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Interview

Rektor der Uni Köln über den Sparzwang
„Ganze Fächer zu streichen, wollen wir vermeiden“

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8 min
16.10.2025, Köln: Interview mit dem Rektor der Universität Köln Prof. Dr. Joybrato Mukherjee.

Foto: Michael Bause

Interview mit dem Rektor der Universität Köln Prof. Dr. Joybrato Mukherjee

Zwei Jahre nach Amtsantritt sprechen wir mit dem Rektor der Uni Köln über die Attraktivität und die Probleme Kölns, über den Sparzwang und über den Nahost-Konflikt.

Herr Mukherjee, Sie sind jetzt zwei Jahre Rektor der Universität zu Köln. Bei Ihrem Antritts-Interview sagten Sie: „Ich muss erstmal alles kennenlernen.“ Was haben Sie vorgefunden, das Sie besonders freut?

Mukherjee: Ich bin beeindruckt von der Forschungsstärke der Universität – das gilt für die großen Fachbereiche wie auch die sogenannten kleinen Fächer. Ich bin angetan davon, dass unsere starke Medizin nah bei der Universität ist – nicht nur geographisch, sondern auch von der inneren Haltung her. Es gibt viele Dinge, über die ich mich sehr gefreut habe, als ich sie entdecken durfte. Da ist auch die große Attraktivität der Stadt, wie man am Zuspruch der Studierenden merkt. Und da sind unsere beeindruckenden Start-Up-Aktivitäten. Schließlich die Lehrerbildung: 11.000 unserer Studierenden wollen Lehrerinnen und Lehrer werden. Da zeigt sich einmal mehr: An dieser Universität sind all unsere Missionen gleichermaßen wichtig.

Sicherlich sind Sie auch stolz auf die jüngst zugelassenen fünf Exzellenzcluster, herausragende Forschungsprojekte der Uni Köln, die ab 2026 Förderungen in Millionenhöhe erhalten. Wer hat denn von der Stadt als erster gratuliert?

Wir haben eine schriftliche Gratulation von Herrn Andree Haack, Beigeordneter der Stadt Köln, erhalten.

Keine Gratulation der Oberbürgermeisterin?

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir direkt miteinander über diese Erfolge gesprochen hätten. Aber ich bin davon überzeugt, dass sie sie wahrgenommen hat.

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16.10.2025, Köln: Interview mit dem Rektor der Universität Köln Prof. Dr. Joybrato Mukherjee.

Foto: Michael Bause

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat den Uni-Rektor Joybrato Mukherjee zum Gespräch in seinem Büro getroffen.

So profitiert Köln von der Universität

Vermissen Sie eine stärkere Anerkennung und Wertschätzung durch die Stadt? Gerade auch im Vergleich zur Uni Gießen, wo Sie vorher Präsident waren?

Mir wird jeder nachsehen, dass ich auch meiner alten Universität bei der Exzellenz-Entscheidung die Daumen drückte. Ich kann mich nun also über acht Cluster freuen: fünf in Köln, drei in Gießen. In Gießen war es in der Tat so, dass der Oberbürgermeister bei der Uni-Präsidentin im Büro mitgefiebert hat. Gießen ist aber offiziell eine Universitätsstadt, so steht es auf jedem Ortseingangsschild – kleiner als Köln und mit einer im Vergleich dazu sehr großen Universität. In Köln haben wir viele große Einrichtungen, und die Universität ist ein Akteur von vielen. Ich kann verstehen, dass die Stadtspitze nicht bei allen für jede Einrichtung wichtigen Ereignissen höchstpersönlich dabei sein kann. Das ist vielleicht der Preis, den man als eine Uni zahlen muss, wenn man in einer Metropole ist.

Die Uni ist der größte Magnet, der Jahr für Jahr neue Bürgerinnen und Bürger in einem jungen Alter in die Stadt bringt. Wenn wir die Dinge richtig machen, sind viele von ihnen Kölner Bürger auf Dauer, zukünftige Unternehmer und Steuerzahler
Joybrato Mukherjee, Rektor der Universität zu Köln

Wie profitiert diese Metropole von der Uni Köln?

