Meschenich – Emely ist elf und wohnt mit ihrer Familie in einem der Hochhäuser An der Fuhr, deren Anschrift dem Mädchen später manches schwerer machen wird. Die Probleme in der Siedlung sind – vor allem unter der alten Anschrift Am Kölnberg – stadtbekannt: Drogen, Kriminalität, Gewalt, Prostitution, Alkohol, Verwahrlosung. Auch den Kindern ist das schon bewusst.
Wenn ihre Schulfreunde sie besuchen kommen, schämt sich Emely manchmal – dafür, dass „Meschenich so eklig aussieht“. Ratten auf dem Spielplatz, Müll, der aus den oberen Etagen geworfen wird, Spritzen und Kondome: Für Kinder ist die Wohnanlage oft kein geschützter Ort. Obwohl das bereits für mehr als eine Generation gilt: Emely und ihre Klassenkameraden aus der 4 d der Grundschule Kettelerstraße wollten das nicht mehr einfach so hinnehmen.
Ehrenamtspreis von Henriette Reker
Ein halbes Jahr haben sie dafür gekämpft, dass sich endlich etwas ändert. Mit Erfolg? Am Wochenende bekommen sie von Oberbürgermeisterin Henriette Reker zumindest den Kölner Ehrenamtspreis für ihr Engagement. Und zwischen den Hochhäusern gibt es nun einen Skaterpark. Emely:„Wir haben viel Arbeit in das Projekt gesteckt.“
Emely hat bis zum Sommer die Schule im anderen, dörflichen Teil von Meschenich besucht. In ihrer Klasse haben Kinder aus ganz Meschenich gemeinsam gelernt. Hanna Schmitz ist zehn Jahre alt. Sie wohnt im Dorf und besucht öfter Freunde am Kölnberg. Die Zustände haben sie schockiert. Sie habe sich gefürchtet. „Es ist komisch, bei uns gibt es so etwas nicht“, sagt Hanna. Der Kölnberg liegt nur wenige hundert Meter vom Haus ihrer Familie.
In der Klasse werden die Missstände zum Thema. Was die Kinder aus dem Kölnberg mit Selbstverständlichkeit erzählt haben, hat auch Martina Plum schockiert. „Ich konnte das nicht glauben“, sagt die 47 Jahre alte Klassenlehrerin. Weil auch die anderen Kinder ungläubig nachgefragt haben, entschieden sie, sich ein Bild vor Ort zu machen. Gleichzeitig standen Kinderrechte auf dem Unterrichtsplan. Wie kann das sein, hätten sich die Kinder gefragt, dass es ein Recht auf Spielen gibt, aber die Spielgeräte zwischen den Hochhäusern abgebaut sind und nicht ersetzt werden?
Kinder schreiben an Politiker
Die Kinder wollen das nicht hinnehmen. Sie setzen um, was sie zuvor nur aus den Unterrichtsbüchern kannten. Mit einem Brief wenden sie sich an die Bezirksvertretung in Rodenkirchen. Sie listen auf, was sie auf den Spielplätzen beobachtet haben. Peinlich genau dokumentieren sie die Zustände mit Bildern. In einer Sitzung im Frühjahr verteilen sie bunte Schnellhefter mit ihrem Dossier auch an die Pressevertreter.
50.000 Euro für neue Spielgeräte
Die Bezirksvertreter haben das Thema von nun an ganz oben auf der Agenda. Die Hälfte ihres Budgets für die Stadtverschönerung im Bezirk weisen sie Meschenich zu. Mit 50 000 Euro sollen die Außenanlagen in Schuss gebracht werden. In der Zwischenzeit haben sich Studenten der Ecosign-Hochschule an die Klasse gewandt mit einer Projektidee, die schon länger auf die Umsetzung wartete. Sie gestalten gemeinsam den Skatepark, mobile Rampen und Zonen für Tricks und Übungen auf dem ehemaligen Tennisplatz.
„Die Kinder wussten genau, was sie wollten“, sagt Verena Aurbek. Die Sozialraumkoordinatorin hat Kontakte vermittelt, das Projekt begleitet und wird auch künftig ein Auge auf den Skatepark haben. Ihr habt Mut gemacht, wie schnell sich gute Ideen umsetzen lassen. „Man muss mal zuhören, die Kinder ernst nehmen und dann mithelfen“, sagt sie. Die Kinder hätten ihre Rechte eingefordert, respektvoll und höflich, aber bestimmt. Emelys Mutter Eva-Maria Täuber ist dennoch nicht zufrieden: Es sei gut, was die Kinder erreicht hätten. „Aber es ist doch schlimm, dass sie den Anfang machen müssen“, sagt sie, „dass die eher für voll genommen werden als die Erwachsenen.“
Studenten der Spoho wollen kommen
Auch Hanna Schmitz ist einige Wochen nach dem Abschluss ihres Projekts ernüchtert. Die ersten Rampen seien bereits beschädigt. Und natürlich haben sich die sozialen Probleme nicht in Luft aufgelöst. Auf der Anlage gebe es manchmal Streit. Sie sei angespuckt und beleidigt worden, berichtet Hanna: „Ich gehe da nicht mehr hin.“ Aurbek bemüht sich derzeit um ein regelmäßiges Angebot auf dem Platz. Die Rampen sollen zügig repariert werden. Studenten der Sporthochschule hätten zugesagt, sich vor Ort um die Kinder zu kümmern.
Es bleibt eine Menge zu tun. Für Hanna und Emely ist aber klar: Dass sie sich zu Wort gemeldet haben, war nicht vergebens. Nicht nur, dass sie vom Preisgeld Skateboards, Helme und Schoner für die ganze Klasse finanzieren konnten. Sie seien zum Ende ihrer gemeinsamen Zeit enger zusammengerückt, sagt Hanna. Ihre Lehrerin sagt, die Kinder seien „hellhörig geworden für die Belange anderer Kinder“.
Emely schämt sich nun weniger
Und Emely wünscht sich jetzt noch bessere Spielplätze auch für die kleineren Kinder. Ihr Wunsch, „dass auch in Meschenich Kinder spielen können“, ist damit noch lange nicht in Erfüllung gegangen. Die Kinder selbst aber haben zumindest erzwungen, dass sich die Erwachsenen mehr kümmern. Für Emely heißt das konkret, dass sie sich nun „ein bisschen weniger“ für ihren Wohnort schämen muss.