Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, steht auf der Fregatte «Nordrhein-Westfalen».
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Pünktlich zum CDU-Kampf um die Kanzlerkandidatur ist eine kritische Biografie zu Armin Laschet erschienen.
Man erfährt viel Sympatisches über den NRW-Ministerpräsidenten, aber für Höheres empfehlen ihn die Autoren eher nicht.
Bleibt die entscheidende Frage: Besteht Laschets größte Stärke vielleicht gerade darin, von allen unterschätzt zu werden?
Köln – Kann Armin Laschet Kanzler? Wer daran zweifelt, findet in der neuen Biografie über den CDU- Politiker (Klartext-Verlag, 384 Seiten, 25 Euro) viele Argumente: „Laschet spricht, wenn er schweigen sollte. Er tobt, wenn er ruhig bleiben sollte. Er lässt sich ablenken, wenn er fokussiert sein sollte.“ In der Corona-Krise führe Laschet vor, wie „bei ihm aus richtigen Einfällen zuweilen falsche Entscheidungen werden und aus guten Ideen schlechtes Handwerk“. So lautet die Einschätzung der Journalisten Tobias Blasius (Funke Mediengruppe) und Moritz Küpper (Deutschlandfunk). Sie haben Laschets politische Karriere seit Jahren aus der Nähe mitverfolgt. Trotz des harten Urteils kommt im Grundton des Buchs aber durchaus Wertschätzung für den Rheinländer zum Ausdruck, der als menschlich und integer beschrieben wird.
Ein netter Kerl, aber wohl zu nett für Berlin
Der Titel „Der Machtmenschliche“ soll die Ambivalenz von Laschet zum Ausdruck bringen. Das Titelfoto, das bei einem Fotoshooting für die Süddeutsche Zeitung entstanden ist, zeigt ihn mit verschränkten Armen. Aber die Wirkung der entschlossenen Pose wird durch sein verschmitztes Lächeln aufgehoben. Während CSU-Chef Markus Söder jedes öffentliche Wort und jede Geste einem höheren Ziel unterordnen würde, leiste Laschet sich „verlässlich Momente unprofessioneller Emotionalität und sprunghafter Spontanität“, schreiben die Autoren. „Gesten ultimativer Entschlossenheit sind ihm fremd.“
Buchcover der Laschet-Biografie
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Die Journalisten hatten geplant, dass ihr Werk nach den für April vorgesehenen Wahlen um den CDU-Bundesvorsitz erscheinen sollte. Die Verschiebung des Parteitags wegen der Corona-Krise wurde zur glücklichen Fügung für die Autoren. Vor der Abstimmung im Dezember interessieren sich jetzt besonders viele Menschen für die Person von Armin Laschet. Die Leser erhalten ein authentisches Bild.
Die Autoren sprachen mit Laschets Brüdern und Jugendfreunden über die politische Sozialisation in Aachen. Auch Weggefährten, ehemalige Mitarbeiter und Parlamentskollegen schilderten ihre Wahrnehmung. Insgesamt führten Blasius und Küpper 60 Interviews. Dabei entstand ein facettenreiches Bild mit vielen Details, die zum Teil überraschend sind und tief blicken lassen.
So ist zu erfahren, dass Laschets Bruder Patrick den Nachweis erbracht haben will, die Familie stamme in direkter Linie von Karl dem Großen ab. Unbekannt war bislang auch, dass der Mann, der heute nach CDU-Bundesvorsitz und Kanzleramt greift, als junger Mann dazu genötigt werden musste, in die CDU einzutreten. Und man erfährt viel über Privates und Zwischenmenschliches. Zum Beispiel, dass der rheinische Katholik, der nach dem Urteil der Autoren „eher ein Mann für das Weihrauchfass“ sei, überraschend zu einem engen Mitarbeiter hielt, als der wegen einer neuen Liebe seine Familie verließ. Laschet halte seinen Vertrauten die Treue, auch wenn es für ihn ungemütlich werde, schreiben die Autoren.
Aus Laschet kann man drei Rheinländer machen
Immer wieder aber berichten sie über handwerkliche Mängel im Arbeitsstil. Laschet sei dem Vorwurf ausgesetzt, ein politischer Verpackungskünstler zu sein, „dem Hochglanzfotos wichtiger sind als die Gebrauchsanweisung“. „Der Chaotische“ ist die Überschrift eines Kapitels. Als Beispiel für die Leichtfüßigkeit Laschets dient die „Klausurenaffäre“. Als Lehrbeauftragter der RWTH Aachen verbummelte der CDU-Politiker 2015 Klausuren von Studenten, benotete sie aber trotzdem. Aus Laschet könne man „drei Rheinländer“ machen, wird ein Mitarbeiter zitiert.
Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer von den Grünen hat das Kanzleramt einmal mit einem Achttausender verglichen. In dieser Todeszone sei die Luft extrem dünn. Weil jeder Fehltritt bestraft werde, könnten dort nur die mutigsten Extrembergsteiger überleben. Hat Laschet diese unerbittliche Härte? Er habe in seiner Karriere jedenfalls häufiger vor dem Aus als vor dem Gipfelkreuz gestanden, geben die Autoren zu bedenken. Auf seinem Weg nach oben hätten Zufälle und die Niederlagen anderer eine große Rolle gespielt. Laschet sei ein Mann „der zweiten Chance“. Zunächst hatte er 2010 gegen Norbert Röttgen die Wahl um den Landesvorsitz verloren. Fraktionschef im Landtag – und später Spitzenkandidat der NRW-CDU – konnte er nur werden, nachdem sein Konkurrent Karl-Josef Laumann, der heutige Gesundheitsminister, 2013 als Patientenbeauftragter nach Berlin abberufen worden war.
Die Antwort auf die Frage, ob Laschet Kanzler werden kann, überlassen die Autoren am Ende dem Leser. Sie führen aber auch positive Argumente ins Feld. „In Zeiten permanenter Erregung, weltweiter Konfrontation und zunehmender Unübersichtlichkeit könnte die Stunde eines Anti-Polarisierers schlagen.“
In ihm würden sich die Leutseligkeit Konrad Adenauers, die Europa-Orientierung Helmut Kohls und der Pragmatismus und die Unverwüstlichkeit Angela Merkels verbinden, schreiben Blasius und Küpper. Humor und Selbstironie seien zwei seiner schärfsten Waffen. Sie wirken zugleich als Schutzpanzer. Auch für den Fall, dass es mit den Kanzlerambitionen nicht klappen sollte.