Köln – Die Ernennung des Kölner Generalvikars Stefan Heße zum neuen Erzbischof von Hamburg ist seit Montag offiziell. Schon vorher gingen im Erzbistum Köln und besonders in der Verwaltungszentrale an der Marzellenstraße die Spekulationen über Heßes Nachfolger um. Zwar wiegelte Kardinal Rainer Woelki vor den versammelten Mitarbeitern des Generalvikariats ab und sagte süffisant, was unter Berufung auf die Bistumsleitung berichtet werde, auch vom „Kölner Stadt-Anzeiger“, das sei mehr, als er selber wisse. Doch der Erzbischof weiß selbst genau: In den Büros der Kirchenbehörde, aber auch in den Pfarrhäusern gibt es derzeit keine wichtigere Personalangelegenheit als die Neubesetzung seines Stellvertreter und „Alter Ego“. Das spricht nicht zuletzt für die hohe Wertschätzung, das sich der scheidende Amtsinhaber in seiner zweijährigen Amtszeit seit 2012 erworben hat. Viele trauern Heßes lockerer, menschlicher und dialogbereiter Art bereits jetzt nach. Und sie bangen, dass der Neue zumindest in dieser Hinsicht gegen seinen Vorgänger abfallen könnte.
Wer dieser Neue sein wird, ist – wenn man Woelki Glauben schenkt - nach gegenwärtigem Stand offen. Die Entscheidung liegt bei ihm und nur bei ihm. Der Erzbischof ist gänzlich frei, seinen Stellvertreter zu ernennen oder auch, ihn abzuberufen. Endet die Amtszeit des Bischofs, erlöschen automatisch auch sämtliche Vollmachten seines „Alter Ego“. Diese sind nach dem Kirchenrecht beträchtlich. Der Generalvikar ist nach dem Bischof der höchste Würdenträger eines Bistums, noch vor den Weihbischöfen. Ihm kommt für sämtliche Verwaltungsangelegenheiten die „ausführende Gewalt“ (potestas executiva) zu. Vereinfacht gesagt, hängt es am Generalvikar, dass im Bistum der Laden läuft.
Plausibler Kandidat aus Neuss
Der Kölner Kardinal Rainer Woelki erwartet von Politikern ein schnelles und entschiedenes Handeln gegen die wachsende Kluft zwischen Reich und Arm. „Alle, die die Macht haben, müssen auch den Mut aufbringen, endlich zu handeln“, sagte der Erzbischof von Köln am Sonntag in einem Beitrag für das Domradio. Woelki verwies darauf, dass schon im kommenden Jahr ein Prozent der Weltbevölkerung mehr Vermögen angehäuft haben werde als alle anderen 99 Prozent zusammen. „Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen“, zitierte er eine Redensart. „Doch diese ungerechte Verteilung der irdischen Güter ist nicht vom Teufel und erst recht nicht von Gott gegeben.“ Es sei Menschenwerk.
Schon die Bibel wisse: Wer Geld und Luxus liebe, bekomme niemals genug davon. Alle Christen seien aufgerufen, sich für eine gerechtere Verteilung zu engagieren. (dpa)
Schon deshalb muss Woelki daran gelegen sein, den Posten schnell wieder zu besetzen. Ein Name sickerte durch, kaum dass Heßes Ernennung zum Erzbischof ruchbar geworden war: Guido Assmann. Der Neusser Kreisdechant und Oberpfarrer von St. Quirin, der an diesem Mittwoch 51 Jahre alt wird, ist ein plausibler Kandidat. Für ihn spricht, dass er sowohl mit der Seelsorge als auch mit der überpfarrlichen Administration vertraut ist und als begabter Organisator gilt. 2004 berief ihn Kardinal Meisner zum Leiter des Projekts „Zukunft heute“, das in Zeiten von Priestermangel und schwindenden Aktiven-Zahlen in den Gemeinden einen notwendigen, aber auch umstrittenen, Strukturwandel mit Pfarreifusionen und der Aufgabe von Seelsorge-Standorten einleitete. Neusser Medien griffen das Gerücht umgehend auf – mit lokalpatriotischem Stolz und dem Hinweis, dass die romanische Basilika St. Quirinus „die wichtigste Kirche“ im Erzbistum sei. Nach dem Dom, versteht sich.
