Russischer PropagandasenderDas erfährt man, wenn man drei Stunden RT DE guckt

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Die „Nachrichten“ auf RT DE 

Berlin – Im Shop von RT DE kann man eine Sonnenbrille mit Bügeln im Lindgrün des Sender-Signets erwerben. Für den „anderen Blick auf die Welt“. Ebenfalls im Angebot: Ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift „Foreign Agent“.

Man versteht also durchaus Spaß in der deutschen Zweigstelle des russischen Staatsfernsehens, wo man auch ohne gültige Lizenz vorerst tapfer weiter sendet. Und auch das Versprechen eines anderen Blicks auf die Welt wird hier übererfüllt. 

Die Dokumentation „Doping Akte X“ etwa enthüllt eine erschütternde Wahrheit, auf die noch nicht mal Fox Mulder verfallen wäre: Fremde Mächte haben russische Spitzensportler mit gefälschten Dopingergebnissen um den verdienten Sieg gebracht: „Wer hat die Datenbank mit den Blutproben manipuliert?“, raunt die Sprecherstimme: „Wer hat ein Interesse daran?“ Es folgt ein Trailer über Hämophilie-Patienten, die von ruchlosen Ärzten absichtlich mit HIV infiziert wurden. Aus Profitgier, klar.

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Von Querdenker-Inhalten zur Kriegspropaganda

„Kritisch bleiben“ heißt schließlich das Motto des Kreml-Sprachrohrs mit Standort Berlin-Adlershof. Das also sind die Geschichten, von denen der Sender behauptet, dass sie von ihm nicht verschwiegen werden.

In den vergangenen Monaten betrafen diese Geschichten vor allem Impfverweigerer und andere Querdenker, denen RT eine breite Bühne bereitete. Youtube sperrte wegen der Fülle an Corona-Fehlinformationen sämtliche RT-Kanäle. Seit ein paar Tagen jedoch bestimmt, wie überall sonst, der Ukrainekrieg das RT-Programm.

Die Invasion heißt hier Sonderoperation

Nur, dass der hier gar nicht so heißt. Mögen alle anderen Medien von einem russischen Angriffskrieg, oder einer Invasion reden, RT berichtet stur unter der Überschrift „Sonderoperation in Ukraine“.

Diese Sonderoperation, weiß die RT-Korrespondentin Margo Zereva – woher sie korrespondiert, bleibt übrigens unklar – diene der Entnazifizierung und der Entmilitarisierung der Ukraine. Sie sei folglich kein Krieg, sondern solle einen globalen Krieg verhindern: „Die Menschen im Donbass kennen seit fünf Jahren keinen Frieden.“

Später analysiert ein „Militärexperte“ dass es Russland allein darum gehe, „die ukrainischen Behörden zum Frieden zu zwingen“. Und ein Moskauer Politikwissenschaftler pflichtet bei: „Die jetzige Ukraine ist ein radikales, bewaffnetes antirussisches Instrument in den Händen des Westens.“ 

Wie gesagt, es ist ein ganz anderer Blick auf die Welt.

Angebliche Neonazi-Bataillone

Einspielfilme zeigen entweder Statements russischer Offizieller, die grundsätzlich nicht hinterfragt werden, oder sie stammen aus den Sozialen Medien. Dass es sich um nicht verifizierbare Quellen handelt, wird dann sogar eingeblendet. Aber sie dienen sowieso nur zur Untermalung steiler Thesen: Ein bekanntes Neonazi-Bataillon habe die Stadt Mariupol umzingelt und deren Bevölkerung zum lebenden Schild gemacht, berichtet ein simultanübersetzter russischer Reporter von der Front.

Über die Bewohner der nordöstlichen Millionenstadt Charkiw wiederum wird erzählt, sie hätten eine Kolonne gepanzerter russischer Militärfahrzeuge enthusiastisch begrüßt: „Die Einwohner riefen, dass sie schon lange darauf gewartet hätten.“ Was man so oder so verstehen kann.

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Überhaupt: Diese Moderatoren. Hauptnachrichtensprecher Stefan Pollak hat vor seiner Tätigkeit für RT DE hauptsächlich als Radiojockey gearbeitet, vor der Kamera hat er so genannte Call-in-Sendungen moderiert: Vom Glücksspiel zur Propaganda, das ist fast ein Aufstieg.

Der Industriekaufmann und promovierte Philosoph Thomas Fasbender hat nach eigener Darstellung in Russland eine Spinnerei und eine Fuhrparkverwaltung betrieben, bevor er sich der Publizistik zuwandte. Zuletzt hat er eine 560 Seiten starke Biografie über Wladimir Putin veröffentlicht. Auf RT DE gibt er den tieffrequent raunenden Rechtsaußen-Kommentator.

Kopfschuss-Witz über Annalena Baerbock

Und in der Politküche „Kartoffelmus“ lästert Gastgeberin Zuki Grunow mit dem Comedian Nikolai Binner, der in seinen Auftritten schon mal Impfzentren mit Vernichtungslagern vergleicht, über Annalena Baerbocks Besuch in der Ostukraine. „Wozu braucht die  einen Helm?“, fragt sich Binner. „Was soll passieren, wenn die einen Kopfschuss abkriegt? Dass sie nochmal den Grünen beitritt?“

So viel also zum Kreml-konformen Humor. Schalten wir noch einmal um ins laufende RT-Programm: Gerade erklärt der österreichische Rechtspopulist Gerald Grosz, warum Sanktionen gegen Russland nichts bringen. Es folgt eine Dokumentation über irre Amerikaner, die in Bunkern leben, weil sie glauben, dass ein anderer Planet auf Kollisionskurs mit der Erde ist. Titel: „Wer hat Angst vor dem Weltuntergang?“

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