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„Ziemlich beste Leute“Elizaveta Khan hilft Kölnern bei der Integration

4 min
Elizaveta Khan hat das Integrationshaus in Kalk aufgebaut.

Elizaveta Khan hat das Integrationshaus in Kalk aufgebaut.

„Ziemlich beste Leute“ heißt eine neue Serie im „Kölner Stadt-Anzeiger“. Wir stellen Menschen vor, die zusammenhalten, was die Politik nicht mehr zusammenhalten kann.

Das ist sie: Elizaveta Khan leitet das Integrationshaus in Kalk und lernt jeden Tag zehn bis 15 neue Menschen kennen, also so richtig, sagt sie: „Nicht nur über ein Hallo in der Bahn, sondern ich erfahre, welche Sprache sie sprechen, welche Sorgen sie haben, welche Berufe sie einmal hatten, was ihre Träume sind.“ Die 42-Jährige will Interesse in Köln wecken für das, was die Menschen im Sozialraum Kalk erleben, sitzt im Integrationsrat und Kölner Polizeibeirat und will Perspektiven derer einbringen, die noch nicht lange in Deutschland leben und noch nicht lange Deutsch sprechen.

Mit ihrer Familie ist sie 1991 als Neunjährige aus Moskau geflohen. Ihr Vater war Künstler, die Familie ließ alles zurück und fing mit nichts und in Armut in Köln neu an. Khan sagt: „Zuhause ist die Suche nach einem Ort, wo man ankommt, an dem man nicht infrage gestellt wird.“

Das motiviert sie: „Du kannst wirklich im Kleinen etwas bewirken“, sagt Khan. „Das haben mir Menschen gezeigt, die mich geprägt haben.“

Das sagen andere über sie: „Alle sagen, ich habe einen Motor im Popo“, sagt Khan. Oberbürgermeisterin Henriette Reker sagte, als sie ihr 2023 das Bundesverdienstkreuz velieh, Khan stärke Menschen, die sonst keine Stimme haben. Die Einladungsmail dafür hielt Khan übrigens zuerst für Spam.

Elizaveta Khan engagiert sich für Flüchtlingshilfe und Integration.

Elizaveta Khan engagiert sich für Flüchtlingshilfe und Integration.

Was sie macht: Sehr viel. Vor allem zeichnet sie aus, dass sie eben einfach macht. Elizaveta Khan baute 2010 das Integrationshaus, kurz In-Haus, auf. Als Sozialarbeiterin, mit 28 frisch von der Uni, nahm sie mit der damals 62-jährigen Gertrud Weitze-Altreuther Privatkredite auf, erzählt Khan. Die zwei verkauften ihren Schmuck, um die Kaution für die Räume am Ottmar-Pohl-Platz zustellen. „Am Anfang hat niemand an uns geglaubt.“ Während des Gesprächs springt sie mal im Unterricht ein und erklärten einer Erwachsenenklasse Konjunktion. Danach sagt sie: „In diesem Raum haben wir mit vier Tischen und sechs Stühlen angefangen, alles vom Sperrmüll.“ Die Tassen sind bis heute zusammengesammelt. Im In-Haus hat alles und jeder eine Geschichte und die wird wertgeschätzt.

Zwar leitet Khan das In-Haus hauptberuflich, ein normaler Job ist das aber nicht. 12 bis 16 Stunden am Tag verbringt sie hier, steckt also viel ehrenamtliche Zeit hinein. Mittagspause? 15 Minuten. Öffnet sie um 8 Uhr, warten schon Leute auf Beratung oder bringen ihre Kinder zur Betreuung. Khan bringt neuen Kölnerinnen und Kölnern Deutsch bei, ist Referentin an verschiedenen Hochschulen für soziale Arbeit, leitet Workshops zur Antirassismusarbeit, engagiert sich bildungspolitisch, gibt Angebot speziell für Frauen oder Queers of Color. Am Wochenende arbeitet sie weiter mit anderen Kölner Institutionen zusammen, verbringt die Sonntage der vorigen anderthalb Jahre für das Projekt „Space 4 Kids“ mit Kindern im Rautenstrauch-Joest-Museum. Für ein Foto soll sie ein Gespräch mit einer Kollegin fingieren, Khan nutzt die Minute, um wirklich mit ihr den Tag zu besprechen.

Und dann übernahm Khan noch den Kalker Buchladen. „Wir beziehen alle unsere Lehrbücher daher, aber die Besitzerin musste aus persönlichen Gründen aufgeben, dann hätte Kalk gar keinen Buchladen mehr gehabt.“ Khans Lösung: Selbst weitermachen. „Ein Buchladen macht doch ein Viertel aus.“ Und hier ist nur Gucken ausdrücklich erlaubt, Khan sagt: „Dort sollen sich auch Menschen aufhalten, ohne konsumieren zu müssen, die den Geruch von Büchern genießen und nur schmökern wollen.“

Elizaveta Khan unterrichtet Deutsch.

Elizaveta Khan unterrichtet Deutsch.

Das würde sie als Erstes tun, wenn sie Oberbürgermeisterin wäre: „Mehr Demokratie in die Veedel bringen, ganz kleinteilig, und damit mehr Autonomie und Vertrauen in die Leute vor Ort stecken“, sagt Khan. „Die Verwaltung muss sich an Gesetze halten, das ist manchmal sehr unglücklich – wir merken oft, die Kommune und vor allem Bezirksvertretungen wissen ganz genau, was vor Ort gebraucht wird, kommen aber nicht weiter.“

Ihr persönliches Grundgesetz: „Jeder Mensch ist eine Welt“, sagt Elizaveta Khan und so steht es auch über dem Eingang des Integrationshauses. „Ich bin beeindruckt, was ein Mensch alles mitbringt, und ich bin traurig, wenn Menschen gehen.“ All dem will Khan Raum geben. „Ein Mensch, der nach Deutschland kommt, kann auch schlechte Seiten haben, das gehört zum Menschsein dazu und damit hantieren wir im Alltag.“