Die berühmte Stadtführerin Hannemarie Valder ist im Alter von 95 Jahren verstorben – ihre Tochter erzählt vom Leben der Kölnerin.
Kölns berühmteste StadtführerinHannemarie Valder mit 95 Jahren verstorben

Hannemarie Valder galt als Grande Dame der Stadtführerinnen.
Copyright: Familie Valder
Wie Veilchen im Moos sollten junge Frauen sein, bescheiden und unauffällig. So stand es mahnend in den „Poesiealben“, als Hannemarie Valder aufwuchs. Sie war nicht sehr folgsam. Ein Schattendasein passte nicht zu ihr. Es zog Valder ins Licht, in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit und der Familie.
Mit 95 gestorben – Kölnerin Hannemarie Valder schrieb Stadtgeschichte
„Meine Mutter war die Sonne“, sagt ihre Tochter Claudia Knechtges-Valder. „Alles drehte sich um sie.“ Sie unterhielt, umsorgte und wärmte, zog die Menschen an. Hannemarie Valder führte Scharen von Besuchern durch die Stadt, zeigte ihnen das Rathaus, die Museen, die zwölf romanischen Kirchen und den Dom, erklärte deren Historie, erzählte Heiligenlegenden und Anekdoten, erwirtschaftete in Benefizführungen einen finanziellen Löwenanteil für die Errichtung des Adenauer-Denkmals.
Die Grande Dame unter den Stadtführerinnen ist nun selbst Teil der Kölner Stadtgeschichte. Sie ist am 14. November im Alter von 95 Jahren in ihrem Haus an der Hölderlinstraße friedlich eingeschlafen.
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Ein Leben im Krieg in Köln
Ihr Leben begann im niederländischen Sittach. Der Vater war dort Lehrer einer Ordensschule. Die kleine Johanna Marie Schäfer kam am 20. Januar 1928 als fünfte von sieben Geschwistern zur Welt.
„Mausi“ wie sie von der Familie genannt wurde, verbrachte dort eine unbeschwerte Kindheit – bis die Familie 1936 zurück nach Köln kehrte und der Krieg die Welt aus den Angeln hob: Das Familienheim wurde zerbombt und evakuiert, ihre Mutter kam mit den beiden jüngeren Geschwistern in Bayern unter, ihr älterer Bruder wurde mit 17 Jahren eingezogen, ihre 16-jährige Schwester Flakhelferin. Die anderen älteren Schwestern waren aus dem Haus.

Familie Valder erlebte ihre Hannemarie als lebensfrohe Frau.
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Die damals 14-jährige Hannemarie blieb mit ihrem Vater in Köln, führte ihm den Haushalt und besuchte weiterhin das Kaiserin-Augusta-Gymnasium - während die Stadt in Schutt und Asche gelegt wurde. Der Tausendbomberangriff und der Angriff am Gedenktag der Aposteln Peter und Paul spukten seitdem durch ihre Erinnerungen. Gesprochen hat sie darüber wenig.
Erste Jobs und Heirat in Köln
Nach Kriegsende waren Verdrängen und Nach-vorne-schauen die Strategie, um das Erlebte abzuschütteln. Ihr Schulenglisch verhalf ihr zu ihrem ersten Job bei den englischen Besatzern. So erlebte Hannemarie Valder in den 50er-Jahren eine erste Blütezeit.
„Meine Mutter war eine Schönheit“, erzählt Claudia Valder „Alle waren in sie verliebt. Sie schenkten ihr Nylonstrümpfe und Zigaretten.“ Die schicke und lebenslustige junge Frau lernte auf einer Party den Mann kennen, der dort Musik machte, den angehenden Architekten Erich Valder, ein Freund und Kollegen ihres Bruders. „You are the sunshine of my life“ dudelte dazu aus dem Radio.

