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Leserbriefe zum Interview mit Alice SchwarzerWirklichkeitsfremde Forderungen?

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Die Kölner Publizistin Alice Schwarzer im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ über ihren offenen Brief an den Kanzler

„Ich halte Putin nicht für verrückt“ – Interview mit Alice Schwarzer, Herausgeberin der Zeitschrift „Emma“, über ihren offenen Brief an den Kanzler zum Ukraine-Krieg und über Putins und Selenskyjs „toxische Männlichkeit“ (21.5.)

Dank für das Interview mit Frau Schwarzer

Für das Interview mit Alice Schwarzer bedanke ich mich herzlich, da es sich hierbei um eine wohltuende Ausnahme handelt. Denn täglich werden uns in den Medien die Forderungen nach immer mehr schweren Waffen für die Ukraine und immer noch härteren Embargos gegen Russland – lautstark und in Endlosschleife –präsentiert. Wollen wir Deutschland nicht in einen neuen großen Krieg hineinschlittern lassen, dann sollten nicht die Waffenlieferungen im Zentrum der deutschen Politik stehen, sondern das ernsthafte Bemühen, Wege zu finden, den Frieden wiederzugewinnen. Darum ist es so (überlebens-)wichtig für uns, dass auch Menschen, die so denken wie Alice Schwarzer und die mittlerweile weiteren 280.000 Unterzeichner ihres Briefes, gleichberechtigt zu Wort kommen dürfen.Ottfried Wallau Siegburg

„Nicht zu überbietender Zynismus“

Schon die Antwort auf die Frage „Kann man mit Putin verhandeln?“ ist unsäglich. Gibt es einen Spitzenpolitiker der westlichen Welt, der diesen Versuch nicht schon unternommen hätte? Den Vogel schießt die „Emma“-Herausgeberin allerdings mit dem Vergleich der „toxischen Männlichkeit“ bei den Herren Putin und Selenskyj ab, der an bösem Zynismus nicht mehr zu überbieten ist. Hier der Präsident „im olivgrünen T-Shirt mit muskelbepackten Oberarmen“ und auf der anderen Seite der Kriegsverbrecher Putin, der unzählige Menschen umbringt und in Not und Elend stürzt. Für Frau Schwarzer ist das kein Unterschied, beide treibt verletzte Männerehre an. Bei dem von der Friedensbewegung jahrzehntelang vorgetragenen Credo „Frieden schaffen ohne Waffen“ hätte ich mir die Frage an Frau Schwarzer gewünscht, wie denn Ihrer Meinung nach der Zweite Weltkrieg zu Ende gegangen ist. Herbert Löcher Rösrath

Alles zum Thema Wolodymyr Selenskyj

Mangelnde Differenzierung beim Vergleich von Putin und Selenskyj

Frau Schwarzer sagt in dem Interview durchaus vernünftige Dinge, wie zum Beispiel, dass zwischen Russland und der Ukraine so schnell wie möglich verhandelt werden muss. Dies wird sicherlich auch niemand bezweifeln. Dass Präsident Selenskyj bisher noch kein Wort der Nachdenklichkeit geäußert hat, ist allerdings falsch. Direkt zu Kriegsbeginn hat er gesagt, dass die Ukraine auf die Mitgliedschaft in der Nato und auch auf Territorium verzichten würde. Das Problem war damals nur, dass Putin, der den Krieg angefangen hat, diese Konzessionen der Ukraine nicht genug waren. Dem Aggressor und dem Verteidiger den gleichen Vorwurf einer „toxischen Männlichkeit“ zu machen, zeigt die teilweise völlig undifferenzierte Haltung von Frau Schwarzer gegenüber beiden Kriegsparteien.Marcus Krämer Köln

Putin und Selenskyj im gleichen Atemzug als Repräsentanten einer „toxischen Männlichkeit“ zu beschreiben, ist einfach nur unsäglich und zutiefst empörend! Rena Krebs Köln

Nimmt Alice Schwarzer Völkermord in Kauf?

