Wertsteigerung von 1700 ProzentWie ein Kölner Schrottplatz zur Goldgrube werden soll

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Platz für viele neue Wohnungen, aber auch Schulen und Kitas: Rechts neben dem Firmengelände von „Max Becker“ liegt das Rheinenergie-Areal mit Kugelgasspeicher. Das Foto zeigt den Blick in südlicher Richtung. Die Straße rechts ist der Maarweg, der die Widdersdorfer Straße kreuzt.

  • Auf dem sogenannten Max-Becker-Gelände an der Widdersdorfer Straße in Ehrenfeld sollen neben bezahlbarem Wohnraum auch viel Grün und Kindertagesstätten entstehen. Eigentlich eine gute Entwicklung für Köln.
  • Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sichert der Kaufvertrag zwischen der Familie Becker und dem Projektentwickler Pandion einen Kaufpreis im dreitstelligen Millionenbereich zu.
  • Der Ehrenfelder Bezirksbürgermeister Josef Wirges spricht von einem „Skandal hoch drei“.

Köln-Ehrenfeld – Ein Geschäft mit einer Wertsteigerung von rund 1700 Prozent – solche Gewinne kann man machen, wenn man in Köln Grund und Boden besitzt und davon ausgehen kann, dass dieser dringend für Wohnungsbau gebraucht wird.

Der Ehrenfelder Geschäftsmann Klaus Becker und seine Töchter haben ein solches Geschäft machen können und so aus einem Schrottplatz an der Widdersdorfer Straße eine Goldgrube gemacht. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sichert der kurz vor Weihnachten 2019 abgeschlossene Kaufvertrag zwischen der Familie und dem Projektentwickler Pandion einen Kaufpreis von 175 Millionen Euro zu.

Kaufvertrag

Der Kaufvertrag legt 175 Millionen Euro als „Mindestkaufpreis“ fest. Kleinere Korrekturen nach oben und unten sind möglich. 

Rheinenergie verkaufte für zehn Millionen

Das heute so wertvolle „Max-Becker-Gelände“ ist nach zuverlässigen Angaben im Laufe der vergangenen 20 Jahre in mehreren Tranchen vom städtischen Tochterunternehmen Rheinenergie an das Recycling-Unternehmen der Beckers für „nur“ rund zehn Millionen Euro verkauft worden. Rechnet man die Wertsteigerung auf einen Quadratmeter um, so ist der Preis nun von rund 80 Euro auf knapp über 1400 Euro geklettert.

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Höhere politische Vorgaben zum Wohnungsbau sind – zumindest in einem begrenzten Rahmen – eingepreist.

Neben der allgemeinen Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt ist der entscheidende Faktor für die exorbitante Wertsteigerung die Aussicht, dass aus dem Gewerbegebiet durch politische Beschlüsse des Stadtrates ein Areal für eine gemischte Bebauung werden wird. Und mehr noch: Um trotz des hohen Kaufpreises etwas verdienen zu können, muss Pandion eine dichte Bebauung und möglichst geringe Auflagen für den Wohnungsbau durchsetzen, damit möglichst viel Hochpreisiges gebaut werden kann.

Ehrenfelder Bezirksbürgermeister Wirges spricht von „Skandal hoch drei“

Seit Bekanntwerden des Geschäfts wird im Rathaus über die Frage diskutiert, wer Pandion Zusagen gemacht haben könnte, die das Risiko bei diesem „Millionen-Poker“ überschaubar machen. Baudezernent Markus Greitemann und Vertreter Ratsbündnisses von CDU und Grüne beteuern, dass dem Investor im Vorfeld nichts versprochen wurde. SPD und Linke bezweifeln das. Der Ehrenfelder Bezirksbürgermeister Josef Wirges spricht von einem „Skandal hoch drei“.

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Pandion geht davon aus, dass es bei der Vorgabe des so genannten „kooperativen Baulandmodells“ der Stadt bleibt, dass nur 30 Prozent der Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus errichtet werden müssen. SPD, Grüne und Linke im Rathaus sowie die Bezirksvertretung Ehrenfeld wollen die Vorgaben deutlich nach oben schrauben. Das sich wandelnde Ehrenfeld brauche keine weiteren Luxuswohnungen sondern mehr bezahlbaren Wohnraum.

Wie der Text des Kaufvertrags mit der Familie Becker belegt, hat Pandion eine kleine Absicherung gegen strengere Vorgaben der Politik verabreden können. Sollte die derzeit gültige Quote von 30 Prozent für den öffentlich geförderten Wohnungsbau „nicht durchsetzbar“ sein und sich die Quote erhöhen, vermindert sich der Kaufpreis um 1,2 Millionen Euro pro Prozentpunkt. Maximal sind 12 Millionen Rabatt drin.

Der Vertrag sieht aber auch eine flexible Lösung in die andere Richtung vor: Sollte es Pandion gelingen, mehr als 184.000 Bruttogrundfläche zur Bebauung durchzusetzen, erhöht sich der Kaufpreis um 857 Euro pro Quadratmeter.

Rheinenergie verkauft Grundstück voller Altlasten

Mit dem Verkauf entledigt sich die Firma Max Becker auch aller Kosten, die durch die Beseitigung von Altlasten und Umweltschäden entstehen. Die Firma übernimmt keine Haftung für die Beschaffenheit des Baugrunds. Dass hier nach einem Jahrzehnte langen Betrieb eines Recycling-Unternehmens einiges zu tun ist, kann als sicher angenommen werden. Ergebnisse einer „Due Diligence“-Prüfung sind schriftlich festgehalten worden. Due Diligence bedeutet „gebührende Sorgfalt“. Zu den im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag übergebenen Unterlagen gehören auch Informationen zu Umweltschäden.

Kölner Unternehmen verzicht auf Vorkaufsrecht

Entschieden ist mittlerweile auch, dass die Rheinenergie nicht von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen will, das sie sich bei der Übergabe der Grundstücke an Max Becker gesichert hatte. Da das Areal aus mehreren einzelnen Flurstücken besteht, war die Möglichkeit diskutiert worden, zumindest das ein oder andere Schlüsselgrundstück zurückzukaufen, um so den Einfluss auf die weitere Entwicklung zu erhöhen.

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Auch das wurde verworfen. Man habe sich das Vorkaufsrecht nur gesichert, um den eigenen, benachbarten Geschäftsbetrieb zu sichern, so der Sprecher der Rheinenergie Christoph Preuß. Das Energieunternehmen betreibt neben dem Schrottplatz ein Umspannwerk mit einem Kugelgasspeicher.

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Lastwagen und Bagger arbeiten an der Baustelle auf dem Max-Becker-Gelände

Man habe mit Pandion eine „Entwicklungsvereinbarung“ geschlossen, um das eigene Areal im Sinne der städtischen Ziele einzubringen. Wann hier Wohnungen gebaut werden können, hänge von der Verlegung des Rheinenergie-Betriebsstandorts ab, so Preuß. Das sei sicher kein Prozess von zwei Jahren. „Wir reden hier eher von zehn Jahren.“ Der Unternehmenssprecher weist auch die grundsätzliche Kritik an ihrem Verkauf an die Firma Max Becker zurück. Hätte sie das Areal nicht verkauft, hätte die Stadt heute einen direkten Zugriff zu völlig anderen Preisen. Preuß sagt, mit Unternehmensbesitz zu spekulieren, den man für den Betrieb nicht mehr brauche, sei nicht die Aufgabe der Rheinenergie.

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