Praxis-TestWer ist der beste Leihrad-Anbieter in Köln?

Lesezeit 7 Minuten
Unser Autor Hendrik Geisler

Unser Autor Hendrik Geisler

Köln – Ich bin auf Leihräder angewiesen: Vor mehr als einem Jahr wurde mein eigenes Fahrrad gestohlen, und ich konnte mir kein neues leisten. Gerade im Sommer ist mir der Gedanke zuwider, mit der Bahn vom Chlodwigplatz zum Verlagshaus in Niehl zu fahren. Also griff ich auf die Räder der KVB zurück, zunächst ausschließlich. Dann machte sich Ford ebenfalls im Bikesharing breit und übernahm das System der Deutschen Bahn – ich nutzte das Angebot erstmals während des KVB-Streiks im Frühjahr. Irgendwann kam auch Donkey Republic dazu, ein dänisches Start-up. Und seit ein paar Wochen ist Mobike in Köln am Start. Überall sieht man nun auch die silber-signalorangen Fahrräder des Unternehmens aus China.

Mich kümmern Sorgen um zu viele Leihräder in Köln nur wenig. Jedes Rad, das dazu führt, dass weniger Autos die Stadt verstopfen, ist in meinen Augen ein gutes Rad. Aber welches Angebot ist das beste?

Ich habe die Räder von KVB und Ford nun oft genutzt, Donkey Republic und Mobike bin ich inzwischen auch hin und wieder gefahren.

Für die etwa sieben Kilometer von meinem Zuhause bis zur Redaktion brauche ich mit dem Rad 20 bis 30 Minuten – abhängig von Tagesform, Wetter, Wind, Fußgängeraufkommen – und der Auswahl des Rads. Ein Überblick über die Vor- und Nachteile der vier Anbieter:

KVB

Ein KVB-Leihrad

Ein KVB-Leihrad

Dank meines Jobtickets kann ich die Räder der Kölner Verkehrs-Betriebe eine halbe Stunde lang kostenfrei nutzen. Sie konnten auf meinem Arbeitsweg fast immer überzeugen.

Kosten: Wie gesagt – Fahrten bis zu 30 Minuten kosten mich gar nichts. Darüber hinaus fällt ein Euro pro halbe Stunde an.

Verfügbarkeit & Ausleihe: Da die Räder nicht nur für mich kostenlos sind, sondern für alle KVB-Abo-Kunden, sind sie oft entsprechend schwer zu bekommen. Wenn ich zur Arbeit möchte, ist nur selten ein Rad in der Nähe verfügbar. Bis ich auch die anderen Leihräder zu nutzen begann, fuhr ich oft frustriert mit der Bahn, wenn ich keines bekam. Genauso nervt es, wenn ein Rad in der App angezeigt wird, ich einen mehrminütigen Weg dorthin zurücklege, und dann steht dort entweder gar nichts, oder der Vormieter hat das Rad in einen Hinterhof gestellt. Beides passiert nicht oft, aber regelmäßig.

Fahrgefühl: Meist sind die Fahrräder gut in Schuss und fahren trotz nur dreier Gänge flüssig. Tatsächlich sind die KVB-Leihräder die einzigen, die wirklich angenehm zu fahren sind, auch wenn einige von ihnen aufgrund exzessiver Nutzung etwas schrammelig wirken können. Mein Rucksack, den ich im Sommer nicht auf dem Rücken haben will, lässt sich problemlos auf dem Träger festschnallen. Minuspunkt: Immer mal wieder kommt mir ein Rad unter, das nach einer Generalüberholung schreit oder sich anderen Verkehrsteilnehmern schon durch exzessives Knarzen oder Quietschen ankündigt.

Ford

Leihräder Ford

Ein Pulk von Ford-Leihrädern am Breslauer Platz in Köln.

Ford bietet mit 2000 Fahrzeugen die Hälfte aller Kölner Leihräder an. Sie sind hochwertig, enttäuschen aber ein wenig beim Fahrgefühl.

Kosten: Für die höchstens 30 Minuten in die Redaktion wird ein Euro von meinem Konto abgebucht. Für 49 Euro jährlich könnte ich auch wie bei der KVB die erste halbe Stunde kostenlos fahren.

Verfügbarkeit & Ausleihe: Ford-Räder sind Rudeltiere. Häufig versammeln sich knapp 20 von ihnen etwa am Chlodwigplatz, und auch sonst trifft man in der Stadt auf viele Nester. Bisher habe ich immer eins der Ford-Räder bekommen, wenn keines von der KVB in der Nähe war. Die Ausleihe funktioniert einwandfrei über die App, für die Rückgabe ist nicht einmal die nötig.

Fahrgefühl: Sieben Gänge haben die Ford-Fahrräder. Klingt wie der klare Klassensieg, aber das ist ein Trugschluss: Bei normalschneller Fahrt am Rhein entlang sind die ersten fünf Gänge zu niedrig, beim sechsten fühlt sich das Rad aber schon zu schwer an. Richtig in den Fluss komme ich deswegen mit den Ford-Rädern nur selten. Es fasziniert mich, dass die KVB-Räder mit vier Gängen weniger so viel besser fahren. Ansonsten sind die Räder von Ford sehr hochwertig, machen insgesamt einen modernen Eindruck, die Höhe des Sattels lässt sich kinderleicht verstellen. Etwas kurios ist die Gepäckablage – oder ist das ein zweiter Sitz? Mit etwas Mühe schaffe ich es immerhin, meinen Rucksack festzuzurren, ohne dass er auf dem Weg verloren geht.