In dem offenen Brief an den Bundeskanzler, den Frau Schwarzer und andere Publizisten in der „Emma“ veröffentlicht haben, fordern sie, der Ukraine keine schweren Waffen zur Verteidigung gegen die russischen Angreifer zu liefern, und empfehlen der Ukraine, zur Vermeidung weiterer „Kosten“ an Menschenleben ihren Kampf einzustellen. Sie wollen also, dass der Westen oder jedenfalls wir Deutschen einen Völkermord an den Ukrainern in Kauf nehmen.

Gemäß Artikel 2 der Uno-Völkermord-Konvention von 1951 zählen dazu „Handlungen, die in der Absicht begangen werden, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“. Genau das hat Putin vor, wie er und andere, zuletzt Medwedew, in aller Offenheit erklärt haben, indem sie den Ukrainern ihre Nationalität und der Ukraine ihr Recht auf Eigenstaatlichkeit bestritten haben. Ukrainer, die auf diesem Recht bestehen, werden als „Nazis“ diffamiert, die man vernichten müsse.

Man stelle sich vor, die Publizisten hätten in einem Angriffskrieg des Iran gegen Israel den Israelis dasselbe empfohlen wie jetzt der Ukraine. Sie hätten damit zurecht einen gewaltigen Shitstorm ausgelöst. Frau Schwarzer fordert Verhandlungen mit Putin – als wenn nicht jede Woche irgendein westlicher Staatsmann mit Putin telefonieren würde, allerdings bisher erfolglos. Putin wird sich auf ernsthafte Verhandlungen über einen Waffenstillstand und einen Rückzug der russischen Truppen erst einlassen, wenn er erkennt, dass die Fortsetzung des Kriegs für ihn mehr Nachteile als ein Rückzug bringen würden.

Deshalb muss im Ukraine-Krieg mit aller Kraft und allen Mitteln außer einem eigenen Kriegseintritt der Nato-Staaten verhindert werden, dass Putin ihn gewinnt. Geschähe das, so wäre der Griff Putins nach den baltischen Staaten und eventuell auch Ostpolen sehr wahrscheinlich. Durch die atomare Drohung Putins sollten wir uns nicht erpressen lassen. Russland hätte in einem Atomkrieg genau so viel zu verlieren wie der Westen, und Putin weiß das; ihm bescheinigt ja auch Frau Schwarzer, nicht verrückt zu sein.

Es war ein Fehler von Scholz und vor allem des SPD-Fraktionsvorsitzenden Mützenich, die anfängliche Zurückhaltung bei der Lieferung schwerer Waffen überhaupt mit der Gefahr eines Atomkriegs zu begründen; das war eine Steilvorlage für Putin und Lawrow für ihre Erpressungsversuche.Dr. Hans-Christian Kersten Odenthal

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Besserwisserisch und selbstgefällig

Das vor besserwisserischer Selbstgefälligkeit strotzende Interview mit Alice Schwarzer ist unerträglich. Selenskyjs Auftreten in einem Atemzug mit Putins „toxischer Männlichkeit“ zu nennen, ist ein typisches Beispiel für „Whataboutism“ [Argumentationsstrategie, bei der eine Frage mit einer Gegenfrage beantwortet wird; Anm. der Red.]. Frei nach dem Motto „zu einem Krieg gehören immer zwei“ suggeriert sie, dass das Verhalten Selenskyjs eine Mitschuld am Überfall Russlands auf die Ukraine hat.

