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„Mein Kulturmonat“ mit der Pianistin Olga Scheps„Dass es hier in Köln so viel Leben gibt, mag ich sehr“

Lesezeit 6 Minuten
Die Kölner Pianistin Olga Scheps, 39.

Die Kölner Pianistin Olga Scheps, 39.

Wie die Kölner Pianistin Olga Scheps ihre Heimatstadt erlebt und welche Konzerte sie im Mai empfiehlt. 

Wer Musik in der künstlerischen Ausbildung studiert, sucht sich meistens die Hochschule nach dem Professor oder der Professorin aus, bei dem man das Hauptfach studiert. So war es auch bei mir. Ich bin mit meinen Eltern von Moskau nach Wuppertal gezogen als ich sechs Jahre war. Und als dann Ende der 1990er klar war, dass ich an die Musikhochschule gehen würde, war auch klar, dass ich bei Pavel Giliov studieren will – und der war von 1982 bis 2013 dort, also mehr als 30 Jahre, Professor für Klavier an der Kölner Musikhochschule. Ein ganz toller Klavierpädagoge!

Damals unterrichtete unter anderem auch Zakhar Bron dort - ein superguter Pädagoge für Geige, bei dem viele der heutigen Star-Geiger studiert haben. Und solche Leute haben Studierende aus der ganzen Welt angezogen und nach Köln gebracht. Diese internationale Mischung mochte ich sehr, das war eine lustige Zeit! Und auch durch die Jazz-Abteilung in Köln habe ich viele Leute jenseits der klassischen Musik kennengelernt. Das war definitiv etwas anderes als Wuppertal – da ist es zwar sehr schön, aber für einen jungen Menschen, der etwas erleben will, ist es einfach zu klein.

Dass es hier in Köln so viel Leben gibt, mag ich sehr. Die Büdchen sind zum Beispiel nicht zu unterschätzen. Unter der Woche wird es zum Beispiel in München schon schwierig, wenn man sich abends noch eine Flasche Wasser besorgen will. In Köln bekomme ich rund um die Uhr etwas - auch zu jeder Zeit etwas leckeres, warmes zu Essen und kann Menschen treffen, irgendeine Bar hat immer noch auf – das mag ich. Je kleiner die Stadt ist, desto mehr drückt sie dir ihre Regeln auf - und Köln hat den Charakter einer großen, offenen Stadt.

Und es wohnen hier ja nicht nur viele Musiker, sondern Künstler aus vielen Bereichen: Schriftsteller, Maler, Leute vom Film oder Fernsehen. Wenn man, wie ich, als Künstlerin viel international unterwegs ist, ist Köln perfekt: Wir sind mitten in Europa und es gibt drei Flughäfen in der Nähe.

Man weiß ja, wie schwierig es ist, eine Wohnung in Köln zu finden. Aber einen Proberaum zu finden, ist noch hundertmal schwieriger!
Olga Scheps

In der Nähe von unserer Wohnung habe ich einen Proberaum gemietet – und man weiß ja, wie schwierig es ist, eine Wohnung in Köln zu finden. Aber einen Proberaum zu finden, ist noch hundertmal schwieriger! Deswegen musste ich die Wohnung so aussuchen, dass sie in der Nähe vom Proberaum liegt – und nicht andersherum. Ich finde, die Stadt sollte viel mehr Proberäume bereitstellen – es gibt ja viele Ecken, die sich für so etwas anbieten. Zum Beispiel in sehr dunklen Räumen, wo man nicht so gerne wohnen möchte, oder in der Nähe der Bahngleise. Ein Proberaum muss nicht schön sein, und es muss dort auch nicht unbedingt perfekt leise sein. Eigentlich braucht man nicht mal ein Fenster, es muss einfach nur ein Raum sein, in dem man Musik machen darf und wo das Klima für ein Instrument geeignet ist.

Ich habe eine einzige Nachbarin, die über meinem Proberaum wohnt, und es ist superselten mal vorgekommen, dass sie sich gemeldet hat wegen der Lautstärke. Meistens sagt sie, dass sie es schön findet und wir kommen gut aus. Eigentlich hat Köln ja auch den Ruf, eine sehr tolerante Stadt zu sein, Leben und Leben lassen ist hier das Motto. Deswegen finde ich es echt schade, dass jemand wie der Musikstudent, den die Kölner als „Stadtgeklimper“ kennen, jetzt angekündigt hat, in Bonn zu spielen statt in Köln. Weil die Regeln des Ordnungsamtes hier zu streng sind. Da hätte man doch Wege finden können, ihm das trotzdem zu ermöglichen. Ich mag Straßenmusik, das können manchmal magische Momente mitten im Alltag sein.

