Ausstellung in Bergisch GladbachWarum auch Papierknüllen Kunst sein kann

Lesezeit 3 Minuten
Museum Villa Zanders

Villa Zanders bei Nacht

  • Das Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch Gladbach hat sich auf moderne Papierarbeiten spezialisiert.
  • Statt klassischer Zeichnungen gibt es hier vor allem geknicktes, geschichtetes oder geklebtes Papier zu sehen.
  • Und das von Künstlern wie Christo, Jenny Holzer, Claes Oldenburg oder Simon Schubert.
  • Unser Kritiker verrät, warum sich die Ausstellung unbedingt lohnt.

Köln – Auf dem Sockel ruht unter Glas ein Hühnerei auf einer Küchenrolle – sicherheitshalber ein ausgeblasenes, obwohl es wunderbar ins Papploch passt. Eine hübsche Idee ist das und sicherlich das perfekte Geschenk für jede Studenten-WG, der zum Glück nur noch ein Eierbecher fehlt. Aber auch für ein Museum, das etwas auf sich hält?

Studentenulk von Wolfgang Niedecken

Der Studentenulk von Wolfgang Niedecken, Manfred Boecker und Rainer Gross steht derzeit als Torwächter im Kunstmuseum Villa Zanders. 1974 in der „Papierstadt“ Bergisch Gladbach gegründet, hat sich das Haus auf Papierarbeiten spezialisiert und zeigt jetzt unter dem Titel „Neu Aufgestellt“ einen ordentlichen Batzen seiner Schätze. Gut 500 Werke zählt die nicht zuletzt durch Schenkungen und Dauerleihgaben gewachsene Sammlung, und natürlich hätte Petra Oelschlägel, die Museumsdirektorin, auch ein Werk von Christo, Claes Oldenburg, Jenny Holzer oder einer anderen Berühmtheit an den Anfang setzen können. Aber die Küchenrolle der kölschen Lokalhelden kann durchaus für das Ganze stehen: Am Ende des Rundgangs fragt man sich beinahe, wie man Papier für etwas so Unsinniges wie Zeichnungen oder Drucke verschwenden kann?

Das könnte Sie auch interessieren:

Auf klassische Handarbeit, wie man sie in den Grafischen Kabinetten altehrwürdiger Museen findet, muss man in Bergisch Gladbach weitgehend verzichten – und sich mit Mary Bauermeisters beschrifteten Kotztüten als nächstbestem zufriedengeben. Dafür bildet die Villa Zanders in verblüffender Fülle ab, wie moderne Künstler ihr papiernes Material durch Reißen, Knicken, Schaben, Knüllen, Schneiden, Falten, Prägen, Schöpfen, Schichten oder Kombinieren in Kunst verwandeln.

Alles zum Thema Wolfgang Niedecken

Auf dem Weg zum Klassiker

Legendär ist Reiner Ruthenbecks aus exakt 600 Blatt geknüllter „Weißer Papierhaufen“, ein Spiel mit Volumen und die grandios-trotzige Inszenierung eines Scheiterns, das gelingt. Auf dem Weg zum Klassiker sind Jenny Holzers handgeschöpfte Kopien geschwärzter Dokumente zum „Waterboarding“ der CIA, Jac Leirners auf die Schnur gezogenen Banknoten sind wohl das schönste Sinnbild für Geldentwertung, das man sich wünschen kann. Solche Zweckentfremdungen von Alltagspapier ziehen sich als roter Faden durch die Schau: Gesine Grundmann stapelt Eierkartons zu Säulen, Helmut Löhr lässt seine Telefonbuch-Collagen zugleich wie Kreissägen und Baumstämme aussehen und Tina Haase zwängt bunt bedruckte Papierservietten hinter Plexiglas.

Aber auch die Mühsal sich am Material abarbeitender Künstler kommt in dieser weithin einzigartigen Sammlung nicht zu kurz. Bei den Faltungen Simon Schuberts gruselt es einen bei der Vorstellung, ein Knick könnte danebengehen, und selbst beim malerisch durchlöcherten Karton von Mechthild Frisch beschleicht einen der Verdacht, jeder der unzähligen Stiche wäre mit Bedacht gewählt.

„Neu Aufgestellt“, Kunstmuseum Villa Zanders, Bergisch Gladbach, Konrad-Adenauer-Platz 8, Di.-Sa. 14-18 Uhr, Do. 14-20 Uhr, So. 11-18 Uhr, bis 9. August

KStA abonnieren