Da stellt sich die Frage, wie sich einige deutsche sogenannte Intellektuelle die Fakten über Russlands Verhalten unter Putin aneignen. Ich empfehle der bekennenden Analytikerin Schwarzer die Lektüre von Büchern der preisgekrönten deutschen Russlandkorrespondentin Golineh Atai oder dem weltweit anerkannten Osteuropa-Historiker Timothy Snyder. Dann würde sie bestimmt einiges besser verstehen als nur, dass sie „Putin nicht für verrückt“ hält und sich mit manchen ihrer sicherlich gut gemeinten öffentlichen Ratschlägen zurückhalten.Klemens Bernemann Odenthal

Leider hat bisher alle Diplomatie versagt

Alice Schwarzers Männlichkeits-Vergleich von Wladimir Putin und Woloymyr Selenskyj verkennt die Realität. Der eine will sein Land durch Militär vergrößern, der andere sein Land mit Militär verteidigen. Leider hat bisher alle Diplomatie versagt. Ob der Feminismus hier hilft? Putin, die russisch-orthodoxe Kirche und das Volk lachen über unsere Diskussionen.Gunther Lanz Bergisch Gladbach

Schwarzers Selbstgerechtigkeit schwer erträglich

Alice Schwarzer steht Gerhard Schröder in wenig nach. Beide haben sich absolut von der Realität unserer Zeit entkoppelt. Beide halten Putin immer noch die Stange und geben in kaum noch zu überbietender Absurdität der Ukraine und Wolodymyr Selenskyj eine Mitschuld an der Eskalation dieses Konflikts. Und beide halten an ihren abstrusen Theorien mit einer Hartnäckigkeit und Beratungsresistenz fest, die mit Altersstarrsinn alleine nicht vollumfänglich erklärt werden kann.

Und am Rande: Beide sind Idole meiner Jugend, die sich in den letzten Jahren mit Vehemenz selbst demontieren. Sich verächtlich über Selenskyis „muskelbepackte Oberarme“ zu mokieren war vielleicht im vorigen Jahrhundert ein Klischee, mit dem man bei der Anhängerschaft punkten konnte, auf moderne Frauen und Männer, denen „bodyshaming“ ein Begriff ist, wirkt das vermutlich nur noch lächerlich, wenn nicht gar abstoßend.

Und was maßt sich Frau Schwarzer an, wenn sie meint, zu wissen, was die Ukrainer oder zumindest ein Teil von ihnen denkt oder will oder was besser für sie ist? Nur noch fassungslos macht mich ihr Versuch, ausgerechnet den ukrainischen Präsidenten als Kriegstreiber hinzustellen, von dem man noch kein nachdenkliches Wort gehört habe. Dagegen ist sogar Gerhard Schröder ein lupenreiner Realist. Um es mit ihren eigenen Worten zu sagen: Dieses Maß an Selbstgerechtigkeit ist schwer erträglich.Udo Lang Bad Münstereifel

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Das olivgrüne T-Shirt, in dem der ukrainische Präsident Selenskyj seit Beginn des Kriegs in der Ukraine häufig auftritt, deutet Alice Schwarzer als Teil einer Heldenpose, die die Bereitschaft signalisiert, „bis zum letzten Atemzug zu kämpfen“.

„Viele Wege zu Putin“

Alice Schwarzer, Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen! Dieses Interview braucht keinen Kommentar mehr! Jeder sollte sich mal mit diesem hervorragend analysierten Streitthema auseinandersetzen. Es gibt viele Wege nach Rom beziehungsweise zu Putin. Sie müssen dringend genutzt werden!Ilona Almut Küpper Köln

Schwarzers Position zeugt von Geschichtsvergessenheit

Die von Frau Schwarzer im Interview gezeigte Arroganz und Ignoranz gegenüber den Menschen in der Ukraine ist durch nichts zu rechtfertigen. Den Freiheitskampf einer ganzen Nation auf den angeblichen „toxischen Männlichkeitswahn“ von Ukraines Präsident Selenskyj zu reduzieren und ihn mit dem Kriegsverbrecher Putin auf eine Stufe zu stellen, disqualifiziert Frau Schwarzer für jeden ernsthaften politischen Dialog.

