Marodes GebäudeKölns Sanierungs-Trauma – Wie sieht die Zukunft der Stadtbibliothek aus?

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Aussenansichten der Zentralbibliothek am Neumarkt.

Zumindest in der Dunkelheit ein Blickfang: Die 1979 eingeweihte Zentralbibliothek am Neumarkt.

Die Kölner Zentralbibliothek am Neumarkt soll saniert werden. Jetzt diskutiert die Politik aber auch über einen möglichen Abriss. 

Fragt man nach den Lieblingsgebäuden der Kölnerinnen und Kölner, gehört die Zentralbibliothek am Neumarkt normalerweise eher nicht dazu. Der 1979 eröffnete Bau begeistert auch Freunde moderner Architektur weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick. Die Qualität des sehr zeittypischen Beton-Glas-Gebäudes erschließt sich noch am ehesten in der Dunkelheit, wenn die weiten Fensterbänder wie Leuchtstreifen den Haubrich-Hof illuminieren.

Sanierungskosten liegen bei 81 Millionen Euro

Dazu kommt der marode Zustand des Gebäudes: Seit mehr als zehn Jahren wird eine Sanierung geplant, die Kosten dafür – einst blauäugig-optimistisch mit 15 Millionen Euro beziffert – liegen inzwischen bei geschätzten 81 Millionen Euro. Mittelprächtige Architektur und schlechter Zustand, nun soll es Risse in den Kellerdecken geben – es kommt kaum überraschend, dass sowohl aus der Verwaltung wie aus der Politik immer lauter zu hören ist, man solle die Sanierung abblasen und dafür eine ganz neue Bücherei bauen, am Standort oder an anderer Stelle.

Muss man das Gebäude denn unbedingt erhalten?

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Grundsätzlich ist der Abriss und Neubau eines Gebäudes mit relativ kurzer Lebensdauer nicht die nachhaltigste Lösung. So gesehen spricht viel für eine Sanierung. Allerdings müssen in eine solche Betrachtung auch die Risiken mit einbezogen werden, die ein Bau aus den 1980er Jahren – und damit aus einer Zeit, in der Technik, Brandschutz und Dämmung auf einem komplett anderen Stand waren als heute – automatisch mit sich bringt. Selbst dann, wenn dieser Bau keinen bedrohlichen Sanierungsrückstand ausweist. Doch den haben leider fast alle städtischen Gebäude.

Aber kann Köln überhaupt komplizierte Altbauten sanieren? Bei der Oper klappt das doch auch nicht.

Tatsächlich sind die Erfahrungen mit der Sanierung von Oper und Schauspiel inzwischen schon traumatisch. Selbst wenn das Großprojekt irgendwann doch noch zum Abschluss kommen sollte – auf der finalen Rechnung werden Kosten von mindestens 674 Millionen Euro stehen. Und: Fertig sein sollte das neue Opernquartier ursprünglich im Jahr 2015. Ob es mit dem nun avisierten Start in einem Jahr wirklich klappt, mag man noch nicht so recht glauben.

Die meisten Museumsbauten sind doch auch sanierungsbedürftig, von den Schulen ganz zu schweigen. Klappt das denn da besser als bei der Oper?

Nein, leider nicht wirklich. Dass die Sanierung eines städtischen Gebäudes im Kostenrahmen und im Zeitplan bleibt, scheint nicht mehr möglich zu sein. Dennoch ist es richtig, dass Bauten von hoher architektonischer Qualität wie das Wallraf-Richartz-Museum, das Museum Ludwig oder das Museum für angewandte Kunst im Bestand saniert werden. Es handelt sich aber hier um Gebäude, die ganz zentral für das kulturelle Selbstverständnis der Stadt stehen.

Ist das bei der Zentralbibliothek nicht der Fall?

Die Stadtbibliothek unter ihrer hochengagierten Leiterin Hannelore Vogt leistet großartige Arbeit. Und natürlich ist eine moderne Bücherei für Köln absolut unverzichtbar. Allerdings ist die Erfolgsgeschichte der Stadtbücherei nicht zwingend an das bestehende Gebäude geknüpft – auch wenn die Anforderungen an eine Sanierung bereits formuliert sind und mit dem Niederländer Aat Vos bereits ein Planer mit großer Bibliotheks-Erfahrung engagiert wurde. Dennoch könnte ein Neubau an gleicher Stelle die Bedingungen einer zeitgemäßen Bibliothek, die längst viel mehr sind als das Aufstellen von Büchern in langen Regalreihen, deutlich besser erfüllen als das Bestandsgebäude mit all seinen Unzulänglichkeiten. Denn auch eine perfekt verlaufene Sanierung kann den Altbau nicht zu hundert Prozent zukunftstauglich machen.

Könnte denn ein Neubau auch anders wo errichtet werden als am Josef-Haubrich-Hof?

Das ginge theoretisch, wäre aber nicht klug. Denn ein Neubau der Bücherei an gleicher Stelle bietet die Großchance auf eine nachhaltige Reparatur der geschundenen Innenstadt rund um den Neumarkt. Bis heute hat der Bereich um den Josef-Haubrich-Hof, der frühere Standort der Kunsthalle, kein Gesicht und keinen Charakter. Seit dem Abriss des kriegszerstörten Bürgerhospitals gilt das zentrale Areal inklusive der beiden Kirchen St. Cäcilien und St. Peter im Osten als Kulturforum.

Doch auch der Abriss der Kunsthalle vor rund 20 Jahren und der anschließende Neubau des – für sich genommen durchaus gelungenen – Rautenstrauch-Joest-Museums konnten dem Areal noch nicht die entscheidenden Impulse in Richtung einer Gesamtlösung geben. Eine neue Bibliothek könnte nicht nur diese Defizite beheben. Sie könnte im besten Fall die fehlende Klammer werden zur Schaffung eines städtebaulich wie architektonisch attraktiven Kulturforums. Und damit möglicherweise gar Initialzündung sein für die dringend nötige Umgestaltung des Neumarkts.

Wo würde denn die Bibliothek während der Bauphase unterkommen?

Die Stadt hat bereits ein Interimsgebäude an der Hohe Straße gemietet. Hier, nur rund 800 Meter vom bisherigen Standort entfernt, soll während der Sanierungsarbeiten ein eingeschränktes Angebot zur Verfügung stehen, daneben gibt es weiterhin elf Stadtteilbibliotheken und die umfangreichen digitalen Angebote der Bibliothek. An drei weiteren Standorten sind Büroflächen sowie Magazine vorgesehen. Diese Ausweichlösung könnte auch im Falle eines Neubaus die Präsenz der Bibliothek in der Innenstadt sicherstellen.

Aber würde ein Neubau nicht noch viel teurer als die Sanierung?

Grundsätzlich lassen sich die Kosten für eine Bausanierung niemals so exakt kalkulieren wie für einen Neubau. So gut wie jedes Bestandsgebäude birgt Überraschungen, die selbst Experten erst nach Anlaufen der Arbeiten entdecken. Solche Unwägbarkeiten sorgen in den meisten Fällen sowohl für Verzögerungen als auch für erhebliche Kostensteigerungen. Ein Neubau lässt sich dagegen deutlich genauer berechnen – vor allem dann, wenn man sich für eine „ehrliche“ Planung, also inklusive aller Kostenrisiken, entscheidet, statt – wie nicht nur in Köln üblich – eine „politische“ Planung mit deutlich geschönten Kosten als Basis für eine Entscheidung nimmt.

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