Interview zu Bistumsfinanzen„Kein Unternehmen dieser Größe würde sich so aufstellen”

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Kölner Dom

  • Das Milliardenvermögen des Erzbistums Köln wird von verschiedenen Aufsichtsgremien kontrolliert, die im Wesentlichen mit externen Fachleuten besetzt sind.
  • Die Unternehmensberaterin Mechthild König ist neue Vorsitzende des Wirtschaftsplanausschusses im Kirchensteuer- und Wirtschaftsrat (KiWi).
  • Sie spricht über Ineffizienz, Informationsdefizite, Geld als Katalysator für Veränderungen und die Krise der katholischen Kirche.

Köln – Frau König, Sie waren bereits in der vorigen Amtsperiode Mitglied im Kirchensteuer- und Wirtschaftsrat (KiWi) des Erzbistums. Jetzt sind sie Vorsitzende des Wirtschaftsplanausschusses. Haben Sie ein Programm, eine Agenda?

Mechthild König: Mir schwebt ein echtes umfassendes Aufsichtsgremium vor, wie es in Vereinen, Verbänden oder vor allem auch in der Privatwirtschaft üblich ist. In der Kirche gibt es unterschiedliche Gremien, die alle ihre eigene Sicht haben. Das ist auch gut so. Aber die einzelnen Puzzleteile fügen sich oft nicht zum Gesamtbild. Wenn wir zum Beispiel im „KiWi“ aus finanzieller Sicht etwas befürworten, was Priester- oder Diözesanpastoralrat aber aus pastoralen Gründen ablehnen, dann kann ich bislang nur sagen: „Sorry, Leute, aber diese Informationen hatten wir nicht.“ So etwas ist misslich und ineffizient.

Mechthild

Mechthild König.

Wie ginge es besser?

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Ich wünschte mir für die Kirche einen Aufsichtsrat, wie es ihn in Unternehmen gibt. Ein Gremium, das das große Ganze kennt und sieht und entsprechend entscheiden kann.

Aber der Vorstand, in der Kirche der Bischof, macht die Vorgabe, was er pastoral für sinnvoll hält. Dazu können Sie als Finanz- und Verwaltungsfachfrau doch wenig sagen.

Ich bleibe im Bild: Der Vorstand ist begründungspflichtig und wenn der Aufsichtsrat überzeugt ist, gibt er ein entsprechendes Votum ab.

Zu solch einer Konstruktion bräuchte es ein Bekenntnis der Bistumsleitung.

Schauen wir mal. Es bewegt sich im Moment doch schon einiges. Wir bekommen im Generalvikariat eine Dreierspitze für Seelsorge, Finanzen und Verwaltung. Das ist eine Idee, die wir auch auf dem Pastoralen Zukunftsweg vorgeschlagen haben. Ich hätte vor drei Monaten nicht gedacht, dass das so schnell kommt.

In der Vergangenheit wurden nach allem, was man weiß, die Beteiligungs- und Zustimmungsrechte der Gremien wiederholt umgangen. Wie wollen Sie sicherstellen, dass das künftig nicht mehr geschieht.

Ich glaube, die Bistumsleitung wird mit den Gremien noch stärker zusammenarbeiten müssen. Dafür ist zu viel passiert – und zu viel herausgekommen.

Zur Person

Mechthild König, geb. 1964, ist selbstständige Unternehmensberaterin in Bergisch Gladbach. König arbeitete nach ihrer Promotion in Biologie unter anderem für die Unternehmensberatung McKinsey und war Geschäftsführerin der BPG Unternehmensberatungsgesellschaft in Münster.

Seit 2017 gehört sie dem Kirchensteuer- und Wirtschaftsrat des Erzbistums Köln an. Am 26. März wurde sie zur neuen Vorsitzenden des Wirtschaftsplanausschusses gewählt.

König ist auch beratend am „Pastoralen Zukunftsweg“ beteiligt, einem von Kardinal Rainer Woelki initiierten Reformprojekt zur organisatorischen und pastoralen Neustrukturierung des Erzbistums. König ist dort Leiterin des „Arbeitsfelds Effizienz und Nachhaltigkeit“. (jf)

Umso kritischer ist jetzt der Blick auf die Dinge. Und jede Bistumsleitung ist gut beraten, ihr Handeln der Aufsicht unabhängiger Gremien zu unterwerfen. Die dafür vorgesehene Ordnung ist in Köln besser, als man vielleicht denkt – weitergehender jedenfalls als in vielen anderen Bistümern. Ich für meinen Teil bin ein Fan von Transparenz, auch und gerade in Finanzdingen. Seit Limburg sollten das alle begriffen haben.