Aber natürlich kann ich auch verstehen, dass es da gewisse Regeln gibt. Vor Corona habe ich auch mal mit einem Klavier auf der Straße gespielt und dabei gelernt, dass man alle 30 Minuten den Standort wechseln muss. Mit einer Gitarre ist das natürlich viel leichter als mit einem Klavier. Wir brauchten eine Bühne mit Rollen und man musste einiges beachten. Auch mussten wir den Termin verschieben, weil Demos stattfanden, und das Wetter muss mitspielen. Es war aber eine wirklich schöne Erfahrung!

Es ist immer noch etwas Besonderes für mich, wenn ich in Köln spiele.
Olga Scheps

Einer meiner Lieblingsorte hier in Köln ist die Philharmonie – es gibt supertolle Konzerte, schöne Flügel und ich wohne auch noch gleich um die Ecke. Das einzige, was mich immer amüsiert ist, dass man bei Konzerten nicht über den Heinrich-Böll-Platz laufen darf, weil man sonst unten die Rollkoffer hören würde. Ich habe gehört, dass die Philharmonie auch bald saniert werden muss und ich hoffe sehr, dass das besser läuft als bei der Oper!

Die Konzerte, die ich dort gesehen habe, kann ich schon gar nicht mehr zählen. Als Studentin gab es immer Karten für 10 Euro – da habe ich mich dann manchmal nach vorne geschlichen und mir einen Platz gesucht. Das war immer ein Highlight. Es ist auch immer noch etwas Besonderes für mich, wenn ich in Köln spiele.

Generell finde ich, dass gemeinsam live Musik zu erleben, unser Leben besser macht. Das kann man gar nicht genug unterstützen und fördern. Wir haben mit Corona eine große, jahrelange Krise hinter uns, die sehr viel kaputt gemacht hat. Auch weil die Menschen seitdem noch viel mehr am Bildschirm kleben, das sehe ich bei mir auch. Aber das ist nicht das echte Leben!

Klassische Musik ist eine der wenigen Musikformen, bei denen man nur dem akustischen Instrument zuhört - ganz ohne Verstärker und ohne Elektronik. Manche Menschen glauben, sie müssten wahnsinnig viel über Musik wissen, um zu einem klassischen Konzert zu gehen. Aber selbst wenn man das Stück noch nie gehört hat und nichts über den Komponisten weiß - man kann das Konzert genauso genießen wie jemand, der jahrelang Musik studiert hat. Vielleicht sogar genau dann viel mehr.

Aufgezeichnet von Kerstin Meier


Tipps von Olga Scheps für Konzerte im Mai

Ich habe zwei kleine Kinder und gehe gerade nicht viel aus in Köln. Deswegen konzentriere ich mich mit meinen Ausgeh-Tipps auf das, wovon ich die meiste Ahnung habe: Klassische Musik. Im Mai kommen gleich mehrere fantastische Geigerinnen in die Kölner Philharmonie, zwei davon sogar am selben Tag: Alina Pogastkina, spielt am 11. Mai vormittags mit dem Gürzenich Orchester. Und abends tritt Carolin Widmann mit dem SWR-Symphonieorchester auf. Am 7. Mai kommt Janine Jansen mit der Deutschen Kammerphilharmonie aus Bremen nach Köln. Das Konzert dirigiert Paavo Järvi - ein ganz toller Dirigent aus einer Dirigentenfamilie. Sein Vater ist auch Dirigent und mit seinem Bruder war ich auch schon zwei Mal auf Tour. Nicht mehr im Mai, aber am 1. Juni spielt Lisa Batiashvili in Köln, eine Poetin an der Geige, ich liebe ihre Aufnahmen.

Am 27. Mai gibt es in der Philharmonie einen Klavierabend mit Mitsuko Uchida. Außer Alfred Brendel und ihr gibt es glaube ich kaum jemanden, der Mozart so wunderbar spielt, die beiden gehören zu meinen Vorbildern am Klavier. Mein Papa, der auch Pianist ist, hat mal gesagt: „Um glücklich zu sein, muss man jeden Tag mindestens 10 Minuten Mitsuko Uchida hören.“