Aktuell sind bei uns 5250 Erstsemester eingeschrieben. Die Uni ist der größte Magnet, der Jahr für Jahr neue Bürgerinnen und Bürger in einem jungen Alter in die Stadt bringt. Wenn wir die Dinge richtig machen, sind viele von ihnen Kölner Bürger auf Dauer, zukünftige Unternehmer und Steuerzahler. Die Uni ist also sehr bedeutsam für die Stadt. Umgekehrt aber genauso: Köln als Stadt ist ein Pfund, mit dem wir als Universität wuchern können – ob wir Forschende für uns begeistern wollen oder Studierende. Es ist eine weltoffene, ja „supertolerante“ Stadt, mit einem besonderen Menschenschlag. Das ist kein Klischee. Die Erstsemester freuen sich jetzt schon auf den 11.11, wenn der Karneval beginnt.

Haben Sie selbst zum kölschen Brauchtum gefunden?

Ich bin in Düren geboren und aufgewachsen und war schon als Jugendlicher regelmäßig in Köln, ein Teil meiner Familie lebt seit Jahrzehnten hier. Ich fühle mich dem Rheinland sehr verbunden, auch dem Karneval. Traditionell gibt es an der Uni Köln enge Beziehungen zu den Altstädtern. Mein Vorgänger war Mitglied ehrenhalber, und ich bin nun bei den Altstädtern als aktives Mitglied. Ich fühle mich sehr willkommen, Köln ist wirklich toll – trotz aller Optimierungsmöglichkeiten …

Was gilt es, in und an der Stadt zu verbessern?

Na ja, Dinge, die man tagtäglich in der Zeitung liest, und die ich als Bürger der Stadt seit zwei Jahren beobachten kann. Zum Beispiel das Thema Wohnraum: Das betrifft nicht nur Studierende, sondern alle, auch Professorinnen und Professoren. Sie haben ebenfalls Schwierigkeiten, eine Wohnung oder ein Häuschen zu finden. Für Studierende wird es immer schwerer: Manche müssen nach Wuppertal oder Düren ziehen und dann pendeln. Wohnen ist das Megathema unserer Tage, wenn auch kein rein Köln-spezifisches. Es ist die neue soziale Frage.

Uni-Rektor sieht Optimierungsbedarf beim Nahverkehr und beim Wohnen in Köln

Wo sehen Sie noch Optimierungsbedarf?

Neben dem Wohnen ist das der öffentliche Personennahverkehr, seine Verlässlichkeit, die Taktung, und wie überhaupt die unterschiedlichen Verkehrsträger in Köln gestaltet werden. Dann das Thema Sicherheit im öffentlichen Raum, die Verwahrlosung, auch hier in der unmittelbaren Nachbarschaft. Der designierte Oberbürgermeister hat dies ja auch als drängendes Thema herausgestellt.

Gibt es hier von Seiten der Uni Lösungsansätze?

Nun, wir haben viele Expertinnen und Experten an der Universität. Wenn wir etwa über Verwahrlosung im öffentlichen Raum sprechen, dann hat man es zum Teil auch mit Gewalttätigkeit zu tun, auch mit Jugendgewalt. Zu diesem Thema forscht etwa der Kollege Clemens Kroneberg aus der Soziologie. Das finde ich sehr spannend, weil es ihm gerade um die Frage geht, wo und wie Gewalt eigentlich entsteht. Unsere Aufgabe als Universität ist es nicht, die Taskforce für das verwahrloste Stadtbild zu sein, aber wir können empirisch fundierte Analysen zu Themen erarbeiten, die die Gesellschaft umtreiben.

Die Uni Köln muss pro Jahr zehn Millionen Euro sparen. Bis Ende des Jahres sollen die Fakultäten ihre Sparpläne vorlegen. Wieviel Einfluss haben Sie als Rektor?

