„Berlin-Bashing“ beendenKiew mit drei zentralen Forderungen an die deutsche Politik

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Kuleba dpa 140422

Dmytro Kuleba, Außenminister der Ukraine (Archivbild)

Einen Tag nach der mutmaßlichen Absage an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für seine geplante Reise in die Ukraine hat sich der ukrainische Außenminister, Dymtro Kuleba, mit einem ausführlichen Gastbeitrag im Nachrichtenmagazin „Spiegel“ zu Wort gemeldet. Deutschland müsse die Fehler der Vergangenheit nun endlich durch Taten korrigieren, erklärte der ukrainische Chefdiplomat unter dem Titel „Genug mit der Schlafwandelei!“

„Die Beendigung des Krieges und die Gewährung einer EU-Mitgliedschaft für die Ukraine müssen heute die wichtigsten Ziele für Kiew und Berlin sein“, schrieb Kuleba. Die Ukraine und Deutschland seien wie Freunde, die gelegentlich „schmerzhaft offen miteinander reden“. Kuleba räumte ein, dass es in den letzten Wochen und Monaten viel Kritik aus der Ukraine an der Haltung Berlins gegeben habe. Dafür habe es „gute Gründe“ gegeben.

Kuleba will sich nicht mehr mit „Berlin-Bashing“ aufhalten

Putin habe mit den Deutschen und ihren Gefühlen gespielt, führte Kuleba aus. Ukrainische Warnungen habe man in Berlin jedoch „nie gehört“. Man sei zwar „höflich“ behandelt worden, „aber nie als Gleichberechtigte“ – nun erlaube es der Krieg jedoch, „offen zu sprechen“ und somit auch „harsche Kritik“ zu äußern.

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Kuleba, so schreibt es der Außenminister, möchte sich jedoch nicht mehr mit „Berlin-Bashing“ aufhalten. Es brauche stattdessen jetzt „eine neue deutsche Politik“, sowohl gegenüber Russland als auch gegenüber der Ukraine. Die von Kanzler Olaf Scholz zu Kriegsbeginn ausgerufene „Zeitenwende“ sei eine „willkommene Kehrtwende“, erklärte Kuleba und räumte ein, dass „jeder weitere Schritt“ für Deutschland nun mit „einem Preis verbunden“ sei.

„Ein Verbot aller Energieimporte aus Russland würde Putins Krieg beenden“

Dass Deutschland das Pipeline-Projekt Nord Stream 2, in Kulebas Augen „das Symbol der deutsch-russischen Freundschaft“, mittlerweile aufgegeben habe, begrüßte der Chefdiplomat. Dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Fehler in der Vergangenheit eingeräumt hat, ebenfalls. Das zeige eine „Fähigkeit zur Selbstreflexion“ – darauf könne Deutschland stolz sein. Es gebe jetzt aber keine Zeit für einen „langen Übergang“ zum neuen Kurs.

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Vielmehr müssten die Fehler in der Gegenwart korrigiert werden, erklärte Kuleba. Die Einfuhr von russischem Öl sollte daher umgehend verboten und die Abhängigkeit von russischem Gas „massiv“ verringert werden. Die deutsche Angst vor einer Wirtschaftskrise sei zwar verständlich, dennoch müssten die Schritte gegangen werden. „Ein Verbot aller Energieimporte aus Russland würde Putins Krieg in Europa in wenigen Wochen, wenn nicht Tagen, beenden.“ 

Drei zentrale Forderungen an die deutsche Politik

Für einen neuen deutschen Kurs gegenüber Russland empfahl der Kiewer Chefdiplomat drei wesentliche Eckpunkte. Zum einen müsse die Appeasement-Politik gegenüber Putin „ein für alle Mal fallen gelassen werden“. Zum anderen müsse die EU-Mitgliedschaft der Ukraine auf den Weg gebracht werden. Zuletzt müsste Deutschland aber auch die „irrationale Mischung aus Schuldgefühlen, Gier und Angst gegenüber Russland“ ablegen. Russland habe durch die Aggression gegen die Ukraine „jedes moralische Recht“ verloren, als „Befreier Europas und zuverlässiger Partner“ wahrgenommen zu werden.

„Ich denke, dies wäre der beste Weg, um zu beweisen, dass die Lehren aus der Vergangenheit gezogen wurden“, erklärte Kuleba. „Wir, die Ukrainer, wollen das Kapitel der Kritik und des Grolls schließen.“ (das) 

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