Ein Fan von Transparenz ja. Sind Sie aber auch Garantin?

Wir werden sie im „KiWi“ zumindest permanent einfordern. Wir brauchen weiterhin eine solide Finanzplanung – mit Perspektive. Alles, wofür wir Geld geben, muss mit einer Mittelfristplanung unterlegt sein, die auch unseren Rückfragen standhält.

Das spricht nicht gerade für das umstrittene Projekt der „Kölner Hochschule für Katholische Theologie“ (KHKT), der genau das zu fehlen scheint: eine sichere Finanzierung auf Dauer. Sind Sie über die Probleme informiert, die das Erzbistum Anfang des Monats in sehr allgemeiner Form kommuniziert hat.

Dazu kann ich nichts sagen. Das sind Fragen, die wir im „KiWi“ zu gegebener Zeit noch behandeln werden.

Aber der „KiWi“ war mehrfach mit der Finanzierung der KHKT befasst. Sie haben der Verwendung von Mitteln aus einem bischöflichen Sondervermögen zugestimmt. Aus Ihrem Kreis kamen aber auch die kritischen Fragen.

Hätten wir – ich bleibe im Bild – einen Aufsichtsrat, dann hätten wir zum Beispiel die Befürchtungen des Priesterrats gekannt, dass die Gründung der Hochschule in Köln mittelfristig zur Schließung des Theologenkonvikts Albertinum in Bonn und zur Ausdünnung des Studiums an der Katholischen Fakultät der Uni Bonn führen kann. Und die kritischen Fragen - sehe ich genau als unsere Aufgabe, und tatsächlich erwarte ich künftig umfassendere Information.

Wie sehen Sie den Fall des Priesters, für dessen Schulden das Erzbistum mit am Ende 1,15 Millionen Euro geradestand?

Auch dazu kann ich nichts sagen.

Sie machen weiter im „KiWi“ mit, obwohl die Bistumsleitung die Aufsichtsgremien mehrfach umgangen haben soll?

Aus Erfahrung weiß ich: Veränderungen sind nur von innen möglich. Und wir brauchen die Krisen, um etwas Neues entwickeln zu können.

Kardinal Woelki hat jetzt selbst eine „Professionalisierung der Verwaltung“ angekündigt. Davon geredet wird seit – mindestens – 20 Jahren. Schon unter Kardinal Meisner war McKinsey im Haus, Ihr früherer Arbeitgeber…

… aber ich war nicht Beraterin des Erzbistums. Wenn ich sehe, wie die Verwaltung heute organisiert ist, muss ich sagen: Kein Unternehmen dieser Größe würde sich so aufstellen.

Inwiefern nicht?

Auch hier spreche ich aus Erfahrung. Die Probleme beginnen unten: Der erste Schritt ist die effiziente Verwaltung auf der untersten Ebene: in den Pfarreien. Die muss so funktionieren, dass auch ehrenamtliche Kirchenvorstände als Verantwortungsträger wirklich Entscheidungen treffen können. Und je besser es in dieser Hinsicht auf Pfarreiebene läuft, umso weniger Funktionen müssen Sie auf der Ebene des Generalvikariats vorhalten. Das ist zugegebenermaßen nicht trivial, weil jede Pfarrei bekanntlich ein eigener Rechtsträger ist.

Können Sie ein Beispiel nennen, wo das Erzbistum schlechter aufgestellt ist als ein vergleichbares Unternehmen?

Das lassen wir jetzt mal so allgemein stehen.

In Köln schreitet die Zahl der Kirchenaustritte von Rekord zu Rekord. Wie sehr beschwert Sie das – aus wirtschaftlicher Sicht?

