Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Gerufen, ausgebeutet und verachtetEine Filmreihe zeigt Kölner Migrationsgeschichten

Lesezeit 3 Minuten

Die Filmreihe „Vom Kommen, Gehen und Bleiben“ handelt von Gastarbeit und Migration.

Köln – Irgendwann halten sie es einfach nicht mehr aus; sie werden schlechter bezahlt als der Großteil der Deutschen, sind in der Firma andauernder Diskriminierung ausgesetzt und haben Angst vor dem Jobverlust.

Und da für keines dieser Probleme eine Lösung in Sicht ist, übernehmen sie jetzt das Ruder, verbarrikadieren das Fabrikgelände der Kölner Ford-Niederlassung und treten in den Streik.

Zum ersten Mal haben sie das Gefühl, selbst das Heft in der Hand zu halten – doch sie irren sich gewaltig. Denn der Streik stößt nicht nur bei den meisten deutschen Arbeitern in der Firma auf Gegenwehr, selbst der Betriebsrat und die Gewerkschaft distanzieren sich davon. Nach drei Tagen wird das Gelände von der Polizei geräumt; es kommt zu etlichen Entlassungen und erzwungenen Kündigungen.

Das Thema Migration ist so aktuell wie nie

Dieses erste große Aufbegehren von Gastarbeitern in der BRD, den so genannten „Wilden Streik bei Ford“ im Jahr 1973 zeigt die Dokumentation „Bandstraße – Diese spontane Arbeitsniederung war nicht geplant“. Sie ist nun im Rahmen der Filmreihe „Vom Kommen, Gehen und Bleiben“ zu sehen. Der Veranstalter „Köln im Film e.V.“ will mit dieser und anderen Reihen sowohl das mediale Bild der Stadt erforschen, als auch gesellschaftlich Relevantes im Gespräch halten.

Mit der Betrachtung von Einwanderungsthematiken liegt „Köln im Film“ nah am Puls der Zeit. Nicht nur, was die Flüchtlingskrise betrifft – die etwa in der Kurzdokumentation „Promise“ behandelt wird –, sondern auch in Hinsicht auf die Migranten, die bereits seit vielen Jahrzehnten in der Stadt leben – und deren Kinder.

Schon in der 1961 erschienenen Dokumentation „Der Mensch lebt nicht vom Lohn allein“ wird das komplizierte Verhältnis zwischen Einheimischen und ausländischen Arbeitskräften sehr differenziert dargestellt: Zwar ist die „Vernunftehe“ in beiderseitigem finanziellem Interesse von allen gewünscht, soziale Integration ist in der Bundesrepublik in weiten Teilen allerdings weder politisch noch gesellschaftlich gewollt.

Fremde werden ausgegrenzt

So müssen die Migranten meist in den Mehrbettzimmern heruntergekommener Baracken und ähnlich schlechten Unterbringungen wohnen, der Familiennachzug wird ihnen erschwert und die Bevölkerung grenzt sie aus Angst vor allem Fremdem aus.

Der Fernsehbeitrag „NRW Heute und Morgen – Gastarbeiter“ von 1965 ist dann bereits deutlich von der zunehmend rassistischen und diskriminierenden Sichtweise vieler Deutscher auf die Gastarbeiter geprägt.

Vor allem der von Vorurteilen geprägte Kommentar des Films zeigt, auf wie herabwürdigende Art und Weise ein großer Teil der Bevölkerung damals über die Gastarbeiter dachte – obwohl sie für sie die härtesten und schlechtbezahltesten Arbeiten erledigten.

Das könnte Sie auch interessieren:

Im Fernsehspielfilm „Der Unfall“ von 1968 entlarven Regisseur Peter Beauvais und Autor Dieter Waldmann mit hartem Realismus die sozialen Mechanismen, die aus den Gastarbeitern schnell eine unterdrückte Minderheit machten. Eine fiktionale Ursachenforschung, die auch die späteren Aufstände – wie den bereits erwähnten Streik bei Ford – begreiflicher macht.

Max Frisch hat die Problematik schon 1965 in einen Satz gefasst: „Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kommen Menschen“. Das Zitat bezieht sich auf italienische Gastarbeiter in der Schweiz, doch es passt genauso auf die Situation in Deutschland, als Lehrsatz zum Thema Migration: Wenn ein Staat eine so wichtige Aufgabe wie Integration vernachlässigt, kann ein harmonisches Zusammenleben mit Einwanderern nicht gelingen. „Vom Kommen, Gehen und Bleiben“ erinnert uns daran – und das ist gut so.

Die Filmreihe „Vom Kommen, Gehen und Bleiben“ läuft vom 2. bis zum 20.10.2019 im Cinenova, im Lichtspiele Kalk und im Odeon.