Verurteilter Kunstberater„Ich lebe so, dass ich über die Runden komme”

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Helge Achenbach im Atelier eines befreundeten Künstlers

Helge Achenbach im Atelier eines befreundeten Künstlers

Köln – Herr Achenbach, Sie beraten auch wieder einige der Superreichen in Europa. Was möchten die denn von Ihnen?

Sie wollen meinen guten Rat. Ich habe für 700 Millionen Euro Kunst vermittelt, deren Wert heute bei drei bis vier Milliarden Euro liegt. Meine Expertise und mein Auge sind ja nicht verloren gegangen. Im Gegensatz zu früher gehe ich jedoch nicht akquirieren. Ich lasse mich erobern. Ich bin hier der Berg in Kaarst, und man muss den Berg besuchen kommen.

In ihrer Autobiografie betonen Sie, dass Sie durch die reiche Kunstwelt korrumpiert wurden. Haben Sie keine Angst vor einem Rückfall?

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Natürlich nicht, das ist ja das Spannende. Ich habe mich durch das ungezügelte Agieren des Marktes prägen lassen, aber trotzdem nicht die Lust an der Kunst verloren.

Sie erzählen im Buch, wie sie als Freigänger auf einer großen Kunstparty zu Gast sind und sich wie ein Ausgestoßener fühlen. Wurden Sie wieder aufgenommen?

Es gibt eine eiskalte Wand der alten Mitbewerber, die mir vermutlich wünschen, dass ich weiter im Verlies sitzen würde. Da kann ich mir gut vorstellen, dass da der eine oder andere fromme Wunsch noch besteht: Der Achenbach darf nicht wiederkommen. Vielleicht auch bei dem einen oder anderen Sammler. Aber es gibt eine neue Generation, Menschen, die mich noch nicht kennen. Die fragen bei mir an. Das finde ich sehr charmant.

Suchen die auch den Nervenkitzel?

Ja, vielleicht. Einer dieser Interessenten sagte zu mir: Bei Ihnen sind wir jetzt sicher, dass sie keine erhöhten Provisionen mehr nehmen. Ich antwortete: Vor allem werde ich auch keine Konditionen mehr akzeptieren, wie ich es bei Herrn Albrecht getan habe. So billig werde ich mich nicht mehr verkaufen.

Die berühmten fünf Prozent, die Aldi seinen Lieferanten zugesteht.

Wenn man weiß, was da noch runtergeht an Kosten, ist klar, dass dabei nichts zu verdienen war. Aber ich war dumm genug, das zu akzeptieren.

Wobei Berthold Albrecht in ihrem Buch vergleichsweise gut wegkommt. Sie schildern Begegnungen mit Managern und Bankern, für die Korruption ein Kavaliersdelikt darstellt. Wie regelmäßig ist Ihnen so etwas begegnet.

Gelegentlich, regelmäßig. Bei jedem zehnten Unternehmen bin ich auf jemanden gestoßen, der glaubt, er könnte auf Kosten des Unternehmens, auf meine Kosten oder auf Kosten der Künstler profitieren.

Aber selbstverständlich war das nicht?

Nein, nicht selbstverständlich. Aber wir vermissen ja die Integrität in der Welt. Ich erinnere mich an einen sehr renommierten deutschen Künstler, der mir seine Sammlung für 2,5 Millionen Euro verkaufte. Als wir die dann in unserem Sicherheitslager eingeschlossen hatten, riefen mich meine Mitarbeiter entsetzt an: Hier riecht es nach frischer Farbe. Wir haben einen bekannten Museumsrestaurator hinzugezogen, der fassungslos vor mir stand und mir erklärte, das sei alles gefälscht. Da bin ich fast vom Glauben abgefallen. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass so jemand die Bilder seiner Kollegen fälscht.

Das Kapitel fehlt in ihrem Buch.

Mein Verlag hat sich nicht getraut, das zu veröffentlichen. Ich glaube, dass alle Gesellschaftsschichten durch die Bank lügen, tricksen, pfuschen. Das ist leider menschlich. Deswegen appelliere ich heute an mich selbst, radikal ehrlich zu sein. Wir leiden alle unter der Unehrlichkeit. Und wer wie ich einmal aus dem Blechnapf gefressen hat, möchte es nicht mehr erleben.

