Sanierung der Bühnen Köln„Wir haben nicht mehr viel Luft“

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Die Visualisierung zeigt, wie die vier Häuser einmal aussehen sollen.

Die vier Bühnen als Modell: Das große Opernhaus (r.), links daneben das Schauspielhaus und vorne links das Kleine Haus. Dazwischen befindet sich unterirdisch die Kinderoper.

Seit 2012 saniert die Stadt Oper und Co., ohne fertig zu werden – im Interview verrät Chef-Sanierer Bernd Streitberger seine größte Sorge.

Am 22. März 2024 sollen die Bühnen nach zwölf Jahren fertig saniert sein, daran halten Sie trotz Problemen fest. In der Vergangenheit wurden solche Termine verlässlich gerissen. Warum soll das dieses Mal anders sein?

Bernd Streitberger: Wir haben bislang keine Termine gerissen, sondern prognostizierte Termine für die Fertigstellung korrigiert. Das ist ein bisschen etwas anderes. Wir haben nach einem Jahr Bestandsaufnahme im Jahr 2017 einen noch unscharfen Termin genannt, das war damals Ende 2022. Und dieses Datum haben wir zwei Mal korrigiert, weil wir jeweils eine bessere Planung vorliegen hatten. Der 22. März 2024 ist jetzt ein verbindlicher Termin für alle Beteiligten – vor allem von uns gegenüber dem Spielbetrieb der Bühnen. Wir wollen diesen Termin halten.

Das heißt, die Intendanten von Oper und Schauspiel brauchen keinen Plan B, um eventuell noch ein Jahr im Staatenhaus und Depot zu spielen?

Aus meiner Sicht nicht. Es ist aber schon die Frage zu stellen, ob die Verwaltung die beiden Spielstätten noch etwas länger sichert. 2015 hatte die Stadt ja für die Oper gar keine Rückfalloption, eine solche Situation sollten wir vermeiden. Aber nochmal: Wir haben den 22. März 2024 vorigen Sommer in voller Kenntnis aller Risiken mitgeteilt und alle Beteiligten arbeiten darauf hin – aber es ist nicht so, dass wir keine Risiken haben.

Das Bild zeigt Bernd Streitberger.

Bernd Streitberger hat noch einen Vertrag als Chef-Sanierer bis Juni 2024. Verlängern will er ihn nicht.

Eine Garantie, dass die Bühnen am 22. März 2024 fertig sind, können Sie nicht abgeben?

Nein, terminliche Garantien gibt es nicht, die bekommen wir als Bauherr auch von keiner der beteiligten Firmen. Aber zur Erklärung: Ich habe den Termin nicht einfach so gesetzt, sondern wir haben ihn mit den Ingenieuren und den wichtigsten Firmen erarbeitet. Alle haben sich auf den 22. März 2024 verständigt. Deshalb habe ich keine Veranlassung, an dem Termin zu zweifeln, wenngleich ich mir auch manchmal wünsche, wir kämen schneller voran. Es ist nicht so, dass wir uns zurücklehnen können. Es bleibt harte Arbeit, jeden Tag, inklusive der Fehlerbehebungen, die sich als zusätzliche Aufgaben auf dem Weg entwickeln. Das ist aber normal bei einer solchen Baustelle. Wir stellen den Termin nicht in Frage.

Im Januar haben Sie gesagt, Sie haben keinerlei Beschleunigungsmaßnahmen gemacht, aber Sie haben doch den Bauablauf komplett umgestellt, um den Termin zu halten. Aber Sie haben mehr Arbeiter als nötig betrachtet. Das ist doch ein Widerspruch.

Nein, das ist kein Widerspruch. Bislang haben wir den Bau von den Technikzentralen ausgehend in die Fläche gedacht, doch diese Denkweise hat uns ab einem bestimmten Punkt nicht weitergebracht, sondern hat zu Abstimmungsschwierigkeiten geführt, weil sich beispielsweise die Ausbaugewerke und die Arbeiten an der Haustechnik in die Quere kamen. Deshalb haben wir das Prinzip umgekehrt. Wir gehen von den Räumen aus und arbeiten uns von oben nach unten durch die Gebäude. Die haustechnischen Gewerke  müssen sich daran orientieren. Das funktioniert deutlich besser.