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Donkey Republic

donkey

Ein Fahrrad von Donkey Republic

Donkey was? Sind Ihnen die orangefarbenen Räder schon aufgefallen? Mir bis vergangene Woche auch nicht. Schade eigentlich.

Kosten: Wer seine Kreditkartendaten hinterlegt, zahlt günstige 75 Cent für eine halbe Stunde und 5,10 Euro für zwölf Stunden. Donkey Republic bietet die beste Leih-Flatrate – da zahle ich 15 Euro im Monat und nur extra, wenn ich ein Rad länger als zwölf Stunden ausleihe. Das Preismodell soll bald verfeinert werden, Details sind aber noch nicht bekannt.

Verfügbarkeit & Ausleihe: Die 250 Räder stehen an Stationen, von denen es vor allem in der Innenstadt viele gibt. In der Nähe des Verlagshauses in Niehl gibt es aber leider keine – ein echtes Manko, das mich daran hindern wird, das Angebot häufiger zu nutzen. Nur Donkey-Republic-Fahrräder haben richtige Kettenschlösser, das ist vor allem nützlich, wenn ich das Rad bis zu zwölf Stunden ausleihe und zwischendurch stehen lasse.

Fahrgefühl: Die drei Gänge fühlen sich im Gegensatz zu denen der KVB-Räder an, wie ich es erwarte: etwas schwergängiger, nicht ganz so flüssig, aber für die Stadt vollkommen ausreichend. Der Sitz ist komfortabel, der geschwungene Lenker aber gewöhnungsbedürftig. Die geraden Konkurrenz-Lenker lassen eine sportlichere Fahrweise zu. Die Gepäckablage ist die beste der Test-Leihräder, hat aber einen Gummizug, der mir beim ersten Ausleihen beinahe um die Ohren fliegt, als ich ihn versehentlich flitschen lasse. Leider sind auch nicht alle Donkey-Räder mit einer Gepäckablage ausgestattet.

Mobike

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Mobike-Fahrräder

Die Räder von Mobike haben zwei große Probleme – hinzu kommen diverse kleine. Ich kann gut auf Mobike verzichten.

Kosten: 20 Minuten kosten einen Euro. Teurer geht’s in Köln nicht. Wenn denn der Preis wenigstens gerechtfertigt wäre...

Verfügbarkeit & Ausleihe: Irgendwann lädt Mobike seine Räder über Nacht in Köln ab, das war bekannt. Vor ein paar Wochen war es dann so weit. Am Ubierring entdeckte ich das erste Mobike-Leihrad. Obwohl es nur 500 sind, findet man an beinahe jeder Ecke eins. Die Ausleihe ist einfach: QR-Code scannen, losfahren.

Fahrgefühl: Das erste große Problem: Die Reifen aus Vollgummi. Erstens erhöhen sie den Rollwiderstand, ich muss mehr Kraft anwenden, um voranzukommen. Zweitens geben sie jede noch so kleine Erhebung des Straßenbelags an mein Gesäß weiter. Drittens knallen sie so stark gegen Bordsteine, dass mein Rucksack beinahe aus dem Gepäckfach fliegt. Zweites großes Problem: Es gibt nur einen Gang. Was habe ich mich jeck gestrampelt, als ich kürzlich über die Ringe zum Chlodwigplatz gefahren bin! Schneller wurde ich trotzdem nicht. Angeblich soll es auch eine Drei-Gang-Variante geben, das ist aber wohl eine Legende. Ich habe locker 60 Räder in den vergangenen Tagen im Vorbeigehen überprüft: Kein Drei-Gang-Mobike war dabei. Ein paar der kleinen Probleme: Die Fahrzeuge fühlen sich richtig billig an, der Sitz wackelt, und es gibt keinen Gurt für das Gepäck.

Fazit

Leider gibt es in Köln kein perfektes Leihrad-Angebot. Die KVB haben dafür zu wenige Räder am Start, Ford sollte an seinen sieben Gängen Hand anlegen, Donkey Republic braucht noch mehr Stationen und Räder, Mobike wäre am besten geholfen mit – so hart das klingt – ganz anderen Rädern. Ich habe tatsächlich die Hoffnung, dass einige der Wünsche erfüllt werden. Insbesondere die KVB könnte noch mehr Marktanteile abgrasen, wenn sie weitere Räder anböte. Indes bin ich besorgt, dass die Mobike-Räder irgendwann einfach nur noch Straßenecken blockieren, ohne genutzt zu werden.

Ich bin dankbar für das Bikesharing, das mich mehr Sport treiben lässt und mir Fahrten in stickigen Bahnen erspart. Gäbe es das perfekte Angebot, ich wäre bereit, auch über einen längeren Zeitraum dafür zu zahlen. Gibt es aber nicht. Ich spare derzeit auf ein neues Rad – ohne App und Leihdauer.

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