Ist der Kunstmarkt ein Milieu, in dem die Unehrlichkeit besonders gut gedeiht?

Nein, das ist überall so, wo Geld mitspielt. Der Kunstmarkt ist nur ein Spielfeld von vielen. Aber auch ein Markt, der kaum reguliert ist. Wenn man das Spekulieren mit Insiderinformationen auf die Börsenwelt übertragen würde, kämen viele Marktteilnehmer ins Gefängnis. Was dort verboten ist, gehört im Kunstmarkt zum Geschäft.

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Sie wurden als Sozialarbeiter der Superreichen bezeichnet, als Mann, der Millionären half, ihrem Leben durch Kunst einen Sinn zu geben. Sehen Sie sich so?

Vielleicht ist das Frieder Burda geglückt. Nachdem er bei mir die vielen Gerhard-Richter-Werke gekauft hatte, fühlte er sich berufen, ein seriöser Sammler zu werden. Er hat dann auch ein großartiges Museum gebaut. Aus der Ferne beurteilt hat das bei ihm wirklich gewirkt.

Und beim Aldi-Erben Berthold Albrecht? Sie haben häufiger betont, dass der Schaden durch die Wertsteigerung der Kunst mehr als ausgeglichen wird.

Das muss ich jetzt ein für alle Mal klarstellen: Selbstverständlich waren die erhöhten Provisionen nicht korrekt. Sie waren Betrug, auch wenn es mir schwerfällt, das zuzugeben. Bums. Erledigt. Ich habe mich schon bei der ersten Missetat damit getröstet, dass ich wusste, das wird alles im Wert steigen, und Albrecht kauft bei mir viel günstiger ein als anderswo. Aufgrund meines Netzwerks kostete ein Kokoschka, der sonst 1,3 Millionen Euro gekostet hätte, nur 800.000 Euro. Und da diese fünf Prozent Provision so lächerlich wenig waren, habe ich in meiner törichten Form aus 800.000 eben 950.000 gemacht und war zufrieden. Dass das nicht geht, habe ich schmerzvoll erfahren, und dass es mich ruiniert hat, habe ich erfahren müssen. Der einzige Trost ist, dass die Sammlung, ob bei den Oldtimern oder bei den Kunstwerken, viel teurer geworden ist. Trost nicht für mich, sondern für die Familie Albrecht.

Was haben Sie daraus gelernt?

Ich habe gelernt, Nein zu sagen. Ich hätte ja nur sagen müssen, so geht das nicht. Doch damals war ich zu blöd, zu nett, ich weiß es nicht.

Aber waren Sie und Berthold Albrecht nicht befreundet?

Damals noch nicht. Wir sind erst Freunde geworden, und je länger das dauerte, umso blöder war es für mich. Irgendwann war dann ja auch Schluss mit dem Betrug. Bei Tony Cragg habe ich aufgehört, bei Gerhard Richter und bei den Oldtimern auch. Aber das hat man mir nicht geglaubt, und die Aussagen von Babette Albrecht waren so, dass man es mir auch nicht glauben musste.

Wie leben Sie jetzt? Sie müssen Millionen, die Sie nicht haben, zurückzahlen.

Ich lebe so, dass ich über die Runden komme. Ich bin angestellt beim Unternehmen eines Freundes, da verdiene ich 2000 Euro brutto im Monat. Ich habe meinen VW-Bus, den ich für einen Verein fahren darf, meine Tankkarte, mein Telefon. Ich brauche nicht viel.

Und die Schulden?

Alle meine Freunde wollen mich dahin bringen, dass ich meine Schulden wieder loswerde. Ob mir das gelingt, weiß ich nicht. Aber es ist alles möglich. Vielleicht sterbe ich nächstes Jahr.

Zur Person

Helge Achenbach (67) wurde in den 1980er Jahren als Kunstberater reich und gehörte zu den schillerndsten Figuren der Düsseldorfer Gesellschaft. Er vermittelte Kunst an große Unternehmen und Multimillionäre, sein Betrug am Aldi-Erben Berthold Albrecht brachte ihn 2015 für drei Jahre ins Gefängnis. Seitdem lebt er in Kaarst. Gerade ist seine Autobiografie „Selbstzerstörung“ (Riva Verlag,

19,99 Euro) erschienen.

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