Maren Kroymann über Feminismus„Das aufgeklärte Frauenbild ist bedroht, das macht mir Sorgen“

Lesezeit 7 Minuten
Maren Kroymann wurde für Werk vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Grimme-Preis.

Maren Kroymann wurde für Werk vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Grimme-Preis.

Nach ihrem Coming-out hatte Maren Kroymann beruflich zu kämpfen. „Es muss wurscht sein, welche Sexualität man hat“, sagt sie im Interview.

Frau Kroymann, die 20. Folge Ihrer Comedy „Kroymann“ ist rein weiblich besetzt. Überwiegt bei Ihnen eigentlich die Freude darüber, dass man sowas heute machen kann, oder der Frust, dass man die großen feministischen Themen immer noch besprechen muss?

Naja, dass man das immer noch erzählen muss, weiß ich ja seit Jahrzehnten. Natürlich überwiegt für mich die Freude, dass ich so etwas Schräges machen darf. Das finde ich super.

Sie nennen sich in der Sendung eine „Anomalie, einen Fehler im System“, weil Sie als ältere Frau im Fernsehen eine eigene Sendung haben. Ihre Karriere hat ja in den vergangenen Jahren tatsächlich Fahrt aufgenommen. Haben Sie eine Erklärung, warum das bei Ihnen so antizyklisch gelaufen ist?

Alles zum Thema ARD

Es gibt eine gesellschaftliche Diskussion, die die Frauenthemen stärker in den Mittelpunkt gerückt hat. Es gibt Pro Quote, es gibt hartnäckige Diskussionen, die Feministinnen geführt haben – über Equal Pay oder Care-Arbeit. Und natürlich hat Metoo viel ausgelöst. Als ich in den 90ern etwas über Missbrauch gemacht habe, hat man gesagt, die Kroymann spinnt, das ist ihr marginales Hobby, sich damit zu beschäftigen. Jetzt ist es ein Erwachsenen-Thema geworden, anerkannt politisch. Das lässt einen anderen Blick auf die Arbeit, die ich mache, entstehen. Es ist wirklich die Frucht langjähriger Arbeit, die hinter mir liegt.

Jetzt gönnen mir alle die viele Preise und die Aufmerksamkeit. Das ist das Schönste. Ich stehe da wie Sterntaler und die Preise fallen in mein Schürzchen.
Maren Kroymann

Sie hatten sich ja lange gar nicht mehr mit Comedy beschäftigt, oder?

Das stimmt. Meine Satire-Sendung war abgesetzt worden und für Comedy war ich nicht gefragt. Ich hatte mich drauf eingestellt, dass meine komödiantische Phase in der ARD vorbei ist. Als die nächste Generation von Comediennes durchstartete – Carolin Kebekus, Martina Hill, Hazel Brugger – fand ich, dass meine alten Sendungen mal wiederholt werden könnten und auch als DVD erhältlich sein sollten. Da konterte zu meiner Überraschung die tolle Redakteurin von Radio Bremen mit dem Vorschlag, eine halbe Stunde Comedy im Ersten zu machen. Ich habe das Gefühl, das ist jetzt die Belohnung. Jetzt wird tatsächlich eine Qualität gesehen in dem, was ich da mache.

Aber Sie haben diese Themen auch schon früh aufgebracht.

Da hat nur niemand drüber geschrieben. Meine Sendung in den 1990ern war ein kleines, verstecktes Format in der ARD. Ich alleine war damals nicht genug, um als Phänomen zu gelten. Dazu müssen es mehrere sein. Heute gibt es so viele tolle Frauen, die ersten werden übersehen. Nach meinem Coming-out war es ja schon etwas schwierig. Und jetzt gönnen mir alle die viele Preise und die Aufmerksamkeit. Das ist das Schönste. Ich stehe da wie Sterntaler und die Preise fallen in mein Schürzchen. Das ist für mich total bewegend.

