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Kölner Milliarden-BaustelleReker nennt neue Bühnen-Kosten eine „echte Bürde“

Lesezeit 6 Minuten
Das Bild zeigt den Opernsaal am Offenbachplatz. Darauf sind zwei Menschen zu sehen.

Seit elf Jahren keine Oper: So sieht der Opernsaal aktuell aus, seit 2012 gab es dort keine Auftritte mehr.

Nach zwölf Jahren bleibt es beim Datum für die Fertigstellung der Sanierung der Kölner Bühnen – aber es wird mal wieder teurer.

Jetzt ist es offiziell: Die Sanierung der Kölner Bühnen soll tatsächlich am 22. März 2024 nach knapp zwölf Jahren abgeschlossen sein. Das ist die Botschaft, die die Verantwortlichen um den Chef-Sanierer Bernd Streitberger am Dienstag auf einer Pressekonferenz veröffentlichen. Geplant sind ab dem 18. Juni 2012 mal drei Jahre Sanierung bis 2015 gewesen – doch danach entwickelt sich die Baustelle rund um Oper und Schauspiel am Offenbachplatz zum gefühlt niemals endenden Bau-Drama mit bundesweiter Bekanntheit. Auch das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ befasste sich damit.

Den 22. März 2024 hatte Streitberger Ende Juni 2022 veröffentlicht und er hält daran fest, obwohl das schon in gut einem Jahr ist – nach mittlerweile knapp elf Jahren Bauzeit scheinen nur noch 431 Tage fast surreal.

Kölner Bühnen: Oberbürgermeisterin Reker spricht von guter Nachricht

Oberbürgermeistrin Henriette Reker (parteilos) sprach am Dienstag von einer guten Nachricht, dass die Stadt nicht über eine Verlängerung der Bauzeit sprechen müsse. Reker sagte: „Und es zeigt, dass sich trotz aller Risiken, die eine komplexe Baustelle mit sich bringt, auf der Baustelle am Offenbachplatz Dinge verändert haben.“

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Der Druck steigt jetzt immer mehr, den Termin zu halten, ab der Spielzeit 2024/2025 sollen die Häuser idealerweise wieder im regulären Spielbetrieb eröffnen. Es geht um Oper (1300 Plätze), Schauspiel (650), Kleines Haus (200) und die unterirdische Kinderoper (200). Zwischen Fertigstellung und Eröffnung braucht es noch Zeit für die Feineinstellungen. Streitberger sagte: „Der Druck wächst.“ Man sei bestmöglich aufgestellt.

Es ist eine Zumutung für die Kölner Steuerzahler, dass ihr sauer verdientes Geld in miserable Planung, falsch verlegte Kabel und teure Interimsstätten angelegt wird.
Rik Steinheuer, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen

Und es gibt weiter Probleme, die viel Geld kosten, ein Beteiligter spricht von einem „schwarzen Loch“. Erneut hat Streitberger jetzt eine Kostensteigerung verkündet, unter anderem begründete er sie mit den Baukostensteigerungen durch den Ukraine-Krieg: Zuletzt war Streitberger im November von Sanierungskosten zwischen 639 und 659 Millionen Euro ausgegangen, bei der letzten offiziellen Pressekonferenz waren es im Januar 2021 insgesamt bis zu 644 Millionen Euro. Die finale Summe hängt auch davon ob, wie viele Risiken eintreten.

Jeden Monat entwickelt Streitberger die Kostenprognosen weiter, je nachdem wie es auf der Baustelle läuft. Jetzt sollen es 665 Millionen Euro werden, zusätzlich eines Risikobudgets sind es 674 Millionen Euro. Reker sprach von einer „echten Bürde“. Der Stadtrat muss das höhere Budget erst noch genehmigen, das gilt aber als sehr wahrscheinlich.

Hinzu kommen 239 Millionen Euro für die Finanzierung des Baus und rund 130 Millionen Euro für die Interimsspielstätten für Oper (Staatenhaus) und Schauspiel (Depot).