Wie kann sie sich anmaßen, 40 Millionen Ukrainer und Ukrainerinnen zu entmündigen und sich über das Leid von unzähligen Müttern, Frauen und Kindern zu erheben? Ihr Ruf nach bedingungsloser Kapitulation der völkerrechtswidrig angegriffenen Ukraine und nach einem erneuten Appeasement – nach 1938 ! – zeugt von einer völligen Geschichtsvergessenheit. Bereits Heinrich Himmler hat im Zweiten Weltkrieg vergeblich versucht, eine „Umvolkung“ der Ukraine in Winniza, Schytomyr und anderen ukrainischen Städten punktuell vorzunehmen mit dem Endziel, über 30 Millionen Slawen hinter den Ural zu deportieren, wie im „Generalplan Ost“ der Nationalsozialisten vorgesehen.

Dieses Muster der zwangsweisen Entnationalisierung der einheimischen Bevölkerung inklusive der Verschleppung von hunderttausenden Kindern zeigt sich aktuell erneut in den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten und darf nicht dazu führen, dass Putin damit erfolgreich und straffrei durchkommt! Dr. Bruno Wasser Köln

Mehr Zurückhaltung bei „guten Ratschlägen“ angebracht

Die Aussagen von Frau Schwarzer sind zwar nachvollziehbar, es ist aber zweifelhaft, ob sie der aktuellen Situation gerecht werden. Für einen Außenstehenden ist es natürlich leicht, ungewollt gute Ratschläge zu geben und sogar kritische Analysen zu machen. Für die Betroffenen, vor allem für Ukrainer, ist die emotionale Sicht mehr als verständlich. Es ist natürlich wünschenswert, den Krieg baldmöglichst zu stoppen und in Verhandlungen zu treten. Den Zeitpunkt bestimmt hierfür augenscheinlich Putin; die Ukraine will sich aber keinen Frieden – von wem auch immer – diktieren lassen. Der Krieg in der Ukraine und ein Waffenstillstand können letztlich wohl nur diplomatisch beendet werden beziehungsweise zustande kommen. Bis dahin wird der Krieg offensichtlich blutig sein. Es wird weiter heftige Kämpfe geben und bedauerliche viele Opfer. Als Außenstehender ist in dieser Lage doch eher Zurückhaltung geboten. Paul Schnackerz Frechen

Schwarzers Kritik an Selenskyj und Melnyk unangemessen

Wie kann man vor einem solch schrecklichen Hintergrund die Kleidung des ukrainischen Präsidenten als Beweis für „toxische Männlichkeit“ anführen? Welche Ukrainerin und welcher Ukrainer im Bombenhagel würde es verstehen, wenn ihr Präsident in Zivil, etwa im feinen Anzug, vor die Kamera treten würde?

Und wie kann man den Botschafter der Ukraine in Deutschland, Herrn Melnyk, als einen „sogenannten Botschafter“ bezeichnen? Würden wir als Botschafter in einem anderen Land nicht auch alles tun, damit sich das eigene Land gegen barbarische Aggressoren wehren kann und ist es vielleicht nicht auch einmal gut, dass uns in Deutschland der Spiegel für die Politik der vergangenen Jahre vorgehalten wird? Herr Melnyk hat jeden Tag das Schicksal und die Not seiner fliehenden, verletzten und getöteten Landsleute in der Ukraine vor Augen. In dieser Situation kann niemand von ihm verlangen sich an diplomatische Etikette zu halten, damit die Deutschen möglicherweise nicht in ihrem Wohlstandsverständnis gestört werden oder um das schlechte Gewissen bestimmter Menschen in Deutschland zu schonen.

Die Ausdrücke von Frau Schwarzer „toxische Männlichkeit“ und „sogenannter Botschafter“ empfinde ich vor dem Hintergrund der schlimmen Situation in der Ukraine als zutiefst herablassend und unangemessen, obwohl ich kein Ukrainer bin. Ich möchte mir nicht anmaßen, Frau Schwarzer Empfehlungen zu geben, aber ich bin mir sicher, dass sie auch nicht herablassend oder unangemessen behandelt werden möchte.Alexander Pesch Köln