Das Bild zeigt einen Blick in den Zuschauerraum des Opernhauses.

Blick auf die Bühne: Die Kölner Oper als Baustelle.

Und es ist nicht wie 2015, als die Stadt mehr Arbeiter beschäftigte, um irgendwie die Eröffnung zu sichern, was im Chaos endete?

Ich war 2015 nicht auf der Baustelle und kann deshalb diesen Vergleich nicht ziehen. Für uns war die Umstellung des Bauablaufs nötig und hilfreich.

Der Projektsteuerer hatte den Baufortschritt als unzureichend beurteilt...

Ja, das ist richtig, deshalb haben wir die Bauabläufe ja umgestellt.

Vor zwei Jahren haben Sie die neuen Pläne für die Haustechnik als exzellent bezeichnet…

…ja, das würde ich so nicht wiederholen.

Die Einschätzung als exzellent hat sich nicht bestätigt. Wie würden Sie es heute bezeichnen?

Die Pläne sind belastbar und bringen das Projekt weiter. Wir haben uns an diesen Plänen für die Haustechnik intensiv abgearbeitet und vier Jahre geplant. Das war für alle Beteiligten anstrengend. Als ich die Pläne exzellent genannt habe, war das die Euphorie des Moments, weil ich froh war, dass wir nach der unendlichen Kleinarbeit endlich damit soweit fertig waren, dass wir zur Bauphase übergehen konnten.

Mit diesen Plänen können Sie die Bühnen sanieren und eröffnen?

Ja.

Sie sprechen die vier Jahre Planung an. 2015 hatte die Stadt die Eröffnung abgesagt, im Jahr darauf Sie als Sanierer geholt. Was haben Sie damals gedacht, wie lange es dauert?

Bei den ersten Gesprächen mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker sind wir von Ende 2019 ausgegangen. Der Plan war: ein Jahr aufräumen, ein Jahr bauen, ein Jahr in Betrieb nehmen. Das hat sich bekanntlich sehr anders entwickelt, weil wir noch einmal neu planen mussten. Mein Vertrag galt auch nur bis Ende 2019, weil wir dachten: Länger kann das nicht dauern.

Vor allem die Schächte mit den Rauchdruckschutzanlagen machen seit Herbst Probleme. Das wirkt nicht gerade vertrauensbildend.

Das ist tatsächlich ein Problem, das uns Sorgen bereitet und die Risiken vergrößert. Das Opernhaus ist ein Hochhaus und wir müssen dafür sorgen, dass die Treppenhäuser rauchfrei gehalten werden. Diese Schächte sind bis 2015 gebaut worden, aber sie sind dem durch die Rauchdruckschutzanlagen im Brandfall ausgelösten Druck nicht gewachsen. Von außen war das nicht zu sehen, erst als die Schächte mit dem Statiker geöffnet wurden, stellte sich heraus, dass zusätzliche Verstärkungen eingebaut werden müssen. Die Schächte ziehen sich durch das ganze Gebäude und sind je nach Ebene aus unterschiedlichen Materialien: Die Schächte aus Beton machen keine Sorgen, aber die Schächte aus Kalksandstein sind ein Problem, weil sie nicht ordentlich verstärkt worden sind.

Die Rauchschutzdruckanlagen sind das größte Problem?

Es ist die Aufgabe, die uns gerade am meisten beschäftigt, ja. Wir haben 28 Punkte identifiziert, an denen die Schächte verstärkt werden müssen. 18 davon sind unkritisch. Die anderen machen uns Sorgen, denn die Schachtaußenwände sind gleichzeitig die Innenwände anderer Räume mit teils viel verbauter Elektrotechnik. Die Ertüchtigung der Schachtwände an sich ist unkritisch, problematisch ist der Zeitverlust durch den notwendigen Aus- und Wiedereinbau der bereits installierten Haustechnik. Wir prüfen nun, wie wir die Schächte sanieren können ohne die Technik komplett aus- und wieder einzubauen.

