Die Jussen-Brüder in der PhilharmonieFür diese vier Hände werden Stücke maßgeschneidert

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Lucas und Arthur Jussen Pianisten. Sie tragen schwarze Anzüge und sitzen auf zwei Stühlen nebeneinander. Der Hintergrund ist grau.

Lucas und Arthur Jussen Pianisten

Lucas Jussen und sein Bruder Arthur traten in der Kölner Philharmonie auf. Ein vierhändiges Stück hat der Pianist Fazıl Say eigens für das Brüderpaar komponiert. 

Lucas Jussen hat inzwischen die Grenze zur 30 geknackt. Trotzdem gehen er und sein drei Jahre jüngerer Bruder Arthur immer noch als die „jungen Wilden“ der vierhändigen Klavierszene durch. Beim philharmonischen Meisterkonzert ließen sich die Niederländer an der Seite der Amsterdam Sinfonietta mit einem Konzert hören, das ihnen ihr türkischer Kollege Fazıl Say in die Finger komponiert hat. Wie üblich mischt der Komponist in dem dreisätzigen Werk orientale und okzidentale Strukturen. Der gattungstypische Dialog zwischen den Partnern findet kaum statt; stattdessen verbinden sich die beiden Solisten und das Orchester in einem gemeinsamen Klangstrom, der rhythmisch pointiert und oft pathetisch aufgeladen ist.

Jussen-Brüder spielen in der Kölner Philharmonie

Die Jussen-Brüder stiegen in das substanziell eher bescheidene Stück mit viel Lust an stacheligem Groove und theatralischer Gestik ein - besonders effektvoll da, wo der abdämpfende Griff an die Klaviersaiten zu aparten Verfremdungseffekten führte. Das klein besetzte Orchester ging animiert und aufmerksam mit; Candida Thompson, die das Stück vom Konzertmeister-Pult aus leitete, musste kaum etwas tun, um ihre fabelhafte Truppe präzise in der Spur zu halten.

Deutlich stärker gefordert waren die Gestaltungskräfte der beiden Pianisten bei einem späten Sonatensatz von Franz Schubert, der unter dem etwas unglücklichen Titel „Lebensstürme“ überliefert ist. Hier begeisterte nicht nur die makellose Übereinstimmung der beiden selbst in den feinsten Tempo-Stauungen; noch faszinierender war der sorgfältig austarierte Klangaufbau vom Bass bis in den Diskant, der den Eindruck erweckte, als säße da ein Wunderwesen mit vier Armen am Klavier.

Zum Schluss des Konzerts erklingt Bachs Aria aus den „Goldberg-Variationen“

Das Publikum war über diese großartige Darbietung begreiflicherweise aus dem Häuschen; zum Dank für den Beifall legten die beiden noch eine sanft schwebende Bearbeitung von Bachs „Schafe können sicher weiden“ nach. Da schlug sich zugleich ein Bogen zum lammfrommen Eröffnungsstück des Abends, Arvo Pärts in leicht verwischten Molltönen gehaltenem „These Words ...“ für Streicher und Schlagzeug. Am Ende stand das Adagio aus Gustav Mahlers unvollendeter Sinfonie Nr. 10 in einer Streicher-Bearbeitung des niederländischen Komponisten Primo Ish-Hurwitz.

Die originale Klangdisposition wird hier im Wechsel solistischer und chorischer Passagen geschickt nachgebaut; die äußerst tonschöne und durchsichtige Interpretation rückte das Stück in eine frappierende Nähe zu Schönbergs „Verklärte Nacht“. Mit diesen Klängen im Ohr wäre man gerne still aus dem Saal gegangen, stattdessen gab es aber als Zugabe noch Bachs Aria aus den „Goldberg-Variationen“ in einem absonderlichen Arrangement mit finalem Vibraphon-Solo.

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