Im ersten Schwarzbuch der Denkmalpflege kommt Düsseldorf besonders schlecht weg. Wir greifen zwei mahnende Beispiele heraus.
DenkmalschutzWie Düsseldorf sich seiner Kunst und Wahrzeichen entledigt

Die Theodor-Heuss-Brücke in Düsseldorf wird im Schwarzbuch der Denkmalpflege als Negativbeispiel genannt.
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Aus Kölner Sicht ist das erste Schwarzbuch der Denkmalpflege eine entspannte Lektüre – in der Sammlung von Negativbeispielen kommt die Stadt nur am Rande vor. Zwar betonen die Verfasser, dass sie keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, aber eine Dunkelziffer ins Schwarzbuch schreiben wollten sie offenbar auch wieder nicht. Als „verloren“ werden in Köln lediglich die „Giebelhäuschen“ am Alter Markt gemeldet, als „gefährdet“ gilt die Rodenkirchener Brücke.
Anders sieht es rheinaufwärts aus. Aus der Landeshauptstadt Düsseldorf hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mit Sitz in Bonn gleich zwei prominente Beispiele einer aus ihrer Sicht geschichtsvergessenen und kulturfernen Abbruchmentalität ins Schwarzbuch aufgenommen. Der erste Fall betrifft mit der Theodor-Heuss-Brücke ein stadtbildprägendes Bauwerk, das dem Fern- und Stadtverkehr geopfert werden soll. Die 1957 eingeweihte Rheinquerung misst mehr als 1.200 Meter und war die erste Schrägseilbrücke in Deutschland – ein klassisches Kriterium des Denkmalschutzes, der zeittypische Bauwerke bewahren soll. Fritz Leonhardts Brücke erfüllt das Denkmal-Soll sogar über: Es war stilbildend und wurde mit seiner filigranen Linienführung zum Wahrzeichen der Stadt.
Die Stadt Düsseldorf betreibt den Abriss der Theodor-Heuss-Brücke
Trotzdem betreibt die Stadt Düsseldorf den Abriss der Theodor-Heuss-Brücke. Sie ist wie viele alte Brücken den endlosen Strömen des Auto- und Schwerverkehrs nicht mehr gewachsen und muss in den nächsten Jahren wenigstens ertüchtigt werden. Nach Berechnungen der Stadtverwaltung schöbe eine Sanierung das Unvermeidliche allerdings nur kurzfristig auf: 15 Jahre müsste geplant und gebaut werden, spätestens nach weiteren 15 Jahren sei die Brücke dann - bei gleichbleibendem Verkehrsaufkommen - nicht mehr zu retten. „Vor diesem Hintergrund“, heißt es in der Düsseldorfer „Brückencharta“, „kommt eine vollständige Erhaltung der Theodor-Heuss-Brücke durch Sanierung/Verstärkung nur als Überbrückungsmaßnahme bis zur Fertigstellung eines Neubaus infrage.“
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An dieser Stelle melden die Schwarzbuch-Autoren leise Zweifel an, leiten diese allerdings nicht aus konkreten Einwänden, sondern aus allgemeinen Erfahrungen her. „Wir wünschen uns in den Fällen, in denen Verkehrsdenkmale saniert oder neu überdacht werden müssen, das aktive Suchen nach Lösungsmöglichkeiten, die den Erhalt des Denkmals sicherstellen. Allzu häufig wird dies zu schnell ausgeschlossen oder von vornherein ohne nähere Untersuchungen für nicht machbar deklariert.“ Bei der Heuss-Brücke überlebten laut Denkmal-Stiftung vier Ideen die erste Projektphase. Drei davon sehen Abriss und Neubau vor, bei der vierten Idee bleibt das Denkmal als Fußgänger- und Fahrradbrücke stehen, während der Autoverkehr durch einen Tunnel geleitet wird.