Das Bild zeigt eine Außenaufnahmen der Baustelle der Bühnen der Stadt Köln.

Eine Außenaufnahmen von der Baustelle der Bühnen.

2015 wollte die Stadt, um den Eröffnungstermin zu retten, erstmal nur die Oper fertig sanieren. Ist das auch jetzt wieder eine Option?

Nein, das haben wir auch von Anfang an gesagt: Wir übergeben alle vier Häuser schlüsselfertig.

Es gibt also keinen Plan B, erst nur die Oper fertig zu bauen?

Nein, das macht auch keinen Sinn.

Die Spielzeit beginnt üblicherweise im September, die Sanierung soll Ende März beendet sein. Wie viel Luft haben sie hinten raus, falls es doch länger dauert?

Wir haben nicht mehr viel Luft im Zeitplan bis Ende März, das muss ich deutlich sagen.

Und wie lange dauert es nach dem März, bis die Häuser für den Spielbetrieb fertig sind? Schlüsselfertig ist ja nicht spielfertig.

Ziel ist es, dass die vier Bühnen spielfertig sind, aber für eine Eröffnung gibt es natürlich auch noch andere Parameter. Für diese Frage haben wir im Herbst eine kleine Einheit gebildet, die das plant. Oper und Schauspiel müssen ja auch zunächst zurück an den Offenbachplatz ziehen, was mehr als 500 Menschen betrifft.

Aber wenn die Häuser am 22. März 2024 saniert sind, können die Bühnen im September die Spielzeit eröffnen?

In Sachen Eröffnung müssen Sie die Intendanten fragen. Aber der Termin ist natürlich so gewählt, dass das gelingen kann. Deshalb ist es unsere große Verpflichtung, den Termin zu halten.

Ende März 2024 ist alles fertig?

Ob dann nicht doch noch ein paar Malerarbeiten nötig sind, kann ich nicht versprechen, aber die Häuser werden fertig. Mein Vertrag läuft auch nur bis zum 30. Juni 2024.

Das Bild zeigt das Foyer der Oper, darin steht ein Baustellengerüst.

Baustelle: Ein Blick in das Foyer des Opernhauses.

Würden Sie den nochmal verlängern? Nächstes Jahr sind Sie 75.

Nein. Es ist dann alles fertig. Und was nicht fertig ist, muss fertig gemacht werden.

Sie haben als Baudezernent die Sanierung mit auf den Weg gebracht, das ging schief. Jetzt sind Sie der Chef-Sanierer. Geht es auch darum, dass Sie Ihr Renommee zurückgewinnen?

Nein,  mein persönliches Renommee hängt davon nicht ab, das war für mich bei der Übernahme der Aufgabe kein Faktor. Die Erwartung an mich war vor allem, neben der Projektleitung, ein Scharnier zwischen Baustelle, Stadtrat und Verwaltung zu bilden. Ich hoffe, dass ich das ordentlich gemacht habe.

Als Sie 2016 übernommen haben, lag die Prognose bei 404 bis 460 Millionen Euro, jetzt liegt die Prognose bei bis zu 674 Millionen Euro. Und es dauerte viel länger als gedacht. Was werfen Sie sich rückblickend vor?

Wir haben zu lange geplant. Das war sehr anstrengend und möglicherweise sind wir einige Wege vergeblich gegangen. Wir hätten da schneller sein müssen, aber es gibt ja keine Blaupause für ein solches Projekt.

OB Reker nennt die Summen und das Projekt ein Desaster. Zucken Sie da zusammen, wenn Sie das hören?

Nein. Ich zucke da nicht zusammen, finde den Begriff aber auch nicht so toll. Bauen ist allgemein schwierig geworden, das liegt vor allem an den vielen technischen Vorschriften. Das trifft sie bei solchen Spezialbauten aus den 50er-Jahren doppelt und dreifach.

