Kölner mit mehr als 30 Jahren Partyerfahrung„Wo ist das Geld für die Popkultur?“

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Andreas Easy Lohaus feiert schon mehr als 30 Jahre in Köln.

Andreas Easy Lohaus feiert schon mehr als 30 Jahre in Köln.

Mehr als 30 Jahre ist Andreas Easy Lohaus im Kölner Nachtleben unterwegs. Im Interview spricht er über seine Erfahrungen und Wünsche.

Andreas Easy Lohaus ist Jurist, Kommunikationswirt sowie Mitgründer und Gesellschafter der Art Düsseldorf. Vor allem ist der 58-Jährige aber ein Liebhaber des Nachtlebens und der Musikszene. Vor mehr als 30 Jahren zog er nach Köln, erlebte hier den Anfang der Techno-Szene, das Warehouse (heute Bootshaus) und die ersten Poller Wiesen – die er immer noch jedes Jahr besucht. Im Interview erzählt er, wie er als Feiernder das Kölner Nachtleben erlebt, auch im Vergleich zu Berlin, und was seiner Meinung nach besser laufen müsste.

Herr Lohaus, Sie kommen nicht aus Köln, was war denn Ihre erste Partyerfahrung hier?

Ich bin in Dortmund aufgewachsen und habe dort meinen Zivildienst gemacht und in dieser Zeit bin ich mal nach Köln zum Karneval gefahren, weil ich Kölner Freunde hatte. Weiberfastnacht haben wir in der Kyffhäuserstraße gefeiert, also im aktuellen Hotspot. Die Kneipe war so voll, dass irgendwann die riesige Scheibe zerbrach. Wir landeten dann zu dritt oder viert in den Scherben auf dem Bürgersteig.

Das war dann aber nicht der beste erste Eindruck vom Feiern in Köln oder?

Wir hatten keine Schnittwunden, nichts ist passiert, wir durften vorne direkt wieder durch die Tür reinmarschieren und haben dann mit Frischluft weitergefeiert. Damals konnte man in den Kneipen ja noch rauchen. Das, plus einem Besuch der Art Cologne in der Oberstufe und dann auch der Rosenmontag, waren meine ersten Impressionen von Köln und ich habe da doch ein tolles Bild von Köln mitbekommen. Ein sehr Lebens-offenes, fröhliches Bild.

Sie haben erst in Berlin und dann in Köln studiert – und gefeiert. Wie war der Vergleich?

Berlin war rougher. Da war auch viel mehr Kunst, krassere Clubs und das Aufkommen der elektronischen Musik da, das war wild. Da war auch alles viel später, also man traf sich da um halb zwölf am Nollendorfplatz, da hat man vorgeglüht. Und dann ist man um zwei Uhr in die Clubs gegangen. Das führte dann mal dazu, dass man im dunklen Berliner Winter für drei oder vier Wochen kein Tageslicht gesehen hat. Das war vielleicht auch einer der Gründe, warum ich dann wieder was Neues wollte, nach Köln wollte.

Und Köln war dann zurückhaltender?

Ja, in Köln war es etwas zurückhaltender.

Finden Sie denn, dass Köln im Bereich Techno-Partys trotzdem mit Berlin mithalten kann?

Berlin hat mehr Angebote, hat mehr Leute, hat auch mehr Leute, die da extra hinfahren. Aber Köln kann auf jeden Fall mithalten, weil es zum Feiern sehr viel entspannter ist. Es gibt keine ewig langen Schlangen vor den Clubs und es gibt keine total harten Türsteher. Vieles ist hier einfach lockerer und trotzdem gibt es ein qualitativ hochwertiges Angebot. Die Poller Wiesen etwa oder das c/o Pop-Festival laufen super. Das Bootshaus etwa wird regelmäßig unter die Top zehn Clubs weltweit gewählt, auch vor dem Berghain. Wir messen uns da in Köln mit Locations in Las Vegas oder Brasilien. Und das ist ein Punkt, den ich auch manchmal beim Stadtmarketing vermisse.

Können Sie das näher erläutern?