Hannemarie Valder heiratete schon mit 20 Jahren.
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Im „Wacholderstübchen“ erhielt sie ihren Heiratsantrag, im Alter von 20 Jahren. Nach einigen Jahren heirateten sie, baute Erich Valder das Haus an der Hölderlinstraße und übernahm Hannemarie pflichtbewusst ihre erste Rolle, mit Küchenschürze am Herd und Waschbottich und schließlich vier Kindern.
Autofahren gehörte nicht zu ihren Talenten
Valder holte sie mittags von der Schule ab. Als das vierte Kind unterwegs war, machte sie dafür dann den Führerschein. „Sie konnte überhaupt nicht Auto fahren“, erzählt Claudia Valder, „hat dann aber hochschwanger den Prüfer bezirzt.“ Hannemarie Valder fuhr eine Ente, auf ihre holprige Weise, schaffte es nicht ins Parkhaus und konnte nicht rückwärts einparken.
Bald wusste ihr Sohn, wo es so alles hapert: „Sie hat vor dem Schalten immer viel zu viel Gas gegeben und die Kupplung schleifen lassen“, so Markus Valder. „Sie fuhr dann in die Stadt auf der linken Spur mit 30 Stundenkilometern.“
Frauenpower vs. Ruhepol – das perfekte Duo
Hannemarie Valder hatte andere Talente. Zu Hause war sie die Chefin, die sich in alle Angelegenheiten der Familienmitglieder einmischte, aber lustig war, liebevoll und sehr tolerant. „Meine Schwestern waren Hippies“, erinnert sich Markus Valder.
Erich Valder nahm die Frauen-Power im eigenen Haus gelassen. Er war ein zurückhaltender musischer Mann, spielte Cello. „Mein Vater war der Ruhepol“, erzählt Valder, „während meine Mutter mit ihren frechen Witzchen manchmal über die Stränge schlug. Sie waren wie ein Komiker-Duo. Er war der Schmunzelhase, sie die Rampensau.“
Hannemarie Valders Anfänge als Stadtführerin in Köln
Die Entertainerin in Hannemarie Valder erwachte erst richtig, als die Kinder erwachsen wurden. Claudia Valder entdeckte einen Aushang des Straßenverkehrsamtes, die Stadtführer- und -führerinnen mit Englischkenntnissen suchten und schlug der Mutter vor, es mit dem Job zu versuchen.
Sie startete bei Bustouren und hatte mit ihrer lockeren, charmanten Art schnell Erfolg, führte bald durch die Kölner Kirchen, auch die offiziellen Gäste der Stadt, das Ehepaar Kissinger, Jon Lord von der Band Deep Purple, Prinzessin Di. „Und Alec Baldwin, den armen Kerl“, erinnert sich Knechtges-Valder.

Hannemarie Valder hatte schon Enkel und Urenkel.
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Sie hatte Mitleid mit dem Filmstar, weil ihre Mutter nicht wusste, wer er ist – obwohl er auf ihren Befehl seine Sonnenbrille abgenommen hatte. Baldwin schenkte ihr ein signiertes Foto: „Für den Bürgermeister von Köln“, schrieb er. Der Schauspieler war Valder-Fan.
Valder-Fans auf der ganzen Welt
Davon gab es viele, auch in anderen Ländern: Als ihr Sohn bei der Einreise nach England aufgrund seines Irokesenschnitts und seiner Stiefel einmal von der britischen Polizei als potenzieller Störenfried ausgemacht und festgenommen wurde, entwickelte sich mit dem Haftrichter ein überraschend nettes Gespräch. „Oh, Sie heißen Valder und kommen aus Köln?“, fragte der Richter. „Ich habe dort eine Stadtführerin namens Hannemarie Valder erlebt.“ Der Junge antwortete brav: „Ja, das ist meine Mutter.“
Ihre Führungen blieben im Gedächtnis. „Sie waren eine Show in allen Facetten“, so Knechtges-Valder „Meine Mutter hatte in ihrer Glanzzeit Garderobe in allen erdenklichen Formen und Farben, die schönsten Taschen, Kleider, Hosen, Mäntel. Meine Tochter hat immer gesagt, Oma, wenn Du mal stirbst, möchte ich Deine Lackstiefel erben.“ Nun ist es soweit. Die Stiefel werden die Besitzerin wechseln.