Die Kölner Bühnen-Sanierung: Stand jetzt wird sie knapp zwölf Jahre dauern und mehr als eine Milliarde Euro kosten. Allein im Monat Dezember kostete die Baustelle 8,8 Millionen Euro.

Rik Steinheuer, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen, hatte schon voriges Jahr gesagt: „Die ganze Angelegenheit ist ein Skandal erster Güte.“ Und: „Es ist eine Zumutung für die Kölner Steuerzahler, dass ihr sauer verdientes Geld in miserable Planung, falsch verlegte Kabel und teure Interimsstätten angelegt wird.“

Als die Sanierung 2012 startete, waren anfangs 253 Millionen Euro angesetzt. Über die Jahre geriet die Sanierung zum Debakel, vor allem die Haustechnik wurde zum Problem, etwa die Lüftung oder die Sprinklerleitungen. Teils war über Türen zu wenig Platz, um alle Leitungen unterzubekommen.

Ein Gutachter hatte angesichts des Denkmalschutzes für Oper (1957) und Schauspiel (1962) mal geurteilt: „Diese Aufgabenstellung ist gewissermaßen vergleichbar mit dem Einbau der Technik eines dem heutigen Stand der Technik entsprechenden Mercedes-S-Klasse-PKW in einen VW-Käfer Baujahr 1960.“

Ich trage hier doch nicht den Oberverantwortungshut.“
Susanne Laugwitz-Aulbach

Die Stadt macht für die Probleme zu weiten Teilen das Planungsbüro Deerns verantwortlich, kündigt ihm 2015 fristlos, nachdem sie zuvor schon die Eröffnung im November abgesagt hat. Die damalige Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach veranschaulicht damals mit einem Satz die Haltung der Stadt bei der Suche nach Verantwortlichen: „Ich trage hier doch nicht den Oberverantwortungshut.“

Danach übernimmt ab Mai 2016 Streitberger die Sanierung: Als  früherer Kölner Baudezernent hatte er die Pläne der Sanierung für gut geheißen, bevor er 2012 das Amt abgab. Nun stellt er das Projekt fast komplett neu auf, es müssen neue Pläne her für die Technik, das dauert Jahre. Die Bühnen-Verantwortlichen legen viel Wert darauf, dass es nie einen Baustopp gibt, aber tatsächlich passiert erstmal wenig auf der großen Baustelle.

Streitberger sprach von gigantischer Aufgabe

Streitberger sagt seinerzeit: „Man hätte sicher auch jemanden von außen bekommen, der gut ist, aber er wäre im besten Fall zum 1. Oktober da und würde viel mehr Zeit benötigen. Er müsste sich komplett neu reinfinden und müsste aus Selbstschutz alles auf null drehen. Bei mir ist es hingegen so, dass ich das Projekt, die Beteiligten, die Stadt und den politischen Betrieb kenne. Insofern habe ich bessere Startbedingungen. Das ist natürlich trotzdem eine gigantische Aufgabe. Das Projekt ist wirklich auf Grund gelaufen – das kann man wohl so sagen.“

Stand jetzt wird er das Projekt nächstes Jahr beenden, aber es wird fast acht Jahre dauern und viel mehr Geld kosten. Als er den Job übernommen hatte, beträgt die Kostenprognose 404 bis 460 Millionen Euro. Nun wird die Sanierung bis zu 270 Millionen Euro mehr kosten.

Zweifelhaftes Gutachten

Ein Gutachten soll klären, wie es zu dem Bühnen-Debakel kommen konnte, damit das möglichst nicht mehr passiert bei anderen städtischen Großbauprojekten – doch die Analyse aus dem Jahr 2017 hat ein massives Glaubwürdigkeitsproblem: Die Anwaltskanzlei, die es erstellt hat, hatte vorher die Stadt bei der Bühnen-Baustelle beraten und unter anderem zur Kündigung von Deerns geraten.

Ein klassischer Interessenskonflikt, trotzdem genehmigt der Rechnungsprüfungsausschuss des Stadtrates das. So bleibt der Erkenntnisgewinn ziemlich schmal. Die Anwälte sehen die große Verantwortung für das Debakel nicht bei der Stadt, von der sie für die Beratung bezahlt wird, sondern bei Deerns.