Wie haben Sie es geschafft, nicht zynisch zu werden in dieser Zeit?

Das ist gar nicht meine Art. Ich bin ein spielerischer Mensch. Ich war vorher auch ausgeglichen und glücklich. Ich habe die Kurve nach dem Coming-out dann doch sehr gut gekriegt. Ich hatte immer Rollen, zwar andere als vorher, aber es ging mir gut. Ich finde, ich habe mich tapfer gehalten, und ich war glücklich mit den Angeboten. Ich habe mich wieder zurückgekämpft, auch mithilfe meiner Bühnenprogramme, aber verbittert war ich nie.

Haben Sie eine Antwort für sich darauf gefunden, warum Menschen sich von Ihrem Coming-out bedroht gefühlt haben?

Ja, es geht um die Anerkennung in der Gesellschaft. Viele heterosexuelle, weiße Menschen, die sich als die Norm wahrnehmen, gönnen uns nicht das bisschen Anerkennung, dass wir jetzt kriegen. Sie neigen sich zwar gnädig zu diesen Minderheiten, streichen ihnen über den Kopf und sagen, ich habe nichts gegen dich. Aber wenn diese Minderheit kommt und sagt, ich fordere die gleichen Rechte, ist es ein Schritt zu viel. Wir werden und wurden als Bedrohung empfunden. Wäre ich geoutet worden, hätte man mir vielleicht eher verziehen. Aber die Frechheit, es selbst zu tun, zu sagen, so bin ich, ist eine Provokation gewesen.

Jüngere Frauen wie Hazel Brugger laufen Maren Kroymann in der 20. Folge von ihrer Sendung „Kroymann“ den Rang ab.

Jüngere Frauen wie Hazel Brugger laufen Maren Kroymann in der 20. Folge von ihrer Sendung „Kroymann“ den Rang ab.

Sensibilität bei der Rollenvergabe ist ein großes Thema in Ihrer Branche. Wie stehen Sie dazu? Sollten etwa homosexuelle Rollen nur noch von homosexuellen Schauspielerinnen und Schauspielern gespielt werden?

Ich bin Schauspielerin. Der Beruf ist dadurch definiert, dass wir spielen, was wir nicht sind. Nach meinem Coming-out war es ein Kampf, dass ich wieder heterosexuellen Mütter, Liebhaberinnen und andere Hetero-Frauen spielen darf, die ich gut spielen kann. Für mich war es ein großer, persönlicher Triumph, dass ich 2015 mit Walter Sittler in einem Film wieder einen heterosexuellen Love Interest spielen durfte. Das ist immer das Hauptproblem gewesen, weswegen sich in unserer Branche viele nicht geoutet haben, weil sie Angst hatten, dass sie dann nicht mehr besetzt werden. Das muss in der Tat selbstverständlich sein. Es muss wurscht sein, welche Sexualität man hat.

In der 20. „Kroymann“-Folge heißt es auch „Eine alte Frau im Fernsehen reicht ja auch.“ Ist das ein Problem, dass nun manche sagen, was wollt ihr denn, es gibt doch die Kroymann als ältere Frau im Fernsehen?

Ich suche aktiv den Schulterschluss mit den anderen Frauen, denen es genauso geht. Ich bin nicht die Einzige. Ich möchte zeigen, dass wir viele sind und alle gesehen werden wollen. Wir vertreten genauso unterschiedliche Charaktere, wie Männer unterschiedliche Charaktere in der Comedy vertreten. Frau sein ist nicht unser einziges Merkmal. Es lebe die Vielfalt. Wir müssen alle Formen zeigen - dicke, dünne, große, kleine, egal welche Hautfarbe, Religion, Sexualität oder welchen sozialen Status sie haben. Es ist auch bei den Frauen Platz für alle da. Ich möchte, dass die vielen tollen Frauen wie Anke Engelke, Annette Frier und Cordula Stratmann die Gesellschaft bereichern durch ihre Komik.

