Kölner DreigestirnNachtfahrt von Prinz und Bauer endet morgens um fünf beim Bäcker

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Prinz und Bauer in der Leitstelle der Polizei.

Köln – 0.23 Uhr Die Straßen sind menschenleer und autofrei. An der Hofburg, dem Dorint am Heumarkt, fahren die Wagen des Dreigestirns vor. Aber Prinz Sven I. und Bauer Gereon steigen nicht aus, wie es in einer normalen Session um diese Zeit nach etwa zehn Auftritten gewesen wäre, sondern ein. Nachtfahrt der zwei Tollitäten, die in symbolischer Vertretung des Corona-positiven Björn Braun zumindest den Spiegel von Jungfrau Gerdemie dabei haben.

Gereon Glasemacher, der vor einer Woche wegen Covid ausgefallen war, freut sich wie Bolle: „Ich war letzte Woche wie ein Puma im Käfig – ich hatte keine Symptome.“ Er versorgt die Wagen mit Cremant. „Aufsitzen“ ruft Equipe-Chef Gary Bingener, der heute den Prinzenführer vertritt. Die erste Etappe ist kurz.

0.26 Uhr Am Neumarkt vor der Mayerschen liegt ein Altstädter auf einem Sattelschlepper. Nein, kein betrunkener Gardist – der Typ ist knapp drei Meter hoch, aus Metall und Glas. Vor den Augen der Besucher wird die Leuchtfigur mit einem Autokran auf einen Sockel gehoben, der Bauer darf aus dem Hubwagen den Stecker reindäuen. Günther Pütz (53) und seine Kollegen von Colonia kennen das seit mehr als 20 Jahren. In einer Nacht die 19 Sockel entlang des Rosenmontagszugweges verteilen, in der zweiten die Figuren draufstellen. Die Arbeit ist wegen des Verkehrs nur nachts möglich. Pütz freut sich über den hohen Besuch und die unerwartete Wertschätzung seiner Arbeit. Samt Prinzenspange und Erinnerungsfoto. Sven Oleff strahlt: „Ich habe schon an Ostern und Heiligabend gearbeitet, aber noch nie nachts. Wir wollten einfach mal sehen, was so passiert in der vermeintlich schlafenden Stadt. Das ist total spannend.“

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0.57 Uhr Ungeplanter Stopp im Belgischen Viertel. Die Equipe will Ex-Prinz Marcus Gottschalk mit einem Blitz-Besuch überraschen. Die Fenster sind dunkel, keiner macht auf. Gereon: „Komisch, vor 13 Minuten war der noch online.“

1.15 Uhr Gewerbegebiet Marsdorf. In einem modernen Funktionsgebäude sitzt hier Kölns größtes und wohl auch modernstes medizinische Labor. Die Leiter Hilmar und Fabian Wisplinghoff – die Herren sind bei der Ehrengarde – führen die Gäste über die 20.000 Quadratmeter großen Flächen. Hier werden aktuell etwa 30.000 PCR-Tests täglich ausgewertet. Der Krankenhaus-Bereich läuft separat und rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Nachts zu arbeiten ist hier selbstverständlich, ob mit oder ohne Corona. Die medizinisch-technischen Laborassistentinnen Katharina Danisch und Nadine Friedemann freuen sich über den Besuch. Der Bauer fragt: „Ich mache Nachtschicht gern, weil…?“ „…ich drei Schulkinder habe“, sagt Friedemann und strahlt. „Die schlafen jetzt, und zum Frühstückmachen bin ich wieder zu Hause.“ Dann schläft sie bis mittags, macht Essen, und ihr Tag beginnt. So geht das sieben Nächte lang, dann ist eine Woche frei. Die Tollitäten sind beeindruckt, die Damen auch. Die Anerkennung ihrer Arbeit bedeutet ihnen viel.

3.10 Uhr Im Kalker Polizeipräsidium führen Christina Hamm und Armin Denzin die jecke Delegation durch die neue, erweiterte Leitstelle, erklären Funktionen und Abläufe. Diese Nacht ist ruhig, die live auf Großleinwänden gezeigten Bilder der Überwachungskameras von den Problemzonen der Stadt sind so belebt wie die Chargesheimer-Fotos im Bildband „Köln, 5.30 Uhr“. Andrea Chiran (32), für Recherche im Netz ausgebildet und zuständig, ist vom Besuch sehr angetan: „Eine schöne Überraschung, auch dass Interesse gezeigt wird für unsere Arbeit.“ Als Altstadtbewohnerin sehe sie auch die dunkle Seite des Karnevals, aber einen Prinz so nah „haben wir alle noch nicht erlebt“.

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4.01 Uhr Auch in der Taxi-Zentrale am Bonner Wall zeigt Corona sein ruhestiftendes Gesicht. Gerade einmal 314 Anrufe gab es stadtweit. In normalen Zeiten wären es jetzt um die 2000. 205 Taxen sind unterwegs, viel verdienen kann man so nicht. Oguzhan Ogul, Taxifahrer seit 27 Jahren, leitet die Zentrale seit 2011: „Tagsüber war es wegen der Messe gut, aber der Karneval fehlt – abends ist es zu ruhig für uns.“

5.05 Uhr In Vogelsang macht Stefan Rosenbrook das Licht an in der Bäckerei Mertens, als das Dreigestirn vorfährt. Seit drei Uhr steht er mit vier Mann in der Backstube, die Brötchen sind fertig, die Croissants auch, Bauer Gereon darf einige Oberländer aus dem Ofen holen, bevor diese geschminkt werden. So nennt man das Abreiben mit Kartoffelstärke für einen schönen Glanz der Laibe. Seit 30 Jahren versucht der Altstädter Beruf und Karneval unter einen Hut zu kriegen: „Da fällt das Aufstehen schon manchmal schwer.“ Seine Korpskameraden Sven und Gereon jedenfalls sind mit ihrer Tour zufrieden: „Für die Freude in den Gesichtern hat sich das allemal gelohnt.“

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