Das Bild zeigt die Belüftungsanlage im Keller.

Innenansicht: So sieht die Belüftungsanlage im Keller aus.

Ist ein Schluss daraus, solche 50er-Jahre-Gebäude nicht zu sanieren?

Das kann man so pauschal nicht sagen, es sollte jedes zu sanierende Gebäude als Einzelfall gesehen und beurteilt werden. Gerade Kulturbauten sind ja Solitäre und keine Norm-Bauten. Ich bin seit jeher für die Erhaltung des Bühnen-Ensembles gewesen. Auch generell sollte man versuchen, solche Bauten zu erhalten. Aber wenn man sich dafür entscheidet, muss man sich sehr genau über die Konsequenzen im Klaren sein. Man muss vor dem Hintergrund der Vielzahl an Normen viel stärker technikbezogen planen und von Anfang an ein entsprechendes Team zusammenstellen.

Wie wichtig ist es für die Stadt, die Bühnen-Sanierung zu beenden? Es gibt ja so etwas wie ein Sanierungstrauma, die Bühnen werden oft als schlimmstes Szenario genannt bei den jetzt anstehenden Sanierungen anderer städtischer Gebäude und der Frage, ob Sanierung oder Neubau besser geeignet ist.

Die Bühnen-Sanierung ist eine erhebliche Belastung für die Stadt, der Begriff Trauma geht mir aber zu weit. Wenn wir fertig sind, stehen da die alte Oper und das alte Schauspielhaus. Wir bauen kein neues Wahrzeichen wie anderswo in der Republik. Ich bin davon überzeugt, dass nach einer Weile das Gebäude in der Wahrnehmung zurücktritt und der Inhalt wichtiger wird. Das Ansehen der Häuser wird mit der Zeit stärker durch die Kunst als durch die Architektur geprägt.

Die Bühnen-Sanierung sollte also nicht dazu führen, dass die Stadt anstehende Sanierungen wie der Bibliothek oder des Museums Ludwig mit Angst angehen sollte?

Nein, unbedingt nicht. Auch wenn es um immense Summen geht, die die Stadt belasten. Die Bühnen-Sanierung bezahlt die Stadt bis 2062. Aber: Das muss für andere Bauprojekte nichts bedeuten, man muss sich jeden Bau einzeln und seriös anschauen. Doch dafür fehlen oft Zeit und manchmal auch das Geld, um eine ordentliche Bestandsanalyse des Gebäudes zu machen – vor allem wenn der Betrieb noch läuft. Oder zu planen um Kostensicherheit zu erlangen. Auf den Plänen sieht man teils Sachen, die es gar nicht gibt im Gebäude und umgekehrt. Generell bin ich ein Verfechter davon, Kulturbauten als Zeitzeugen zu erhalten. Sie können eine Stadt nicht ständig umbauen.

Die Historie der Bühnen-Sanierung: Am 7. Juni 2012 fällt der letzte Vorhang der Kölner Oper, danach beginnen Sanierung sowie Neubau der vier Bühnen – angesetzt sind gut drei Jahre und 253 Millionen Euro. Doch früh gibt es Probleme auf der Baustelle, im Sommer 2015 sagt die Verwaltung die Eröffnung am 7. November ab. Sie kündigt dem Planungsbüro Deerns fristlos, macht es verantwortlich für Fehler bei der Haustechnik.

2016 übernimmt Ex-Baudezernent Bernd Streitberger, stellt die Sanierung fast komplett neu auf. Doch auch unter ihm dauert es länger und kostet mehr Geld. Am 22. März 2024 sollen die Bühnen eröffnen, die Baukosten sind mit bis zu 674 Millionen Euro angesetzt. Dazu kommen 239 Millionen Euro für die Finanzierung sowie rund 130 Millionen Euro für die Interimsspielstätten im Depot und Schauspiel. (mhe)

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