Dauerhafte Lösung gesuchtGedenkstätte in Köln für den Völkermord in Armenien – Gibt es jetzt eine Sondernutzung?

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Einweihung des Denkmals für den Genozid an der armenischen Bevölkerung am 15. April 2018 - im Hintergrund der Kölner Dom.

Seit 2018 stellt eine Initiative eine Gedenkstele zur Erinnerung an den Genozid immer wieder ungenehmigt an der Hohenzollernbrücke auf.

Deutschland ist an dem Verbrechen mitverantwortlich. In Köln soll dafür nun eine Gedenkstelle gefunden werden. 

In einer Sondersitzung hat die Bezirksvertretung (BV) Innenstadt am Donnerstag einstimmig beschlossen, dass an zentraler Stelle der Stadt des Völkermords an den Armeniern gedacht und an die Mitverantwortung Deutschlands erinnert werden soll. Die Verwaltung wird gebeten, analog zur Findungskommission für das NSU-Denkmal an der Keupstraße ein Gremium einzusetzen mit dem Ziel, eine „zeitgemäße, angemessene Form des Erinnerns“ an den Genozid einzusetzen, der während des Ersten Weltkriegs im Osmanischen Reich mit Beteiligung des deutschen Kaiserreichs geschah.

Dauerhafte Lösung für Stele soll gefunden werden

Die Debatte um das Reiterdenkmal von Kaiser Wilhelm II., das zwischen Heinrich-Böll-Platz und Hohenzollernbrücke steht, solle einbezogen werden. Nicht nur damit unterstützt die BV das Anliegen der Initiative „Völkermord erinnern“. Diese hat seit 2018 immer um den 24. April herum, dem Gedenktag zu Erinnerung an den Genozid, in der Nähe des Reiterstandbilds die Stele „Dieser Schmerz trifft uns alle“ aufgestellt, die dort so lange blieb, bis die Stadt sie wieder abräumte.

Die BV bittet die Initiative und die Verwaltung, eine „sichere Form“ für die Aufstellung der Stele zu finden, etwa im Wege einer Sondernutzung. Damit weichen die Politiker vom ursprünglichen Antrag ab, in dem es hieß, man begrüße eine „zeitlich begrenzte, jährlich wiederkehrende Aufstellung für den Zeitraum von 14 Tagen“, bis der „Dialog- und Findungsprozess“ abgeschlossen sei.

Großer Austausch in gut besuchter Bezirksvertretung

Diese und andere Änderungen des Texts sind Frucht der Aussprache im voll besetzten Ratssaal; so viele Gäste hatte die BV wohl noch nie. Albrecht Kieser von „Völkermord erinnern“ wandte sich gegen das im ersten Antragstext formulierte Ansinnen, die Verwaltung solle „einen Dialog- und Findungsprozess konzeptionieren“, denn schon seit langem gebe es Gespräche und Veranstaltungen zu dem Thema: „Das muss man nicht neu erfinden.“ Er schlug vor, binnen zwei Jahren eine Ausschreibung für die Gestaltung eines „Gesamtensembles“ als Erinnerungssstätte auf den Weg zu bringen. Bis zu einer endgültigen Lösung solle die Stele dort stehen, wo sie bisher platziert wurde.

Es ist eine etwa 1,50 Meter hohe, dreiseitige Stahlpyramide, auf deren gekappter Spitze ein gekerbter Granatapfel aus Bronze sitzt und die mit einer Inschrift versehen ist. Wie alle Redner und Rednerinnen betonte Kay von Keitz, Vorsitzender des Kölner Kunstbeirats, die Wichtigkeit des Anliegens. Doch er meldete Zweifel an, ob ein Objekt wie die Stele der angemessene Ausdruck sei.

Hermann Koch vom Kulturdezernat sprach von „hoher Sympathie“ für das Projekt, andererseits gehe es nicht an, die Stele illegal aufzustellen. Die Kulturverwaltung plädiere dafür, eine „temporäre Sondernutzungserlaubnis“ zu erwirken, die so lange gültig sei, „bis eine große Lösung gefunden wird“.

Stele neben Reiterstatue von Wilhelm II.?

Für die Verwaltung sprach auch Bettina Baum, Leiterin des Amts für Integration und Vielfalt. Aus gutem Grund habe die Stadt ein Expertengremium eingerichtet, das sie bei der Aufarbeitung ihrer kolonialen Geschichte berate. Im konkreten Fall habe Oberbürgermeisterin Reker der Mahnmal-Initiative „einen Weg aufgezeigt“: Kontakt zur BV aufzunehmen, um eine „politische Willensbildung zu erreichen“.

Architekt Peter Busmann, der mit Godfrid Haberer die Philharmonie und das Museum Ludwig entworfen hat, sagte, ihn habe 2018 spontan überzeugt, dass die Stele in der Nähe der Reiterstatue aufgestellt und damit Kaiser Wilhelm II. als „Verbrecher“ ins Bewusstsein gerückt worden sei. Henning Borggräfe, Direktor des NS-Dokumentationszentrums, gab zu bedenken, man solle sich nicht in einer Art auf Wilhelm II. „fokussieren“, als hätte er auf deutscher Seite alle Schuld an den Verbrechen. Allerdings sollte es am Standbild eine Infotafel geben.

Ilias Uyar, der „Völkermord erinnern“ mitinitiiert hat, dankte der BV, dass sie dieses Forum des Austauschs bot. Er sprach sich ebenfalls dagegen aus, die Stele nur 14 Tage stehenzulassen. Dies sei dem Anliegen und der Stadt nicht würdig. Bezirksbürgermeister Andreas Hupke resümierte: „Wir brauchen einen Konsens der Stadtgesellschaft, der so breit wie möglich ist.“

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