Wir älteren Feministinnen müssen begreifen, dass es auch viele gibt, die nicht so aussehen wie wir, und trotzdem Feministinnen sind.
Maren Kroymann

Sie sind schon Ihr Leben lang Feministin. Warum ist die Kluft zwischen jüngeren und älteren Feministinnen, etwa beim Thema Transsexualität so groß?

Das aufgeklärte Frauenbild, das sagt, es ist egal, welche Sexualität ich habe, ist zurzeit wieder sehr bedroht, das macht mir Sorgen. Wir sind immer dafür gewesen, dass man anders als die Norm leben kann. Aber Transidentität wird als Angriff empfunden. Alice Schwarzer steht ja dafür, sie hat sehr viel erreicht, aber da folge ich ihr überhaupt nicht. Diese Menschen gehen einen ganz schweren Weg. Natürlich unterstütze ich sie. Von den Gegner*innen* wird die Realität anders dargestellt. Es wird behauptet, Jugendliche könnten sich schon ganz jung operieren lassen. Die können ab 14 ihren Namen ändern, aber es gibt immer noch viele Hürden, die sie überstehen müssen. Das ist eine populistische, manipulative Erzählung. Und es wird so getan, als wäre das die größte gesellschaftliche Bedrohung. Wieso ist das die Feindesgruppe?

Aber die Kluft zwischen älteren und jüngeren Feministinnen sehen Sie auch?

Ja, es gibt eine wahrnehmbare Kluft. Aber als ich beim Comedypreis die Rede über Metoo gehalten habe, habe ich auch viele Mails von jungen Frauen bekommen. Die waren total dankbar, dass ich das gesagt hatte. Das ist ein Punkt, an dem wir uns verbinden können, und meinem Empfinden nach wächst da gerade etwas zusammen. Junge Frauen wie Shirin David definieren sich stärker als wir früher über ihren Körper, aber sie ist gleichzeitig selbstbewusst und hat Gottschalk Paroli geboten. Wir älteren Feministinnen müssen begreifen, dass es auch viele gibt, die nicht so aussehen wie wir, und trotzdem Feministinnen sind.

Wie meinen Sie das?

Bei den jungen Frauen ist es manchmal ein präfeministisches Frauenbild, weil sie für ihren Körper und ihre Reize Aufmerksamkeit erhalten. Aber im ökonomischen Sinne – wie sie Geld verdienen und ihre Karriere planen – sind sie postfeministisch. Die sollen Karriere machen, die sollen Millionen scheffeln. Verona Feldbusch, heute Pooth, war die Erste, die das konsequent umgesetzt hat. Altes Frauenbild, neues Finanzverhalten. Präfeministische Körperdarstellung, postfeministisches Selbstbewusstsein. Diese jungen Frauen haben das Recht, sich so zu präsentieren, wie sie es tun, und ich akzeptiere trotzdem, dass sie feministisch agieren. Man muss sich verbünden, damit nicht jede Generation neu anfangen muss.


Maren Kroymann (74) arbeitet als Schauspielerin, Sängerin und Kabarettistin. Von 1993 bis 1997 war sie in der Satiresendung „Nachtschwester Kroymann“ zu sehen. Seit März 2017 zeigt das Erste ihre Sendung „Kroymann“, für die mehrfach ausgezeichnet wurde, unter anderem mit dem Grimme-Preis.

Am 4. Januar, 23.45 Uhr, ist die 20. Folge mit dem Titel „Ist die noch gut?“ zu sehen, in der nur Frauen vor der Kamera stehen. Sie steht auch in der ARD-Mediathek. Im Anschluss, um 00.15 Uhr, zeigt das Erste „In my sixties - Maren Kroymann mit Band“, in der Musikshow bringt sie dem Publikum jene Jahre nahe. 

KStA abonnieren