Seit den Zeiten von Kardinal Josef Frings kamen die Kölner Generalvikare stets aus der Bistumsverwaltung oder dem direkten Umfeld des Erzbischofs. Zwei von ihnen, Dompropst Norbert Feldhoff und Weihbischof Dominikus Schwaderlapp, waren Privatsekretäre der Kardinäle Joseph Höffner und Joachim Meisner. Diese Option hat Woelki jetzt nicht, weil er diesen Posten – wie zuvor schon in Berlin – wegrationalisiert hat. Meisners letzter Sekretär, Oliver Boss, ist gerade erst zum Pfarrer ernannt worden.
Geborene Kandidaten für Heßes Nachfolge wären dessen derzeitige Stellvertreter, Gerd Bachner und Hans-Josef Radermacher. Doch der eine – Bachner – ist bald 70, steht kurz vor dem Ende seiner Zeit als Leiter der Schulabteilung und soll mutmaßlich Feldhoff als Dompropst beerben. Dem 59 Jahre alten Radermacher, seit 2000 in der Personalleitung des Bistums tätig und seit 2006 Chef der damals neu gegründeten Hauptabteilung Seelsorgebereiche, werden aus verschiedenen Gründen keine ausgeprägten Ambitionen auf weitere Karriereschritte nachgesagt.
Im weiteren Kreis der Bistumsleitung haben die Betreiber des Kandidatenkarussells inzwischen Mike Kolb ausfindig gemacht, den Diözesanjugendseelsorger. Er gilt schon geraume Zeit als Führungsreserve, soll entsprechende Avancen aber bislang abgewehrt haben. Möglicherweise hat sich für ihn die Großwetterlage durch das „Hoch Rainer“ geändert. Jedenfalls wird ihm ein einvernehmliches, ja herzliches Verhältnis zum Erzbischof nachgesagt. Und auch wenn das Kirchenrecht zum persönlichen Verhältnis zwischen Bischof und Generalvikar kein lateinisches Wort verliert und somit auch keine besondere Nähe des „Alter Ego“ zu seinem Dienstherrn erwartet – in der Lebenswirklichkeit sind der kurze Draht und ein Band der Sympathie nicht zu unterschätzen.
Weitere Namen im Gespräch
Es wäre Sinne einer Zäsur nach der 25-jährigen Ära Meisner, der die gesamte Führungscrew im Generalvikariat installiert hat, wenn Woelki dessen neuen Chef von außen holte. Neben Assmann sind im Klerus noch weitere Kandidaten für den Posten des Generalvikars im Gespräch. So wurde bei Woelkis Amtseinführung im September aufmerksam registriert, dass der Düsseldorfer Pfarrer Ansgar Steinke stellvertretend für die Priester den Treueid ablegte. Der 1960 geborene Steinke galt in jungen Jahren als Hoffnungsträger, sei aber von Meisner alsbald geschasst und in die Pfarrseelsorge „abgeschoben“ worden. Dort hat er den Ruf erfolgreicher Arbeit und einer liberalen Einstellung. Steinke als Generalvikar wäre, sagen Insider übereinstimmend, „ein eindeutiges Signal für den Bruch mit der Generation M.“ M wie Meisner.
Dann geisterte aber auch noch ein anderer Name durch die Gänge des Generalvikariats: Wolfgang Picken. Kaum einer auf weiter Kölner Flur ist so selbstbewusst, ehrgeizig und eigenwillig – manche sagen, eitel - wie der 1967 geborene Pfarrer. Er hat seinen Sprengel Bonn-Bad Godesberg mit Ideenreichtum, Umtriebigkeit, Charme und einer gehörigen Portion Chuzpe zur „blühenden Landschaft“ gemacht, dabei aber auch stark polarisiert. Seiner blendenden Erscheinung wegen ginge Picken umstandslos als „Gänswein von Köln“ durch. Erst recht, wenn es ihn von der Bistumsperipherie ins Zentrum verschlüge. Das, prophezeit einer von Pickens Mitbrüder, würde zu einer „Katastrophenstimmung mit heftigen Eruptionen“ führen. Deshalb sehen die „gewöhnlich gut unterrichteten Kreise“ Picken nicht wirklich ante portas. Zumal er – wie einer seiner Kollegen spitz bemerkt - schon deshalb nicht in Frage komme, weil er dann ja das „Alter ego“ des Bischofs sein müsste. „Das geht für einen Wolfgang Picken gar nicht. Der kann nur Ego.“