Mann die Kehle durchgeschnittenProzess um willkürliche Gewalt am Wiener Platz

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Der Angeklagte mit Verteidiger Martin Bücher und einer einer Dolmetscherin.

Köln – Mit einem Fall extremer und willkürlicher Gewalt beschäftigt sich seit Dienstag das Kölner Landgericht. Ohne ersichtliche Gründe hatte ein 35-jähriger Mann im Februar eine Gruppe ihm unbekannter Menschen am Wiener Platz angegriffen und einem 55-Jährigen eine lange Schnittverletzung quer über den Hals zugefügt. Richterin Sybille Grassmann beschreibt es plastisch: „Sie haben, wenn man das mal laienhaft ausdrückt, jemandem die Kehle durchgeschnitten.“ 

Wiener Platz: Frust über eigenes Leben als Tatmotiv

Die Anklage lautet auf versuchten heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen. Anhaltspunkt dafür sei die Frustration des Angeklagten über die eigene Lebenssituation, der Verlust seines Jobs, die Trennung von seiner Familie und seine Alkohol- und Drogensucht. Der Angeklagte soll die Gruppe, die er angegriffen habe, dem Trinker-Milieu zugeordnet haben. Er soll das Gefühl gehabt haben, von ihnen einen Spiegel der eigenen Situation vorgehalten zu bekommen.

Der Angeklagte berichtete vor Gericht von seiner Kindheit mit brutalem Vater in Kirgisistan, wo er im Alter von sechs Jahren zum ersten Mal Wodka probierte. Mit etwa zehn Jahren kam er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Deutschland, machte seinen Schulabschluss und gründete eine Familie. Seine Frau habe sich 2013 von ihm getrennt, nachdem er immer mehr Alkohol und Amphetamine konsumiert habe. Den Kontakt zu seinem heute zwölfjährigen Sohn habe er nie verloren.

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Köln: Opfer trug klaffende Fleischwunde davon

Zum Tathergang gab der Angeklagte an, sich am Wiener Platz aufgehalten zu haben, wohl um Drogen zu kaufen. In seiner Gartenjacke habe sich ein Teppichmesser befunden. Damit habe er herumgefuchtelt. „Ich weiß nicht, was mit mir geschehen ist. Ich habe das erst kapiert, als die Menschen geschrien haben“, antwortet er auf die wiederholte Frage der Richterin, was der Grund für den Angriff gewesen sei. Weil der Angeklagte zum Tatzeitpunkt unter enormem Alkohol- und Drogeneinfluss gestanden habe, wird er als nur bedingt schuldzurechnungsfähig eingeschätzt.

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Das Opfer hatte eine 15 Zentimeter lange und klaffende Fleischwunde davongetragen, schwebte aber nicht in akuter Lebensgefahr. Die Luftröhre soll knapp verfehlt worden sein. Der Angeklagte habe einen möglichen Tod seines Opfers aber billigend in Kauf genommen, heißt es in der Anklage. Seit März sitzt der 35-jährige in Untersuchungshaft.

Zeugen erkannten Täter auf Fahndungsbildern

Nach der Tat hatte der Angeklagte sich drei Tage lang in der Wohnung seiner Mutter versteckt, bei der er zu dieser Zeit lebte. Zeugen hatten ihn auf Fahndungsbildern wiedererkannt. „Ich wusste, dass die Polizei irgendwann kommen würde. Ich hatte nicht vor, wegzulaufen“, gab er vor Gericht an.

Dem Vernehmen nach hofft Verteidiger Martin Bücher auf eine milde Bestrafung seines Mandanten. Eine Haftstrafe könnte etwa mit einem Aufenthalt in einer Entziehungsanstalt verbunden werden. Vor der Tat im Februar hatte der Täter sich bereits um ein 23-monatiges Entzugsprogramm bemüht. Der Prozess wird fortgesetzt.

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