Die Uni ist weder ein System, in dem die Fakultäten tun können, was sie wollen, noch eines, wo der Rektor top-down sagt, wie es zu laufen hat. Die Fakultäten wissen allerdings: Wenn sie an grundsätzliche Dinge herangehen würden – also, wenn zum Beispiel ganze Fächer zur Disposition gestellt würden – müssten wir frühzeitig miteinander ins Gespräch kommen. Das tun wir.

Was bedeutet das für den Master „Political Science“, dessen Studierende unverhältnismäßige Einschnitte befürchten und sogar dessen Streichung?

Die Überlegungen der Fakultät sind hierzu noch nicht abgeschlossen, und das Rektorat hat sich dazu noch nicht abschließend geäußert. Aber ich will eine Sache klarstellen, weil es da möglicherweise ein Missverständnis gibt. Es geht nicht darum, die Politikwissenschaft einzustellen. Es geht, wenn überhaupt, darum, Studiengänge zu verändern, auch gegebenenfalls zu fokussieren. Ganze Fächer zu streichen wollen wir vermeiden.

Sparzwang an der Uni Köln: „10 Millionen Euro tun uns sehr weh“

Ein Blick in den NRW-Haushalt zeigt: Die Landesmittel für Hochschulen steigen. Trotzdem sprechen alle von Kürzungen und Sparzwängen. Wie passt das zusammen?

Ja, es gibt einen nominellen Aufwuchs an Mitteln. Diese reichen aber nicht für das, was das Land uns im Hochschulfinanzierungsvertrag zugesichert hat: nämlich die Personalkostensteigerungen auszugleichen. Jeder weiß: wenn die Personalkosten wegen des Tarifvertrags steigen und ich nicht die entsprechenden Mittel bekomme, muss ich einsparen. Wie das anders gehen soll, müsste man mir andernfalls erklären. Die universitäre Personalstruktur ist sehr stark auf Kontinuität angelegt, deswegen tun uns die 10 Millionen sehr weh.

In Köln gibt es Gruppen, die sich mit guten Gründen sehr solidarisch mit Israel äußern. Es gibt auch Gruppen, die auch mit guten Gründen auf die Auswirkungen der israelischen Entscheidungen auf den Gazastreifen aufmerksam machen
Joybrato Mukherjee, Rektor der Universität zu Köln

Es sind auch geopolitische Krisen, wie der Israel-Gaza-Krieg, die Ihre ersten zwei Jahre in Köln mit prägten. Es gab propalästinensische Proteste auf dem Campus, aber anders als in Berlin wurde kein Vorlesungssaal zerlegt. Warum war es in Köln so gemäßigt?

Ja, es gab Demonstrationen – und das ist auch gut so. Versammlungsfreiheit, auf dem Boden der Verfassung wahrgenommen, ist ein Grundrecht. Man hat zum Beispiel auf dem Albertus-Magnus-Platz jederzeit die Möglichkeit, zu demonstrieren. Darauf sind wir stolz. In Köln gibt es Gruppen, die sich mit guten Gründen sehr solidarisch mit Israel äußern. Und es gibt Gruppen, die ebenfalls mit guten Gründen auf die gravierenden Folgen israelischer Regierungsentscheidungen im Gazastreifen aufmerksam machen. Wir haben in der Universität eine sehr gut ausgeprägte Diskussionskultur und vor allem verantwortungsvolle Studierende, die ich hier in den Fokus rücken will, denn sie sind unsere größte Mitgliedergruppe. Wir alle sind uns einig: Israel muss in seiner Existenz gesichert werden. Und wir empfinden Empathie für die Zivilbevölkerungen in Israel und den anliegenden Regionen, auch im Gazastreifen – und wir bringen diese zum Ausdruck.

Was die Uni Köln im Rahmen des Friedensplans für Israel und Gaza tun kann

Dass die Uni Köln an der Seite Israels steht, hat sie nach dem brutalen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 umgehend in einem Statement klargestellt. Was kann sie nun im Rahmen des Friedensplans tun?

