„Ich bleibe hier, ich kämpfe dagegen“Kölner gedenken Opfern des Brandanschlags in Solingen

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Tayfun Keltek spricht zum Publikum.

Der Vorsitzende des Kölner Integrationsrats Tayfun Keltek spricht bei der Gedenk- und Diskussionsveranstaltung zum 30. Jahrestag des Brandanschlages in Solingen im Wallraf-Richartz-Museum.

Bei einer Diskussionsveranstaltung zum 30. Jahrestag wurde der Opfer gedacht. Auch der Umgang mit Geflüchteten stand im Fokus der Debatte.

Nach der zentralen Gedenkveranstaltung Anfang der Woche ist am Donnerstag auch in Köln der Opfer des fremdenfeindlich motivierten Brandanschlags in Solingen vor 30 Jahren gedacht worden. „Der Brandanschlag geht uns alle an, denn der Rassismus existiert fort, und rechtsextreme Gewalt nimmt leider zu“, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker bei einer Veranstaltung, die der Integrationsrat Köln in Kooperation mit dem Landesintegrationsrat NRW im Wallraf-Richartz-Museum ausrichtete.

Die aktuelle politische Diskussion über den Umgang mit Geflüchteten erinnere „in erschreckender Weise manchmal an die Zeit vor 30 Jahren, ganz besonders die Diskussion über Asylverfahren an den EU-Außengrenzen“, sagte Reker. „Einer Abschottungspolitik muss klar widersprochen werden.“ In der Nacht zum 29. Mai 1993 legten vier Männer aus Fremdenhass Feuer im Zweifamilienhaus der Familie Genç. Fünf Menschen starben, 17 weitere erlitten zum Teil lebensgefährliche Verletzungen. Drei Tage zuvor hatte der Bundestag nach langer öffentlicher Debatte das deutsche Asylrecht geändert.

Gedenk- und Diskussionsveranstaltung zum 30. Jahrestag des Brandanschlages in Solingen im Wallraf-Richartz-Museum.
Im Bild von links nach rechts: Tayfun Keltek, Söhret Dorothea Gök, Caroline Jakubowski und Kutlu Yurtseven.

Bei der Podiumsdiskussion wurde die aktuelle EU-Asylpolitik kritisiert. Von links nach rechts zu sehen sind Tayfun Keltek, Söhret Dorothea Gök, Caroline Jakubowski und Kutlu Yurtseven.

Anke Hoffstadt, die an der Fachhochschule Düsseldorf zu Rechtsextremismus forscht, erinnerte an weitere rechtsradikale Anschläge und Ausschreitungen in den Jahren vor und nach der Wiedervereinigung, ob in Hamburg, Rostock, Hoyerswerda oder Mölln. Sie wies auf den Zusammenhang zwischen rechter, rassistischer Gewalt und den Debatten über die Migrations- und Asylpolitik hin.

Alles zum Thema Henriette Reker

Zwar habe es gegen die damalige Asylrechtsänderung und nach dem Solinger Anschlag wichtige Proteste gegeben, und vielfach sei der Rassismus als „systemisches Problem“ erkannt worden, doch zur Entwarnung gebe es keinen Anlass. So steige seit 2014 die Zahl der Angriffe auf Geflüchtete und Wohnhäuser von Menschen mit Migrationsgeschichte wieder, und das EU-Parlament sei drauf und dran, das Asylrecht zu verschärfen.

„Ich bleibe hier, ich kämpfe dagegen“, sagte Tayfun Keltek dazu, welche Gedanken ihm nach dem Brandanschlag durch den Kopf gingen. Der Vorsitzende des Integrationsrats Köln und des Landesintegrationsrats NRW führte in das Thema ein und nahm an der Podiumsdiskussion teil. Er merkte an, damals hätten andere politische Signale gesendet werden können: mit der Einführung des kommunalen Wahlrechts für dauerhaft in Deutschland lebende Ausländer und der Ermöglichung der doppelten Staatsbürgerschaft.

Noch immer würden Menschen mit internationaler Familiengeschichte eher als „defizitär“ angesehen, statt das Augenmerk auf das Potenzial zu richten, das in ihrer bikulturellen Identität und Zweisprachigkeit liege. Kutlu Yurtseven, Sozialarbeiter, Aktivist, Rapper und Schauspieler, forderte beim Podiumsgespräch mit vier Gästen mehr Sensibilität im Umgang mit denjenigen, die von Rassismus betroffen sind. „Für mich sind Empathie, Menschlichkeit und Respekt die Leitkultur.“

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