533 Tage und Nächte KriegNachtdemonstration soll auf den Alltag in der Ukraine aufmerksam machen

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Kerzen stehen auf dem Boden. Fotos aus dem Krieg sind an einer Pinnwand.

Nachtdemo aus Solidarität mit der Ukraine auf der Domplatte.

Von Freitag auf Samstag trafen sich Menschen auf dem Roncalliplatz, um in einer Kundgebung an den Krieg in der Ukraine zu gedenken.

Schrill hallt der Warnton einer Sirene am Freitagabend über den Roncalliplatz. Das Geräusch lässt Menschen zusammenfahren, Gespräche sind bei der Lautstärke des Signals nicht mehr möglich. Mehrere hundert Personen verschiedenster Altersgruppen haben sich ab 19.30 Uhr neben dem Kölner Dom eingefunden, viele von ihnen in blau-gelben Nationalflaggen, um an der Veranstaltung „Unbreakable Ukraine: Nachtkundgebung für die Zukunft Europas“ teilzunehmen.

Der deutsch-ukrainische Verein „Blau Gelbes Kreuz“ (BGK) hatte dazu aufgerufen, die Nacht bis um 7.30 Uhr am Samstagmorgen dort zu verbringen, begleitet von Redebeiträgen, Gesprächsrunden, Musik und zahlreichen Informationsmöglichkeiten in Form von Vereins-Ständen und Foto-Aufstellern.

„Uns geht es darum, hier ganz nah am Alltag einen möglichst realistischen Einblick in die Lebensrealität der Ukrainerinnen und Ukrainer zu ermöglichen“, sagt BKG-Vorständin Linda Mai, „denn abertausende von ihnen legen sich nicht jeden Abend in Sicherheit schlafen, sondern müssen begleitet vom Fliegeralarm und unter Angriffen der russischen Aggressoren Tag und Nacht um ihr Leben fürchten.“

Alles zum Thema Mona Neubaur

533 Tage und Nächte Krieg

Seit Beginn der umfassenden russischen Invasion, am 24. Februar 2022, habe sich die Lage in der Ukraine einschneidend verändert. In 533 Tagen (und Nächten) Krieg hagele es Raketen, die der Bevölkerung ihre Sicherheit und ihr normales Leben (und den Schlaf) raubten, so die Kölner Vereinsvorsitzende. Zahlreiche Menschen – die Veranstalter sprechen von bis zu 1000 – kommen darum am Freitag in das Zentrum Kölns, um ihre Solidarität mit der Ukraine zu zeigen und um ein deutliches Zeichen für die weitere Unterstützung des angegriffenen Landes zu setzen.

„Wir dürfen uns nicht an die Bilder und Berichte von Leid und Zerstörung gewöhnen“, mahnt zum Auftakt auf der aus Europlatten errichteten Bühne Kölns Bürgermeister Andreas Wolter. Kölns Partnerstadt Dnipro etwa sei allein am 14. Januar dieses Jahres 24-mal Ziel russischer Luftangriffe geworden. „Unter anderem sind dabei ein neunstöckiges Wohnhaus zerstört und 40 Erwachsene und sechs Kinder getötet sowie mehr als 80 Menschen teils schwer verletzt worden“, berichtet er. Sein Amtskollege Ralf Heinen ergänzt: „Tod, Hunger und Verzweiflung sind Waffen, die Russlands Machthaber Putin gezielt einsetzt – das ist Terror und darf nicht toleriert werden.“

Die EU und alle Demokratien der Welt dürften nicht nachlassen, auch im eigenen Interesse die Ukraine zu unterstützen und einen Sieg des russischen Diktators zu verhindern.

Einblick in den gegenwärtigen Alltag der Ukraine

Die Menschen vor Ort erhalten einen umfangreichen Einblick in den gegenwärtigen Alltag in der Ukraine, zu den prominenten Besuchern aus Politik und Zivilgesellschaft gehören bei der Veranstaltung in Köln am Freitag auch NRW-Europaminister Nathanael Liminski (CDU) sowie Mona Neubaur, stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, und der Bundestagsabgeordnete Robin Wagener (beide Grüne).

Sie diskutierten moderiert von der Geschäftsführerin des Blau-Gelben Kreuzes und Juristin im internationalen Völkerrecht, Julia Chenusha, bei einem Podiumsgespräch zum Thema „Warum ist der Sieg der Ukraine entscheidend für die Zukunft Europas?“ mit der Generalkonsulin der Ukraine, Iryna Shum sowie Gregor Meiering, einem Experten für internationale Beziehungen.

Im Exil lebende Ukrainer nehmen an der Veranstaltung teil

Die Besucherinnen und Besucher nehmen Anteil und zeigen Interesse, viele darunter sind selbst im Exil lebende Ukrainer. Aus Köln und Hilden bei Düsseldorf sind etwa Claudio Pagonis und Holger Blasum zu der Aktion gekommen. „Wir haben schon geplant, wenn möglich die ganze hier zu bleiben“, sagt Blasum. „Jedes Zeichen der Unterstützung ist wichtig, diese Veranstaltung eine beeindruckende Form der Anteilnahme“, findet Pagonis.

Der 46-Jährige hat Blasum bei einer anderen Ukraine-Kundgebung kennengelernt, jetzt lebt er zusammen mit dem 52 Jahre alten Mann regelmäßig gemeinsam Solidarität für die Ukraine in gemeinsamen Aktionen aus.

Regenschauer gegen Mitternacht

Einige intensive Regenschauer sorgen gegen Mitternacht auf dem Roncalliplatz dafür, dass die Menschen sich mehr unter die aufgestellten Pavillons drängen, mitgebrachte Zelte werden etwas näher an den Schutz gerückt, den das nahe Römisch-Germanische Museum bietet.

Das Programm mit Liveschaltungen und Video-Statements aus der Ukraine – etwa von Oleksandra Matwijchuk, Trägerin des Friedensnobelpreises 2022, ukrainische Juristin, Menschenrechtsaktivistin und Vorsitzende des „Center for Civil Liberties“ sowie von Ärzten, Künstlerinnen, Politikerinnen, Kämpfern – bieten den Menschen vor Ort dabei aber weitere Eindrücke einer typischen Nacht in der Ukraine.

Eine virtuelle Ausstellung mit dem Titel „Through the War“ zeigt Videos aus befreiten ukrainischen Städten und Dörfern wie Butscha oder Borodjanka. Zudem gibt es die Möglichkeit, ukrainische Musik zu hören und gegen Spende Verpflegung und traditionelles Essen zum Probieren. Nicht alle haben, wie die beiden Männer bis zum frühen Samstag ausgehalten.

Im Rahmen der Veranstaltung tauchen aber immer wieder auch neue Menschen auf, es gibt viel Gelegenheit für Gespräche und Austausch – gegen Morgen findet Programm mit einem Quiz, und Tänzen statt, dazwischen findet sich aber immer wieder viel Zeit für Besinnlichkeit und Ruhe.

„Wir sind schon ziemlich beeindruckt“, bilanziert Holger Blasum aus Hilden. „Das Blau-Gelbe Kreuz hat das Ganze hier sehr gut organisiert“, ergänzt Pagonis. Eine friedliche Veranstaltung für den Frieden.

Weitere Informationen im Internet: www.bgk-verein.de

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