Razzia gegen Täter von NizzaVier Kölner Fußball-Gewalttäter müssen in U-Haft

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Razzia in Köln nach den Fußball-Krawallen von Nizza 

Köln – Die meisten Rollläden in der ruhigen Wohnstraße im Kölner Rechtsrheinischen sind noch heruntergelassen, als zehn Polizisten einer Hundertschaft und von der Kölner Kripo am Mittwochmorgen um sechs Uhr an einem Einfamilienhaus klingeln. Sie wollen zu Jörg Fischer (Name geändert), der hier mit seinen Eltern und seinen Geschwistern wohnt. In der großzügigen Einfahrt steht ein Auto mit einem FC-Aufkleber am Heck. Jörg Fischer soll einer der Männer sein, die an den Ausschreitungen in Nizza beim Conference-League-Auswärtsspiel des 1. FC Köln vor einem Monat beteiligt war. Die Polizisten nehmen ihn mit Haftbefehl fest.

Update: Der 1. FC Köln hat auf die Razzia reagiert und Stadionverbote ausgesprochen.

Die Adresse im Rechtsrheinischen ist eine von 16, an denen die Polizei am Mittwochmorgen vorstellig wird. Andere liegen zum Beispiel in Köln-Bickendorf, aber auch in Hürth, Pulheim und Bergisch Gladbach. Fast 400 Beamtinnen und Beamte sind im Einsatz. Die Ermittler haben Durchsuchungsbeschlüsse und für fünf der 16 Verdächtigen  Haftbefehle dabei. Die Razzia richtet sich gegen mutmaßliche Fußball-Gewalttäter aus dem Umfeld des 1. FC Köln, die an den Randalen von Nizza mit 32 Verletzten beteiligt gewesen sein sollen. Der Vorwurf: schwerer Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft sieht Wiederholungsgefahr.

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Razzia in Köln nach den Fußball-Krawallen von Nizza 

An zwei Adressen muss der Rettungsdienst hinzu gerufen werden, Angehörige haben beim Anblick der Polizisten Schocks erlitten, sie müssen aber nicht ins Krankenhaus, berichtet später Kriminaldirektor Michael Esser. Vier Verdächtige schickt der Haftrichter am Abend in Untersuchungshaft, den fünften verschont er.

Köln: Zeitpunkt der Razzia war bewusst gewählt

Der Zeitpunkt der Razzia war bewusst gewählt: Am Donnerstag empfängt der 1. FC Köln Partizan Belgrad zum nächsten Heimspiel in der Conference League – auch dies ein Risikospiel. Die Polizei erwartet neben gewaltbereiten Kölnern auch ungefähr 1000 Anhänger aus Belgrad, darunter 100 bis 150 „Risikopersonen.“ Mit den Durchsuchungen habe man ein „deutliches und abschreckendes Signal“ setzen wollen, betont Polizeipräsident Falk Schnabel. „Die Täter von Nizza haben nicht nur den Opfern, sondern auch dem 1. FC Köln und dem Ansehen des Fußballs schwere Schäden zugefügt.“ Der 1. FC Köln hatte nach den Ausschreitungen angekündigt, überführten Gewalttätern ein örtliches Stadionverbot erteilen sowie Dauerkarten und die Vereinsmitgliedschaft – falls vorhanden – entziehen zu wollen. Darüber hinaus könnte der DFB den Tätern ein bundesweites Stadionverbot erteilen.

Beim Conference-League-Spiel zwischen OGC Nizza und dem 1. FC Köln am 8. September  gab es Schlägereien und Hetzjagden auf der Tribüne, beteiligt waren gewaltbereite Anhänger beider Clubs sowie mit den Kölnern befreundete Schläger aus Dortmund, Essen und Paris. Zum Sinnbild der Krawalle wurde das Foto eines vermummten Kölner Randalierers mit tätowiertem Oberschenkel, der mit ausgestrecktem Bein nach einem Mann tritt. Auch dieser „Treter“ , sagt Michael Esser, sei zweifellos identifiziert worden. Die Voraussetzungen für einen Haftbefehl hätten  bei ihm aber nicht ausgereicht.

15 der 16 Verdächtigen gehören Ultra-Gruppen an

15 der nun 16 identifizierten Verdächtigen gehören Kölner Ultragruppierungen an, sagte Kriminaldirektor Esser – und zwar der Wilden Horde, der Revolte und dem Domstadt-Sydikat, auch ehemalige Mitglieder der Boyz, die sich vor Jahren aufgelöst haben, seien dabei gewesen. Sehr hilfreich bei den Ermittlungen seien die fast 300 Hinweise von Zeugen und die fast 800 Dateien gewesen, die  Augenzeugen auf einem Hinweisportal der Polizei im Internet hochgeladen hätten. Die 16 Verdächtigen seien erst der Anfang, betont die Polizei. Weitere Namen erhoffen sich die Ermittler aus der Auswertung der sichergestellten Handys.

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Potentielle Beweismittel der Kölner Polizei nach der Razzia.

Mit deutlichen Worten kommentierte Ulf Willuhn die Geschehnisse in Nizza. Er sei nicht mehr bereit, von Chaoten zu sprechen, sagte der Oberstaatsanwalt. „Das ist sinnentleerte Gewalt testosterongesteuerter Schwerkrimineller. Wer so etwas macht, nimmt Tötungen in Kauf – und das für billigen Thrill.“ Willuhn zählte zahlreiche Gewaltexzesse durch Kölner Fußballanhänger seit 2012 auf. Aber es höre nicht auf,   trotz nicht nachlassenden Ermittlungsarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft. Willuhn sprach von einem Déjà-vu. „Wir drehen uns im Kreis.“ Für ihn sei jetzt der Punkt gekommen, an dem er sich wünsche, dass alle – der Verein, die Fans, die Ultras – innehielten und sich fragten: „Wie machen wir jetzt weiter?“

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Innenminister Reul dankt Augenzeugen, die Videos hochluden

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte, die Bilder von Nizza seien „entsetzlich" gewesen und hätten international für Bestürzung gesorgt. „Mit Fußball oder Fan-Kultur hat das nichts zu tun." Reul dankte den Ermittlern und am Einsatz beteiligten Beamten sowie „zahlreichen Zeugen, die das Hinweisportal der Polizei sehr intensiv genutzt haben."

Die Uefa hat den 1. FC Köln wegen der Ausschreitungen zu einer Geldstrafe von 100.000 Euro verurteilt, außerdem dürfen in den kommenden beiden Auswärtsspielen des FC in der Conference-League keine Tickets an FC-Fans verkauft werden.

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