Eine florierende Kreativwirtschaft trägt zur Wirtschaftlichkeit einer Stadt und als wirksames Mittel im „War of Talents“ aus aller Welt bei. Eine junge Finanzanalytikerin, ein AI Prompter kommt auch nicht unbedingt nach Köln, weil wir hier den Dom haben oder weil der Rhein so schön ist. Der kommt auch hierher, weil er hier Gleichgesinnte findet, weil er kulturelle Abwechslung findet. Dieser Standortvorteil wird meiner Meinung nach nicht ausreichend ausgespielt. Man könnte jetzt schon für den 11.11. werben. Stattdessen verhält man sich aber so, als würde eine biblische Heuschreckenplage aus der ganzen Republik über uns herfallen. Viele kreative Agenturen würden parat stehen, um Köln ein neues Markenbild zu verschaffen, auch pro Bono. Und dann hätten wir, viele werden sich jetzt erschrecken, 300.000 Besucher zum 11.11. über das ganze Wochenende. Das Taxi-Gewerbe, das Restaurant-Gewerbe und die ganzen Hotels würden in die Hände klatschen.

Die Gastronomien im Zülpicher Viertel wären aber nicht begeistert.

Zurecht. Aber das liegt nur daran, dass man es nicht schafft, andere Angebote als nur die Zülpicher anzubieten. Es sind einfach viele Menschen und man kann und soll die nicht weghalten. Deshalb braucht es mehr Flächen als nur die Uniwiesen. Wir brauchen schon lange mal neue, große Flächen für die Jugend, um feiern zu können. So gibt es auch konkrete Ideen für eine dauerhafte, urbane Open Air Fläche, die es tatsächlich schon gibt. Selbst manche Ämter finden den Vorschlag gut und machbar. Aber die soll jetzt direkt wieder unter den strengen Grünflächen Schutz gestellt werden und damit wäre auch diese Chance wieder vertan.

Die Sorge der Stadt ist auch, ob andere Angebote ankommen. Die Zülpicher Straße ist gerade für junge Touristen aktuell die erste Anlaufstelle.

Klar, weil es auch das ist, was in den Social-Media-Kanälen rumgeht. Aber man hat ja jetzt wiederum gesehen, wie schnell die Leute auf die Uniwiese gewechselt sind. Hätte man weitere Angebote, würde auch das sich schnell verbreiten. Wichtig ist nur, dass man den Leuten mit einer gewissen Veranstalterqualität begegnet. Es reicht nicht, ein paar Dixi-Klos aufzustellen, schlechte Musik laufen zu lassen, und schlechte Gastronomie anzubieten.

Es heißt oft, dass es für diese Angebote aber keine Veranstalter gäbe.

Doch, da würden sich mit Sicherheit einige Leute melden. Und ich weiß auch, dass da schon Konzepte vorbereitet sind und man letztendlich nur wartet. Es geht auch nicht darum, das große Geld zu verdienen. Es gibt so viele Bürger und Agenturen, die einfach nur darauf warten, dass sie endlich mal Anteil nehmen können und nicht nur an Runden Tischen sitzen können.

Was sollte sich hinsichtlich des Kölner Nachtlebens Ihrer Meinung nach noch ändern?

Wichtig ist eben, dass das Tourismus- und Stadtmarketing das als wirtschaftliche Chance erkennt. Wichtig ist auch, dass die Genehmigungsbehörden das Nachtleben nicht als schmuddelig, stressig und negativ empfinden, sondern als wirtschaftliche Betriebe, die beträchtliche Summen einbringen können. Auch bei Lärmkonzepten sollte man liberaler und effizienter sein. Wir leben schließlich in einer urbanen Stadt. Und Zwischennutzungen sollten ein größeres Thema sein. Deutzer Hafen, Großmarkt, Mülheim, Frechen, diese Orte gibt es en masse. Man tut immer so, als wäre das limitiert.

Was mir aber am wichtigsten ist: Das Nachtleben und die Musikszene müssen als kulturelles Element wahrgenommen werden. Das ist aktuell noch nicht der Fall. Immer wird die Hochkultur gefördert, es fließt so viel Geld allein in die Oper. Wo ist das Geld für die Popkultur? Warum wird das so diffamiert und nicht als mögliches Alleinstellungsmerkmal für Köln gesehen? Die Kölnerinnen und Kölner sind bereit, die Betreiberinnen und Betreiber sind bereit. Es bedarf nur ein bisschen Tempo vonseiten der Stadt Köln. Leider entsteht oft das Gefühl, dass es ein Miteinander gegen die Stadt ist. Der 11.11. wäre jetzt eine super Gelegenheit, um zu zeigen, wie gut das klappen kann, wenn alle zusammenarbeiten.

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