„Cringe“ als Jugendwort des JahresWarum die Wahl lange selbst zum Fremdschämen war

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Das neue Jugendwort des Jahres 

Stuttgart – Dass „cringe“ zum Jugendwort des Jahres gewählt wurde, ist schon deswegen zu begrüßen, weil nun auch Erwachsene endlich wissen, wie sich Jugendliche fühlen, wenn das Jugendwort des Jahres bekannt gegeben wird: voll cringe nämlich.

Das englische Verb „to cringe“ übersetzt das Wörterbuch mit „zusammenzucken“ und „erschaudern“. Gemeint ist die körperliche Reaktion, wenn man Zeuge einer Szene wird, die einen mehr als peinlich berührt zurücklässt. Wenn also die Fremdscham so groß ist, dass man den Mund verzieht, die Schultern hebt und sich der Magen verkrampft.

Zum Beispiel, wenn Armin Laschet vor Zehnjährigen lügt, er würde zwar Zigarillos rauchen, aber nicht auf Lunge. Das Video haben sich meine Töchter gleich mehrmals angeschaut, denn man kann solche „cringe“-Momente auch genießen. Larry Davids TV-Serie „Curb Your Enthusiasm“ oder Bastian Pastewkas deutsche Variante „Pastewka“ sind nichts weiter als eine lustvolle Aneinanderreihung solcher Momente, sie sind, mit anderen Worten, „cringeworthy“.

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Jugendwort-Wahl war lange Zeit nur Altenbelustigung

Das war lange Zeit auch die alljährliche Wahl zum Jugendwort, bei der zuverlässig von unterbezahlten Comedians ausgedachte Kunstbegriffe nominiert wurden — Gammelfleischparty, tinderjährig, Smombie — die nie den Mund eines Real-Jugendlichen verlassen hatten. Dem Langenscheidt-Verlag diente diese Wahl nur zur werbewirksamen Altenbelustigung. Für alle Jüngeren galt: voll cringy, Facepalm-Emoji.

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2019 setzte man die Wahl zum Jugendwort aus, ging in sich, und verfiel auf die naheliegende Idee, fortan die Jugendlichen selbst darüber abstimmen zu lassen, wie sie sprechen. Prompt gewann mit der Redewendung „Ich bin total lost“ ein tatsächlich unter Schülern häufig verwendetes Idiom. Zudem im total verlorenen Jahr 2020, wie passend.

Prompt bildete sich eine Reddit-Gruppe, die versuchte das höchst unkorrekte Wort „Hurensohn“ zu lancieren. Da wurde es Langenscheidt dann doch zu bunt.

Cringe landete übrigens bereits 2020 auf Platz 2 und hat sich nun — vielleicht wirklich dank des Wahlkampfes, man denke nur an den schief gesungenen „Ein schöner Land“-Spot der Grünen — auf die Spitzenposition vorgearbeitet. Da steht es gut und kann ruhig noch ein Weilchen bleiben.

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