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Erzbistum KölnLeitender Geistlicher gewinnt Presserechtsstreit um Porno-Liste

Lesezeit 4 Minuten
Ein Kirchenkreuz auf dem Dach der entwidmeten ehemaligen katholischen Kirche Mariä Geburt in Pogreß/Mecklenburg-Vorpommern (Luftaufnahme mit einer Drohne). Die 1949 mit Feldsteinen errichtete Kirche wird seit 2024 nicht mehr von Erzbistum Hamburg genutzt.

Kirchturmspitze mit einem Kreuz (Symbolbild) 

Das Landgericht Köln hat Berichte über versuchte Zugriffe eines hochrangigen Kölner Priesters auf Pornoseiten für unzulässig erklärt. 

Ein hochrangiger Priester des Erzbistums Köln hat Presseberichte über Zugriffsversuche auf Porno-Webseiten verbieten lassen. Das Landgericht Köln sah Angaben der „Bild“-Zeitung über die Internet-Aktivitäten des Geistlichen von seinem Dienstrechner aus als nicht hinreichend erwiesen an. Die Zeitung durfte ihn nach Überzeugung des Gerichts in diesem Zusammenhang nicht mit Namen nennen und ihn auch nicht im Bild zeigen. Die „Bild“ kündigte Berufung gegen das Urteil an. 

Der Priester hatte sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt gesehen und war gegen die Berichterstattung aus dem August 2023 vorgegangen. Die Pressekammer des Landgerichts unter Vorsitz von Richter Dirk Eßer da Silva gab nun der Klage „vollumfänglich statt“, wie Gerichtssprecherin Diana Renk mitteilte. Die Berichterstattung habe den Kläger in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt.

Liste mit Zugriffsversuchen auf geblockte Webseiten

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ existierte beim Erzbistum eine von dessen IT-Dienstleister im Juni 2022 erstellte Liste mit Internet-Adressen, deren Aufruf durch Mitarbeitende eine interne Firewall verhindert hatte. Auf den Webseiten fanden sich keine strafbaren Inhalte wie Kinderpornografie. Allerdings untersagt das Erzbistum per Dienstanweisung „pornografische, rassistische, sexuell belästigende, kompromittierende oder diskriminierende, sonstige gesetz- oder rechtswidrige oder gegen die Systemsicherheit gerichtete Aktivitäten“ von Bistumsrechnern oder mobilen Endgeräten aus. Pornografie gilt nach der Lehre der katholischen Kirche als schwere Sünde. Nicht zuletzt der verstorbene Papst hat sie als teuflisch angeprangert und besonders Priester davor gewarnt.

Der Name des Klägers sowie die von seinem Computer aus angesteuerten Webseiten mit nicht strafbaren pornografischen Inhalten standen auf der Liste des Erzbistums. Außerdem ging daraus hervor, dass der Rechner des Klägers zu denen mit den meisten Zugriffsversuchen auf geblockte Seiten gehörte.

Erzbistum verweigert Erzbischof Aussagegenehmigung

Die „Bild“-Zeitung hatte im Prozess versucht, Kardinal Rainer Woelki als Zeugen zu hören und auch den Kläger selbst zu befragen. Woelki ließ durch seinen Generalvikar Guido Assmann erklären, dass das Erzbistum ihm keine Aussagegenehmigung erteile. Außerdem berief sich der Erzbischof auf das Seelsorgegeheimnis. Er musste daraufhin nicht vor Gericht erscheinen.

Der Kläger stimmte seiner Vernehmung vor Gericht nicht zu. Sein Anwalt Heiko Klatt sagte dazu, sein Mandant sei nicht bereit, das Spiel der Gegenseite mitzuspielen. Eine „Parteienvernehmung“ gilt im Zivilprozess als letztes Mittel zur Aufklärung strittiger Sachverhalte. Sie scheidet aber aus, wenn die „Partei“ – in diesem Fall also der Priester als Kläger – die Vernehmung ablehnt, was rechtlich zulässig ist.

Kölner Landgericht „nicht überzeugt“

Nach der Beweisaufnahme war das Gericht „nicht davon überzeugt“, dass der Kläger tatsächlich versucht hatte, die fraglichen Internetseiten aufzurufen. Die „Bild“ habe die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung verletzt. Das Anonymisierungsinteresse des Klägers habe im konkreten Fall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwogen, zumal die Berichterstattung für den Kläger mit „erheblichen Nachteilen“ verbunden sei.

Kläger-Anwalt Heiko Klatt zeigte sich auf Anfrage erfreut, dass das Gericht „aus der Hüfte geschossene“ Berichte über seinen Mandanten untersagt habe. „Es wäre wünschenswert, wenn sich Artikel der ‚Bild‘ künftig besser von mittelalterlichen Hexenjagden unterscheiden ließen.“

„Bild“-Zeitung hält die Urteilsbegründung für falsch

Die „Bild“-Zeitung hingegen wird gegen das Urteil Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) Köln einlegen, wie eine Sprecherin der auf Anfrage erklärte. „Wir halten das Urteil gleich an mehreren Stellen seiner Begründung für falsch“, sagte sie.  Nicht hinnehmbar sei insbesondere, dass die Kammer „die Aussageverweigerung des Klägers mit fadenscheinigen Argumenten gedeckt“ habe. Die Gründe für Kardinal Woelkis Weigerung, als Zeuge auszusagen, seien vom Gericht in seiner Entscheidung nicht einmal gewürdigt worden. „Wir sind zuversichtlich, dass das OLG Köln – wie schon in vergangenen Verfahren gegen das Erzbistum Köln – einen sachlicheren und rechtlich dezidierteren Maßstab bei der Beurteilung anlegt.“

Zur Weigerung des klagenden Priesters, für eine Parteivernehmung vor Gericht zu erscheinen, sagte sein Anwalt Klatt, es sei seinem Mandanten nicht zuzumuten, auf einer ausgesprochen dünnen Faktenbasis zu „grundsätzlich schambehafteten Themen“ Stellung zu nehmen. „Niemand würde sich ohne Not einer solchen Situation aussetzen.“ Dem habe das Gericht Rechnung getragen.

Aktenzeichen: 28 O 635/23