Afghanische Frauenrechtlerin„Frauen sieht man, wenn überhaupt, nur noch mit Burka“

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Frauen und Kinder sind in Afghanistan derzeit vielfach schutzlos und auf der Flucht. 

  • Rona Yussof-Mansury ist Mitbegründerin des Afghanischen Frauenvereins und Vorstandsmitglied.
  • Im Interview spricht sie über die dramatische Situation in Afghanistan.

Der Afghanische Frauenverein unterstützt von Deutschland aus seit 1992 vor allem Frauen und Kinder in Afghanistan. Was hören Sie in diesen Tagen aus Afghanistan?

Seit drei, vier Tagen ist es erstaunlich ruhig. Die Direktorinnen der beiden Schulen, die wir in Kabul betreiben, haben uns geschrieben, dass die Straßen in Kabul derzeit fast wie leergefegt sind. Wenn man Frauen sieht, dann ausschließlich mit Burka, was früher nicht so war. Allerdings haben die Taliban angekündigt, dass Mädchen weiter zur Schule und Frauen weiterarbeiten dürfen, sogar Journalistinnen arbeiten derzeit noch beim Fernsehen. Andererseits benutzen die Taliban sehr oft das Wort Scharia und die ist bekanntlich sehr streng. Die Menschen haben darum sehr große Angst, dass die Ankündigungen der Taliban nicht von großer Dauer sind. An unseren beiden Schulen, die wir in Kabul betreiben, fanden bis Sonntag noch Examen statt. In wenigen Tagen wollen wir sie wieder öffnen. Ob die Eltern sich trauen, ihre Kinder hinzuschicken, werden wir sehen. Auch Geschäfte sollen in Kabul teilweise wieder geöffnet haben, die Menschen bekommen also Dinge, die sie dringend brauchen, wenn auch zu sehr hohen Preisen.

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Rona Yussof-Mansury 

Trauen Sie den Ankündigungen der Taliban, deutlich liberaler sein zu wollen als früher?

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Die Taliban wollen international anerkannt und auch von den Afghanen akzeptiert werden. Die Rechte von Frauen sind da ein wichtiges Thema. Ob sie sich wirklich geändert haben, wissen wir aber nicht. Wir erinnern uns genau daran, wie viel die Taliban in unserem Land kaputt gemacht haben, wie sie damals waren. Wenn wir wieder in einen solchen Zustand geraten würden, nachdem wir 20 Jahre lange so viel aufgebaut haben, wäre das entsetzlich. Auch wenn sie gerade ein anderes Bild von sich zu zeigen versuchen: Noch heute Morgen habe ich gehört, dass Musik jetzt langsam verboten wird und bestimmte Serien im Fernsehen nicht mehr gezeigt werden dürfen.

Die Menschen fliehen seit Wochen vor den Taliban unter anderem nach Kabul. Sie haben oft nichts mitnehmen können. Mitarbeiter ihres Vereins vor Ort haben geschildert, dass Kleinkinder sterben, weil sie dehydriert sind.

Die Situation ist dramatisch. Nachdem die Taliban Kabul eingenommen haben, waren diese Geflüchteten auf sich allein gestellt. Viele wollen in ihre Heimatstädte zurückgehen, aber sie haben nicht die Möglichkeiten.

Es gab Nachrichten, dass Mädchen mit Taliban-Kämpfern zwangsverheiratet wurden. Was geschieht mit ihnen noch?

Das haben wir am Anfang der Invasion der Taliban auch gehört, die Flüchtenden haben in Kabul erzählt, dass die Taliban ihre Mädchen als Frauen nähmen, weil ihnen das versprochen worden sei. Aber später haben wir davon nichts mehr gehört und aktuell auch nicht.

Der Westen wurde von der raschen Machtübernahme der Taliban völlig überrascht. Sie auch?

Ja, das habe ich mir nicht im Traum vorstellen können. Es war für mich unverständlich, dass es überhaupt keinen Widerstand gab. Ja, die Regierung war sehr schwach und es gab viel Korruption, aber ich weiß nicht, ob das allein der Grund war, dass die Soldaten gar nicht gekämpft haben. Wir sind also genauso erstaunt und überrascht. 

Der Afghanische Frauenverein

Der Afghanische Frauenverein (AFV) ist eine humanitäre Hilfsorganisation, die seit 1992 für den Wiederaufbau und Frieden in Afghanistan arbeitet. Mit den Projekten, die vorwiegend in ländlichen Gegenden liegen, werden gezielt Frauen und Kinder gefördert.

www.afghanischer-frauenverein.de

Wie enttäuscht sind die Afghanen über den Rückzug der deutschen Armee?

Die Afghanen sind sehr enttäuscht vom Westen. Sie fühlen sich allein gelassen und verraten. Der Westen hätte länger warten müssen, damit im Land Ordnung herrscht und hätten nicht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion rausgehen dürfen.

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Armin Laschet hat jetzt angekündigt, zusätzlich zu den 800 Ortskräften auch 1000 Frauen aus Afghanistan in NRW aufzunehmen. Ein Grund zur Freude?

Das ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits freue ich mich, dass Menschen nach Deutschland gebracht werden können und dort in Sicherheit sind. Anderseits sind das alles Menschen, die auch in Afghanistan sehr notwendig wären, junge ausgebildete Leute oft. Was passiert mit dem Land, wenn noch mehr gebildete Menschen fliehen? Das ist sehr schwierig.

Deutschland hat angekündigt, die Entwicklungshilfe einzustellen, damit das Geld nicht den Taliban in die Hände fällt. Befürchten Sie eine humanitäre Katastrophe?

Die Hilfe zu streichen, ist ein Fehler. Wer die Hilfen streicht, tut den Taliban sogar noch einen Gefallen. Leidtragend ist die Zivilbevölkerung.

Viele Menschen fühlen sich ohnmächtig, zumal auch viele der Hilfsorganisationen sich nicht trauen, in Afghanistan zu arbeiten derzeit. Wie kann man gerade helfen?

Unsere Schule in der Region Kunduz und zwei von drei Krankenhäusern laufen derzeit weiter. Momentan hat es für uns Priorität, die Geflüchteten zu unterstützen, dass man den Menschen Nahrung und Kleidung gibt. Wir freuen uns darum sehr über Spenden.

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