Überstunden-AffärePrüfer vermuten regelwidrige Bezahlung in vielen Kölner Ämtern

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Das Rechnungsprüfungsamt sitzt im Stadthaus in Deutz.

Das Rechnungsprüfungsamt sitzt im Stadthaus in Deutz.

  • Bei der Kölner Stadtverwaltung sind zunächst wenige Fälle bekannt geworden, in denen Überstunden wohl unrechtmäßig vergütet wurden.
  • Ein interner Prüfbericht lässt darauf schließen, dass das Ausmaß wohl deutlich größer ist.
  • Die Prüfer vermuten, dass diese regelwidrige Auszahlung nicht nur in den geprüften Einzelfällen, sondern auch in nahezu sämtlichen Dienststellen der Stadtverwaltung erfolgt.
  • In einem Schreiben hat OB Henriette Reker alle Mitarbeiter der Stadtverwaltung adressiert. Alle Hintergründe.

Köln – In der Stadtverwaltung sind möglicherweise weitaus mehr Überstunden entgegen der Vorschriften vergütet worden als bisher bekannt. Das ergibt sich aus einem vertraulichen Bericht des Rechnungsprüfungsamtes, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Darin heißt es: „Die Erkenntnisse, die bei der stichprobenhaften Prüfung der Vergütung von Mehrarbeit gewonnen wurden, haben gezeigt, dass das Auszahlungsverfahren in den betroffenen Dezernatsbüros regelwidrig durchgeführt wurde. Es steht zu vermuten, dass diese regelwidrige Auszahlung nicht nur in den geprüften Einzelfällen, sondern auch in nahezu sämtlichen Dienststellen der Stadtverwaltung erfolgt.“

Grundlage für Vergütung von Überstunden bei Stadt Köln fehlt häufig

Es sei „nirgendwo ersichtlich, auf welcher Grundlage die Vergütungsfähigkeit der gemeldeten Stunden durch die Dienststelle rechtssicher festgestellt wurde.“ Das Rechnungsprüfungsamt rügt in dem Zusammenhang „erhebliche personalrechtliche Defizite“. Lücken im SAP-System sowie „der Verzicht auf den Nachweis der Mehrarbeit über eine separate Aufzeichnung der angeordneten Stunden“ ermöglichen laut dem Kontrollamt „dass Auszahlungen für angebliche Mehrarbeit erfolgten, die tatsächlich nie abgeleistet wurde“.

Eine weitere Kritik: „Es erfolgten regelwidrige Auszahlungen für Gleitzeit-Guthaben mit Zustimmung der Vorgesetzten.“ Aufgrund dieser Erkenntnisse hatte das Rechnungsprüfungsamt wie berichtet die Staatsanwaltschaft um eine strafrechtliche Bewertung gebeten. Das Landeskriminalamt (LKA) ist – wie in solchen Fällen üblich – ebenso eingeschaltet wie die Antikorruptionsbeauftragte der Stadt.

Alles zum Thema Henriette Reker

OB Henriette Reker adressiert alle Mitarbeiter der Verwaltung

Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat sich indes im Zusammenhang mit dem möglichen Überstunden-Betrug mehrerer städtischer Beamter in einem Schreiben an alle Beschäftigte der Verwaltung gewandt. „Der Umgang mit Überstunden und Mehrarbeit ist derzeit ein Thema, das sowohl innerhalb als auch außerhalb der Stadtverwaltung in aller Munde ist“, heißt es in dem Schreiben, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Reker verweist ebenfalls auf den internen Untersuchungsbericht des Rechnungsprüfungsamtes, den der zuständige Ausschuss des Stadtrates am 8. September beraten werde. 

Einzelheiten erfährt die Belegschaft allerdings von der OB nicht. „Der Prüfbericht ist nicht-öffentlich, weshalb ich Ihnen die Inhalte und die umfängliche Stellungnahme der Verwaltung nicht kommunizieren kann“, teilt Reker den mehr als 19 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung mit.

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In den städtischen Ämtern würden auch weiterhin Überstunden und Mehrarbeit anfallen. „Diese sind ja nichts Schlechtes oder gar Verbotenes, wie dies in der Presseberichterstattung manchmal anmutet“, so Reker. Ohne den Einsatz der Beschäftigten „über das Normalmaß hinaus, würde unsere Verwaltung an vielen Stellen nicht funktionieren“.

Pauschal abgerechnete Überstunden nicht im Zusammenhang mit Corona-Diensten

Reker geht in ihrem Schreiben ausführlich auf die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie geleisteten Überstunden in der Verwaltung ein. Die stehen jedoch in keinerlei Zusammenhang mit den in dem Prüfbericht kritisierten Vorgängen. Vielmehr geht es um von Beamten pauschal abgerechnete Überstunden ohne vorherige Anordnung seitens deren Vorgesetzten. Das ist nach Auffassung des Rechnungsprüfungsamt nicht zulässig. Zwei Beamte aus dem Kulturamt sollen über einen längeren Zeitraum hunderte Stunden abgerechnet haben, ohne diese geleistet zu haben. Die Staatsanwaltschaft prüft den Anfangsverdacht einer Straftat.

„Der Bericht des Rechnungsprüfungsamtes bezieht sich nur auf die Vergütung von Mehrarbeit bei Beamtinnen und Beamten“, ist in Rekers Schreiben zu lesen. Sie habe die Dezernentinnen und Dezernenten als Mitglieder des Verwaltungsvorstandes „informiert und im Hinblick auf einen rechtskonformen Umgang sensibilisiert“. Um „klare Rahmenbedingungen“ zu schaffen, habe die Stadtspitze entschieden, „eine Arbeitsgruppe unter Einbindung des Rechnungsprüfungsamtes ins Leben zu rufen“.

Ratspolitiker fordern schnelle Aufklärung der Affäre

Ratspolitiker verschiedener Parteien verlangen eine schnelle Aufklärung der Angelegenheit. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Christian Joisten forderte, die Verwaltung müsse „jetzt schonungslos offen legen, ob es sich um Einzelfälle handelt oder ob ein System dahintersteht“. Grünen-Fraktionsvorsitzende Brigitta von Bülow sagte, wenn unrechtmäßig gehandelt worden sei, gebe es dafür „keine Entschuldigung, sondern müssen Konsequenzen gezogen werden“.

CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau forderte eine „lückenlose Aufklärung“ der beiden „Altfälle“ aus dem Kulturamt. Bezahlung ohne Gegenleistung dürfe es nicht geben. Oberbürgermeisterin Henriette Reker betonte, sie sei „froh, dass in meiner Amtszeit solche unklaren Verhältnisse einmal auf den Prüfstand gestellt werden“. Und Andreas Kossiski, OB-Kandidat der SPD, wunderte sich über den Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Vorgänge. „Unter meiner Verantwortung wird es so was nicht geben.“

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