Wenn der Friedensplan der US-Regierung greifen sollte, werden wir uns darüber austauschen, was der Beitrag einer Universität zu Köln sein kann, um die Beziehung zu den Einrichtungen in Israel zu intensivieren sowie in den palästinensischen Autonomiegebieten wissenschaftliche Aufbau- und Ausbauhilfe zu leisten. Grundsätzlich gilt: Wir stehen in unverbrüchlicher Solidarität mit dem Staat und der Gesellschaft Israels. Das heißt nicht, dass jede Entscheidung der aktuellen Regierung gutgeheißen werden muss. Kritik an Regierungsentscheidungen ist selbstverständlich möglich. Diese wird auch geäußert.

Wie sehen Sie die Situation der US-amerikanischen Hochschulen unter Trump?

Sehr herausfordernd. Unsere Aufgabe ist es, unseren Partnerhochschulen und -einrichtungen in den USA institutionell beizustehen. Wir müssen gerade jetzt die Beziehungen ausbauen. Auf der anderen Seite gibt es viele Forscherinnen und Forscher, die sehr genau darüber nachdenken, ob sie in den USA ihre Karriere fortsetzen wollen. Viele Top-Talente draußen in der Welt wären unter normalen Bedingungen mit ihrem nächsten Karriereschritt in die USA gegangen. Denen müssen wir Optionen bei uns bieten.

Sieht die Uni Köln hier auch eine Chance, verstärkt US-Forscher zu gewinnen?

Das tun wir. Gerade in der in der vorletzten Woche haben wir einen Antrag auf eine Spitzenforschungsförderung für eine Kollegin aus den USA gestellt. Und vor zwei Tagen saß ein Kollege aus den USA bei mir, der sich gerade bei uns umschaut. In seinem Forschungsbereich, im weitesten Sinne in der Klimaforschung, wird es in den USA zunehmend mit der Förderung schwierig. Und wir haben hier bei uns einen starken Bereich in den Erdsystemwissenschaften.

Klinikverbund in Köln? Uni-Rektor Mukherjee plädiert für Entscheidung

Über die herausragende Medizin in Köln sprachen Sie eingangs. Wie ist der Stand beim möglichen Kölner Klinikverbund, einer Art „Charité des Westens“? Die städtischen Kliniken und die Uniklinik wollen sich zusammenschließen, die Landesregierung NRW gibt aber noch kein grünes Licht...

Die Haltung der Universität zu dem Thema ist klar, und sie deckt sich ganz mit der Haltung der Universitätsklinik, deren stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender ich bin: Wir wollen die Chance gerne nutzen, die sich hier bietet. Für eine Zusammenführung gibt es viele gute Gründe, die auf der Seite der Forschung sowie der Krankenversorgung liegen. Der Verbund böte auch die Möglichkeit, das Ziel des Koalitionsvertrages zu erreichen, in NRW die Studierendenzahlen in der Medizin auszubauen. Wir sehen, dass sich andere bereits auf den Weg machen und ihre medizinischen Kräfte bündeln: Die Kliniken in Heidelberg und Mannheim fusionieren zum Beispiel. Das sollte uns zu denken geben. Wenn wir hier im Westen des Landes mithalten wollen im Scale-up, dann ist jetzt ein guter Zeitpunkt für eine Entscheidung.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Dass der Frieden in Mitteleuropa erhalten bleibt.


Zur Person: Joybrato Mukherjee, Jahrgang 1973, wurde als Sohn indischer Einwanderer in Düren geboren. Er war 14 Jahre lang Präsident der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU). Seit 2020 ist er zudem ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Mukherjee ist vollausgebildeter Lehrer für die Sekundarstufen I und II. Sein Studium der Anglistik, Biologie und Erziehungswissenschaft schloss er 1997 an der RWTH Aachen ab. Im Jahr 2000 wurde er an der Universität Bonn promoviert; hier erfolgte 2003 auch die Habilitation. Im selben Jahr wurde er auf die Professur für Englische Sprachwissenschaft an die JLU Gießen berufen. (gam)