Als fußläufiges Verkehrsdenkmal wäre die Theodor-Heuss-Brücke vielleicht etwas überdimensioniert. Die Schwarzbuch-Autoren sehen den in Düsseldorf geführten Denkmal-Streit vor allem als Exempel für eine „Verkehrsinfrastruktur, die nicht ausreichend unterhalten wurde“ und als Herausforderung „nicht nur für den Denkmalschutz“. Mit der Brücke ginge der Stadt eine technologische Meisterleistung und ein Wahrzeichen verloren. „Zusätzlich sprechen nicht selten Aspekte wie Verkehrswende, Umleitung des (Fern- und Schwerlast-)Verkehrs aus Innenstädten und Wohnbereichen, Lärmberuhigung und vieles mehr ebenfalls für den Erhalt der historischen Bauwerke.“ Ähnliche Argumente werden auch gegen den möglichen Abriss der Rodenkirchener Brücke formuliert.
Die Fruhtrunk-Fassade konnte vor dem Schlimmsten gerettet werden
Der zweite Schwarzbuch-Fall betrifft ein Kunstwerk am Bau, das durch das Einschreiten der Denkmalschutzbehörde lediglich vor dem Schlimmsten gerettet werden konnte. Interessant ist er vor allem als Paradebeispiel behördlicher Kulturblindheit, die die Stadt Düsseldorf und die Landesregierung Nordrhein-Westfalen einträchtig vereint. Sie wollten gemeinsam das Audimax auf dem Hochschulcampus Golzheim abreißen lassen und mit diesem die von Günter Fruhtrunk (1923-1982) im Stil seiner abstrakt-geometrischen Gemälde gestaltete Fassade. Zwar lässt sich das aus Tausenden Keramikkacheln bestehende Kunstwerk kaum übersehen – es erstreckt sich über alle vier Seiten des 1969 errichteten Funktionsbaus. Aber offenbar leicht ignorieren: In der 53-seitigen Auslobung für die Neugestaltung des Campus wurde das Audimax genau einmal erwähnt und ansonsten den „abgängigen“ Gebäuden subsumiert; der Name Fruhtrunk fällt überhaupt nicht.
Im November 2022 wurde das Ende der Fruhtrunk-Fassade offiziell beschlossen; der Siegerentwurf für das 48.000 Quadratmeter große Planungsareal sieht an Stelle des Audimax, wie gefordert, eine Freifläche vor. Allerdings warb ein Mitarbeiter des Amts für Denkmalpflege 2024 in der Amtsbroschüre für den Erhalt des Kunstwerks und machte die Kunstwelt auf den drohenden Abriss aufmerksam. Stephan Berg, Kurator einer Fruhtrunk-Retrospektive im Bonner Kunstmuseum, verschaffte dem Anliegen gemeinsam mit weiteren Museumsdirektoren eine breite Öffentlichkeit – und brachte die Bauherren in Erklärungsnot. Offenbar wurde an keiner Stelle des Planungsverfahrens geprüft, ob die Fassade aus rhythmisierten Farbflächen denkmalwürdig sei.
Für die „abgängige“ Fruhtrunk-Fassade kam die aktuelle Wiederentdeckung des Malers, dessen Streifenbilder zu den ikonischen Klassikern der deutschen Nachkriegsmoderne gehören, gerade noch rechtzeitig; im vergangenen Jahr wurde sie unter Denkmalschutz gestellt. Allerdings haben die Bauherren einen scheinbar eleganten Weg gefunden, sich des Bildträgers dennoch zu entledigen: Das Fruhtrunk-Kunstwerk soll demontiert und eingelagert und das Audimax danach abgerissen werden. Die Schwarzbuch-Autoren befürchten, dass „die Ablösung des Mosaiks vom Gebäude höchstwahrscheinlich schon große Schäden am Kunstwerk“ verursachen werde. „Und einmal irgendwo eingelagert, dürfte die wertvolle Kunst dann kaum jemals wieder ans Licht kommen. Denn ein Gebäude, das passgenau für dieses Kunstwerk wäre, ist nicht in Sicht.“
Das erinnert doch wieder an Köln. So ließ der WDR im Jahr 2019 vor der Sanierung seines Kölner Filmhauses ein Relief des Bildhauers Karl Hartung (1908-1967) an der Außenwand entfernen und einkellern – mutmaßlich auf Nimmerwiedersehen.