Die gerichtliche Aufarbeitung läuft immer noch, ein Ende ist nicht absehbar. Im Prozess gegen Deerns geht es laut einer Landgerichts-Sprecherin um knapp 9000 monierte Mängel und die Frage, wer verantwortlich ist. Deerns hatte 2017 ein Beweissicherungsverfahren beantragt.

Die Gutachter untersuchen die möglichen Mängel, Streitberger ließ weiterbauen, auch auf die Gefahr, dass mögliche Mängel beseitigt werden. Die Bühnen dokumentieren die Mängel selbst, damit der Gutachter sie sehen kann. Wann das Gutachten vorliegt, konnte eine Sprecherin des Landgerichts nicht sagen, der Gutachter arbeite „mit Hochdruck“. Liegt das Gutachten herrscht zumindest mehr Klarheit über die Verantwortung, dann könnte sich eine außergerichtliche Lösung anbahnen, muss aber nicht. Auf Deerns folgt im Laufe der Jahre die Firma Innius.

Seit Dienstag ist nun der Druck nochmal gestiegen. Mehrfach hatte Streitberger Termine und Kostenprognosen kassieren müssen in der Vergangenheit, auch vor Krisen wie der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg. 2019 etwa hatte Streitberger gesagt: „Ich gehe nicht davon aus, dass wir die 571 Millionen Euro brauchen.“ Damit liegt er also bis zu knapp 100 Millionen Euro daneben – doch mittlerweile sehnen im Rathaus viele herbei, dass die Sanierung nur noch vorbei ist.

  • Die Chronik der Bühnen-Sanierung:
  • 2006 Der Rat beschließt: Die Oper soll saniert werden, daneben ein neues Schauspielhaus entstehen. Das eingeplante Budget liegt bei 230 Millionen Euro.
  • 2009 Die Kostenschätzung für die Pläne beträgt 364 Millionen Euro. Der Rat beschließt eine kleinere Variante für 295 Millionen Euro.
  • 2010 Eine Bürgerinitiative setzt sich für den Erhalt des Schauspielhauses ein, der Stadtrat schließt sich an.
  • 2011 Der Rat votiert für die Sanierung von Schauspiel und Oper, eingeplant sind zunächst 253 Millionen Euro.
  • 2012 Im Juni findet die letzte Vorstellung statt, am 18. Juni beginnt die geplante dreijährige Sanierung.
  • 2013 Der Grundstein wird gelegt.
  • 2014 Das Richtfest wird gefeiert.
  • 2015 Die Stadt sagt im Juli die geplante Eröffnung im November ab, die Probleme mit der Technik wie etwa der Lüftung oder dem Brandschutz sind zu groß. Die Stadt kündigt dem Planungsbüro Deerns, der Gerichtsstreit läuft bis heute.
  • 2016 Der frühere Baudezernent, Bernd Streitberger, selbst am Prozess der geplanten Sanierung beteiligt, übernimmt den Posten des Chef-Sanierers.
  • 2017 Nachdem Streitberger das Projekt neu aufgestellt hat, wagt er sich das erste Mal an die Öffentlichkeit. Er geht von Kosten von 545 bis 570 Millionen Euro aus und einer Fertigstellung zwischen Oktober und Dezember 2022.
  • 2019 Die nächste Prognose: Nun ist es schon April bis Juni 2023, die Kosten sollen 571 Millionen Euro betragen.
  • 2020 Fertigstellung soll nun im dritten Quartal 2023 sein.
  • 2021 Wieder eine Prognose: Die Sanierung soll zwischen 617,6 bzw. 643,9 Millionen Euro kosten, je nachdem, wie viele Risiken eintreten. Zwischen Januar und März 2024 soll der Bau beendet sein.
  • 2022 Streitberger verkündet im Juni: Am 22. März 2024 ist alles fertig.
  • 2023 Wieder muss Streitberger höhere Kosten präsentieren.
  • 2024 Fertigstellung am 22. März und Eröffnung?
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