Besuch in AsienKanzler Scholz vermisst klare Position Vietnams zu Weltkonflikten

Lesezeit 3 Minuten
Bundeskanzler Olaf Scholz Pham Minh Chinh, Premierminister Vietnams, in einem Tempel in Hanoi. Sie stellen Räucherstäbchen auf.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Pham Minh Chinh (links), Premierminister Vietnams.

Als der Gast aus Deutschland am Sitz des vietnamesischen Premierministers Pham Minh Chinh eingetroffen war und die Nationalhymnen verklangen, da übte sich Olaf Scholz erst einmal in Freundlichkeit. Der Kanzler bedankte sich in Hanoi für die Masken, mit denen Vietnam den Deutschen zu Beginn der Corona-Pandemie ausgeholfen hatte – wofür sich Deutschland später mit über zehn Millionen gespendeten Impfdosen revanchierte.

Der SPD-Politiker hatte sich am Samstagabend auf den Weg zum G20-Gipfel begeben – und legte auf der langen Reise in den Indopazifik am Sonntag den ersten Zwischenstopp in dem knapp 100 Millionen Einwohner zählenden Land ein, das in deutschen Regierungskreisen „als große Mittelmacht“ gesehen wird. Zufall ist das nicht.

Viele Vietnamesen lebten in der DDR

Die Wertschätzung basiert zunächst auf der Tatsache, dass Vietnam größter Handelspartner Deutschlands in der Region ist. Es hat neben der Größe des Landes außerdem mit Geschichte zu tun. In der DDR lebten viele Menschen aus dem kommunistisch regierten Staat. Im vereinigten Deutschland sind es immer noch 180.000. Im akademischen Bereich gibt es starke Kontakte.

Alles zum Thema Olaf Scholz

Der wesentliche Grund ist aber die neue Weltlage. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und der dabei sichtbar gewordenen Abhängigkeit auch von China lautet das Gebot der Stunde aus Sicht der Ampelkoalition: Diversifizierung. Das prägte unter anderem die Pressestatements von Scholz und Chinh.

Der vietnamesische Premierminister rühmte, dass sich die Beziehungen gut entwickelt hätten. Er sprach von einer „strategischen Partnerschaft“ für eine nachhaltige Entwicklung, unter anderem beim Kampf gegen den Klimawandel und für erneuerbare Energien. Recht allgemein sagte Chinh ferner, dass man „Konflikte durch Friedlichkeit lösen“ müsse. Man konnte dies auf den Krieg gegen die Ukraine münzen, angesichts dessen sich deutsche Regierungskreise weniger Ambivalenz aus Vietnam wünschen würden. Bei den Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen hat sich das Land, das enge Beziehungen zu Russland unterhält, enthalten.

Scholz: Es darf „nicht das Recht des Stärkeren“ gelten

Scholz war an dem Punkt denn auch sehr unverblümt. Er lobte das bilaterale Verhältnis und stellte eine Intensivierung in Aussicht. Der Kanzler sagte mit Blick auf Russland und die Ukraine jedoch ebenso: „Von Vietnam wünschen wir uns eine klare Positionierung.“ Der russische Angriff stelle die internationale regelbasierte Ordnung infrage. Und auch im Indopazifik müsse „die Stärke des Rechts gelten und nicht das Recht des Stärkeren“.

Kleine Länder könnten schließlich „nicht mehr sicher sein vor dem Verhalten ihrer größeren, mächtigeren Nachbarn“. Damit war China gemeint. Nicht zuletzt machte Scholz nach eigener Aussage die Menschenrechte zum Thema, die in dem autoritär regierten kommunistischen Staat nicht viel gelten.

An der Stelle wäre es sicher interessant geworden, wenn Journalisten Fragen hätten stellen dürfen – was nicht der Fall war. Stattdessen wurden die Statements von vietnamesischen Vertretern im Saal mit Applaus quittiert. Und der Premierminister ging mit einem Lächeln.

KStA abonnieren