Vorschläge in Wort und Tat umgesetzt. Weder wollten wir instrumentalisieren noch auch einen solchen Verdacht irgendwie nähren. Letzteres ist leider nicht gelungen.“

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In den Medien werde daraus nun „ein Riesenskandal“ gemacht – „ist es aber nicht“. Assmann beklagt sich über das „Durchstechen eines vertraulichen Papiers“ und verteidigt die Haltung des Erzbistums, zum Schutz der Aufklärung des Missbrauchs und des Vertrauens der Betroffenen „aus vertraulichen Papieren, Mails oder Gesprächen“ nicht zu informieren. Wer so etwas auch nur dulde, schade dem gesamten Erzbistum, den Mitarbeitenden und nicht zuletzt den Betroffenen. 

Die von Woelki beauftragte Agentur erhielt für ihre Dienste nach Bistumsangaben ein Honorar von 820.000 Euro aus einem kirchlichen Sondervermögen zur persönlichen Verfügung des Erzbischofs.

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