Festival-PremiereNeuer Film über die Edelweißpiraten

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Jean Jülich im Film "Edelweißpiraten"

Köln – Der einfache Titel „Edelweißpiraten“, den Dobrivoie Kerpenisan seinem Dokumentarfilm gegeben hat, täuscht. Der Film erzählt weniger die Geschichte der unangepassten Jugendbewegung in der Nazi-Zeit. Er dokumentiert vielmehr das Ende eines für die Beteiligten so schmerzhaften Weges, bis den Edelweißpiraten endlich der Respekt gezollt wurde, den sie verdient hatten. Erst 60 Jahre nach der Erhängung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen ohne Gerichtsurteil am Ehrenfelder Bahndamm wurden sie vom damaligen Regierungspräsidenten Jürgen Roters rehabilitiert.

Am Abend, als die Nachricht gedruckt wurde, wartete Filmemacher Kerpenisan in einer Ehrenfelder Kneipe auf den „Express“-Verkäufer, um dann eine hitzige Debatte unter Kneipengästen zu dokumentieren. Der Streit beim Kölsch am Tresen steht sinnbildlich für die zum Teil harten Kontroversen der Jahre zuvor: Ein Mann kritisiert das „Theater um Verbrecher“, eine Frau gibt ihm Kontra und berichtet, wie sie 1944 dazu gezwungen wurde, bei der Erhängung zuzusehen. Das, was sich die Edelweißpiraten trauten, hätten sich die allermeisten nicht getraut.

Premiere beim Kölner Filmfestival

Der neue Dokumentarfilm des prämierten Autors feiert beim „Internationalen Film Festival Cologne“ Premiere. Neues erfährt man nicht. Und doch ist die Art, wie sich Kerpenisan dem Thema nähert, spannend und sehenswert. Der Film braucht keine erklärende Stimme aus dem Off, um am Beispiel des bekanntesten Edelweißpiraten, Jean Jülich, den Kampf der Überlebenden um ihre Anerkennung nachzuempfinden.

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Jean Jülich als junger Edelweißpirat

Die Szenen aus der verrauchten, kölschen Kneipe werden zwischen Szenen mit Jülich geschnitten, der in Schulklassen, im NS-Dokumentationszentrum oder auf einer großen Bühne an die letzten Monate des Weltkrieges, seine Zeit im Gestapo-Gefängnis und den Tod seiner Freunde erinnert. Es irritiert, dass auch Bilder von der Exekution und von einem Folteropfer zu sehen sind, die aussehen, als würde es sich um Originalaufnahmen aus der NS-Zeit handeln. Man muss ein wenig Vorwissen mitbringen, um zu verstehen, um was es geht. Der 55-jährige Dokumentarfilmer hat als Student in Köln gelebt. Er sei oft an der Stelle am Ehrenfelder Bahndamm vorbeigekommen, sagt er. Die Geschichte habe ihn fasziniert. Schließlich habe er Kontakt zu Jülich aufgenommen und so eine beeindruckende Persönlichkeit kennengelernt. Dass sich die für den Film so prägenden Aufnahmen in der Kneipe so entwickelt haben, war ein Glücksfall.

Er habe nur gewusst, dass der „Express“ an dem Abend groß berichten werde und dann die Kamera draufgehalten. Vor dem Hintergrund der aktuellen, scharfen Debatten um Sprache und „Political Correctness“ wirken die Kneipenszenen aus dem Jahr 2004 schon heute wie ein altes Zeitdokument. „Heute würde keiner mehr in einer Kneipe so eine Diskussion vor einer laufenden Kamera führen“, glaubt der Autor.

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Wer das kölsche Original Jean Jülich kannte, weiß, wie weh es ihm getan hat, wenn immer wieder das Nazi-Urteil über die Edelweißpiraten als „kriminelle Bande“ übernommen wurde. Zeitzeugen, Gutachter wie Hobby-Historiker hatten sich in einer zeitweise hochemotionalen Debatte verrannt. Bei der Beurteilung, ob es sich bei den Edelweißpiraten um eine heroische Widerstandsbewegung mit einem politischen Programm gehandelt hatte, ging völlig verloren, dass man über Jugendliche sprach, die man nicht mit Exponenten von bürgerlichen und gebildeten Oppositionsgruppen vergleichen konnte. „Wir haben gelacht, gespielt, gesungen – und waren gegen die Nazis“, sagt Jülich im Film. Das Widerständische und die bewusste Entscheidung, sich dem totalitären Überwachungsstaat nicht unterzuordnen, machten sie zu gejagten Staatsfeinden.

Der Film wird beim Filmfestival viermal gezeigt. Nach der Premiere zum Festivalauftakt im Filmforum des Museum Ludwig am Donnerstag läuft er noch am 20. August um 18 Uhr in der Kulturkirche Ost in Buchforst, am 21. August um 16.45 Uhr im Rex am Ring und am 22. August, 16 Uhr, noch einmal im Filmforum im Museum Ludwig. Tickets bekommt man im Internet.

www.iffc.io/edelweispiraten  

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