Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Momentaufnahme90 Minuten am Flughafen Köln/Bonn

Lesezeit 5 Minuten

KölnMomentaufnahme Flughafen Köln/Bonn, 10.30 Uhr bis 12 Uhr

10.30 Uhr Die Mülleimer vor der Sicherheitsschleuse werden bewacht. Der Aufpasser trägt Leinenweste und Lesebrille. Die Plastiktasche mit den Pfandflaschen outet ihn als Sammler. Flaschensammler gehören längst zum Stadtbild wie die Smartphonestreichler – vor der Abflughalle der Terminals gibt es aber nicht nur den klassischen Pfandsucher: Ein Mann mit Jackett und Sonnenbrille entsorgt Sonnenmilch und Bodylotion in einem Mülleimer.

Als der Jackettträger abdreht, kommt ein Zauselbärtiger und fischt die Cremes heraus. Er findet auch eine Tube mit der Aufschrift „Toy-Cleaner“, die er nach kurzem Abwägen wieder in die Tonne wirft. Wenig später kehrt er zurück und packt den Spielzeugreiniger doch ein.

10.36 Uhr Das Gewusel in der Sicherheitsschleuse ist an Ausgang 82 weit weg. 155 Fluggäste werden von hier um 12 Uhr mit Air Berlin nach Palma de Mallorca starten – 155 von rund 189 000, die in den Sommerferien von Köln/Bonn aus der Deutschen liebstes Urlaubsziel anfliegen. Katharina und Roland Engeländer aus Kalk sind als erste in der Abflughalle angekommen. Sie sind seit 48 Jahren verheiratet, fliegen seit 35 Jahren nach Mallorca, aber erst seit fünf Jahren zusammen. Warum? „Weil wir bis dahin Katzen hatten, bis zu sieben Stück“, sagt Katharina Engeländer, die ein T-Shirt mit Paris-Inschrift und eine weiße Uhr mit Kölner Stadtwappen trägt. „Die letzten Jahre sind wir in den Sommerferien geflogen, jetzt fliegen mir mal danach, da ist es ruhiger.“

Während die Urlauber, die nach und nach eintrudeln, Zeitung lesen, SMSen, Musik hören oder – wie ein volltätowierter Mann mit Sonnenbrille – Schattenboxen mit ihrer Freundin machen, betrachtet Frau Engeländer die Welt aus der Sicht einer Katze: Sie liest den Bestseller „Bob und wie er die Welt sieht.“

10.40 Uhr Neben den Engeländers nimmt ein junger Mann mit Bierkönig-T-Shirt Platz. René (21) verbringt eine Woche am Ballermann 4, um dort mit Kumpels zu feiern und, klar, „die Ruhe am Strand und das kristallklare Wasser zu genießen“. Der Ballermann 4 bis 7 ist das Zentrum der Partymeile. „Der Ballermann 11, wo wir hinfahren, ist ruhiger“, sagt Zahnarzthelferin Dana (24) aus Dortmund. Auf ihren schwarzen T-Shirts prangt in Pink „Malle Diven“. „Wir wollen den Alltag mal vergessen“, sagt Dana.

11.12 Uhr Während Frau Engeländer gedanklich durch die Katzenwelt streift und René überlegt, mit wie viel Maß er seine erste Nacht im Bierkönig beschließen wird, dröhnt auf dem Rollfeld der Alltag. Die Air-Berlin-Maschine aus Palma ist gelandet, tief gebräunte Menschen merken beim Ausstieg, dass T-Shirt und Mini-Rock zu Hause wieder im Kleiderschrank landen. 45 Minuten steht die Maschine auf dem Rollfeld. Das ist nicht wenig – es gibt eine Airline, die nur 25 Minuten Standzeit hat, aber auch nicht viel. Kaum steht der Ferienflieger, wird er an ein Stromaggregat angeschlossen, die Triebwerke fahren runter.

11.13 Uhr Eine Minute nach der Landung steht der Bus für die Fluggäste bereit.

11.14 Uhr Ein Catering-Fahrzeug hat im vorderen Bereich angedockt, um die leeren Essensboxen mitnzunehmen und volle zu einzuladen. Die drei Flugzeug-Abfertiger beginnen, das Gepäck auszuladen. Die Fluggäste steigen aus.

11.15 Uhr Onur Temiz steht an der Tragfläche und schraubt einen oberarmdicken Schlauch an den Tankstutzen. Der 32-jährige Vater einer vier Monate alten Tochter betankt jeden Flügel mit 3,9 Tonnen Kerosin – pro Minute fließen 700 Liter in die Tanks.

11.15 Uhr Fünf Meter entfernt wuchtet Chef-Abfertiger Kadim Altuntas mit zwei Kollegen die Koffer der angekommenen Fluggäste vom Fließband in Mini-Waggons. Altunas ist ein ziemlicher Schrank. Wenn er Koffer wuchtet, sieht es aus, als seien es Aktenordner. Zehn Minuten später werden die Koffer von Sharon, Dana und Co. eingeladen. Als er vor dem Abflug die Warn-Pylonen aufklaubt, wirft Altuntas die Hartgummimarkierungen durch die Luft wie ein Jongleur.

11.19 Uhr Bevor seine Gäste kommen, macht der bilderbuchvollbärtige Kapitän Alexander Tschejka seinen obligatorischen Rundgang ums Flugzeug. Er kontrolliert die Reifen und vergewissert sich, dass der Flieger nirgendwo beschädigt ist. Flugbegleiterin Alexandra Wache trägt ein bisschen Rouge auf.

11.25 Uhr Markus Schiffer hält mit einem Fahrzeug, das aussieht wie die Kreuzung eines Lkw mit einem Rennwagen, vor der Flugzeugschnauze. Er öffnet eine Klappe unter dem Cockpit und sperrt mit einem Metallpin das Steuer. „Damit wird verhindert, dass die Elektronik beschädigt wird, falls der Kapitän während der Standzeit eine falsche Bewegung machen“, sagt Schiffer, dessen Aufgabe als „Single-Pusher“ ist, mit dem Tower und dem Piloten den Start abzusprechen und das Flugzeug auf die Startbahn zu ziehen.

11.35 Uhr Die Frisuren der Malle-Diven sitzen. Sharon, Dana, Bierkönig-Fan René und das Ehepaar Engeländer winken, bevor sie im Bauch des Fliegers verschwinden. Flugbegleiterin Alexandra Wache versüßt ihnen die Ankunft mit einem Bonbon.

11.51 Uhr Die Reisenden sind angeschnallt. Wache und eine Kollegin klären über das Verhalten im Notfall auf.

11.53 Uhr Der letzte Koffer ist verstaut. Nach einem Kontrollgang zieht Markus Schiffer den Metallpin und fragt Kapitän Teschjeka, ob er bereit ist. Ja. Der Tower gibt das ok zum Start.

12 Uhr Schiffer zieht den Ferienflieger auf die Startbahn. Zwei Minuten später heben die Malle-Diven, die Engelländers, René und 150 andere Fluggäste ab Richtung Ballermann.