Das ist ein Riesenthema. Seit meiner Kindheit erlebe ich die fortschreitende Auflösung volkskirchlicher Strukturen. Die Kirche hat das all die Jahre verschlafen. Es ging stattdessen immer nach dem Motto, „wird schon werden“. Die Kirchensteuerentwicklung der vergangenen Jahre hat diese Selbsttäuschung sogar noch bestärkt. Die sprudelnden Kirchensteuern waren jedenfalls kein Katalysator für Veränderungen. So bitter es klingt, gerade im kirchlichen Kontext: Aber am Ende ist es das Geld, das Bewegung bringt – genauer gesagt, das fehlende Geld. Auf einem Flohmarkt im Kloster Himmerod fiel mir ein Buch in die Hände mit dem Titel „Ist die heutige Jugend noch religiös ansprechbar?“ Raten Sie mal, wann dieses Buch erschienen ist!

Wenn Sie so fragen: Klingt nach 70er Jahre.

Richtig. 1977, um genau zu sein. Sie sehen: Diese Frage wird seit bald 50 Jahren gestellt – und ist bis heute nicht beantwortet. Das war ein Fehler. Heute fragen sich viele Menschen: Was habe ich mit der Kirche denn noch zu tun? Was habe ich von der Kirche? Und sie stellen fest: wenig bis gar nichts. Wenn dann so etwas wie der Missbrauchsskandal dazukommt, wird die Schwelle zum Austritt sehr, sehr niedrig.

Verstehen Sie das?

Ja, ich kann das nachvollziehen. Was ich zurzeit leider zusätzlich erlebe, ist der Auszug von sehr, sehr vielen, die bislang engagiert waren und sagen, „ich hätte nie gedacht, dass ich mal an den Punkt kommen würde, an dem es nicht mehr geht.“ Da ist eine maßlose Enttäuschung spürbar, Entrüstung auch und Entsetzen. Ich sehe das an meinen eigenen Eltern, beide über 80 – und immer sehr katholisch. Meine Mutter sagt heute: „Alles, woran ich geglaubt habe, löst sich gerade auf. Was haben die uns denn ein Leben lang erzählt? Und jetzt stehen wir da. Das kann doch nicht wahr sein!“ Als sie nach der Vorstellung der großen MHG-Studie zum Missbrauch in der deutschen Kirche die Bischöfe auf ihrer Vollversammlung in den Dom einziehen sah, hat sie gesagt, sie habe den Fernseher ausmachen müssen. „Ich konnte mir das nicht ansehen. Die hätten im Bußgewand kommen müssen, aber doch nicht in ihrem vollen Ornat.“

Daraus spricht ein sicheres Gespür für die Diskrepanz zwischen Sein und Schein. Dazu muss man natürlich auch bedenken, welche Autorität die Priester früher genossen. Die kamen gleich nach dem lieben Gott. Erst recht höre ich das von früheren Klassenkameradinnen, die mit mir auf einem katholischen Mädchengymnasium waren und jetzt erfahren, dass ihr Schulseelsorger ein Missbrauchstäter war. Die sind vollkommen desillusioniert. „Wir haben geglaubt, der meint es ehrlich.“

Sie nicht?

Ich war damals eher auf Abstand zur Kirche und gehörte deshalb nicht zu seinem Jüngerinnen-Kreis.

Sie beschreiben die Krise mit dem Ende der Volkskirche wie ein Naturgesetz, gegen das man nichts machen kann – auch nicht im Erzbistum Köln.

Nein, nein. Man kann sehr viel machen.

Was denn?

Was würde ein Unternehmen tun? Es würde sich überlegen, wie es sich mit seinen Produkten besser am Markt positioniert. Für die Kirche heißt das: Sie muss neu nachdenken, wie man die Botschaft des Evangeliums in der heutigen Zeit erfahrbar machen kann. Auch das ist zu wenig geschehen,

Ein Unternehmen in der Krise würde aber vielleicht auch neue Manager holen.

Würde es, ja. Aber die Probleme bleiben. Egal, wer an der Spitze steht.

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Natürlich ist es so. Aber vor dem Kirchenaustritt steht oft auch ein langjähriger Entfremdungsprozess, der durch den Missbrauchsskandal oder den Umgang damit zum endgültigen Bruch führt.

Warum sind überhaupt noch in der Kirche?

Ich bin von jeher ein eher kritischer Geist. Das werde ich mir auch bewahren. Ich werde – behaupte ich mal – nie aus der Kirche austreten, weil ich damit ganz viel Heimat und Sinn für mein Leben verbinde. Und Jesus, würde meine Nichte jetzt sagen, war doch ein Wahnsinns-Typ.

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