CDU-Minister und Stiko-ChefDas sagen Laumann und Mertens zur Corona-Lage in NRW

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Düsseldorf – Die Corona-Lage in Nordrhein-Westfalen ist entspannt, Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) optimistisch, dass das bevölkerungsreichste Bundesland gut über den Winter kommt. Der Chef der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, sieht das ähnlich und spricht davon, dass die Pandemie langsam in eine endemische Lage übergehen könnte. "Menschen, die bei einer Infektion das Risiko haben, schwer zu erkranken, müssen vor dem Winter geimpft werden. Das wäre sehr wichtig. Da passiert derzeit zu wenig."

Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wie ist die aktuelle Corona-Lage in NRW?

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Die Infektionszahlen steigen seit vergangener Woche wieder an. Das Inzidenzniveau lag am Donnerstag bei 395 und damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (462). Die Steigerung liegt laut Gesundheitsminister Laumann bei rund 30 Punkten pro Tag. Bei den älteren Menschen (60 bis 69 Jahre) hat die Inzidenz den Wert von 465 erreicht, bei den über 90-Jährigen beträgt er 398. Das liegt auch daran, dass in den Senioreneinrichtungen weiterhin regelmäßig getestet wird.

Welche Aussagekraft hat der Inzidenzwert noch?

Landesweit gibt es in NRW nur noch rund 160.000 PCR-Tests pro Woche. Private Corona-Tests fließen in die Bewertung nicht mehr ein, so dass der Wert nur einen Anhaltspunkt liefert.

Wie ist die Lage in den Krankenhäusern?

Entspannt. Von den 6400 Intensivbetten in NRW sind derzeit knapp vier Prozent mit Corona-Patienten belegt. „Wir haben 3549 Menschen mit Corona in den Kliniken. Das heißt aber nicht, dass sie wegen Corona dort sind. Das sind rund 1000 mehr als vor einer Woche.“ Auf den Intensivstationen liegen 262 Menschen. Der Krankenstand beim Personal liege mit rund sechs Prozent im normalen Bereich, so Laumann.

Was bedeutet das für den Herbst und den kommenden Winter?

„Es gibt aktuell keinen Grund für Verschärfung der Schutzmaßnahmen und wir haben deshalb zum 1. Oktober auch nichts verändert“, sagt der Gesundheitsminister. „Wir setzen auf die Eigenverantwortung der Menschen. Sie haben inzwischen sehr viel Erfahrung mit dem Coronavirus. Wenn man positiv ist, sollte man sich zurückhalten und zuhause bleiben.“ Im Gegensatz zu den anderen CDU-geführten Bundesländern, die sich mit der Forderung an den Bund gewandt haben, die Isolation und die Karenztage aufzuheben, habe sich NRW daran nicht beteiligt. „Wir halten daran fest, dass man sich nach fünf Tagen freitesten muss, wenn man wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen will. Wie wir durch diesen Winter kommen, hängt entscheidend von der Impffrage ab.“ Dabei halte sich das Land strikt an die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko). „Damit sind wir bisher sehr gut gefahren“, so Laumann.

Was empfiehlt die Stiko?

Alle Menschen über 60 Jahre oder diejenigen, die ein hohes Risiko für eine schwere Erkrankung haben, sollten ihre Impfung auffrischen lassen, wenn die letzte Impfung oder eine Corona-Infektion mindestens sechs Monate zurückliegen, empfiehlt der Stiko-Chef. Alle gesunden Menschen unterhalb dieser Altersgruppe brauchen das nicht.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat zuletzt aber allen den zweiten Booster empfohlen, die sich im Sommer nicht infiziert haben?

Davon ist er laut Mertens inzwischen wieder abgerückt. Das Argument, es könne ja nicht schaden, sei keine ausreichende Indikation.

Es heißt aber, die Impfung könne besser gegen Long Covid schützen.

„Long Covid ist im Augenblick schwer zu beurteilen, weil es keine einheitliche Krankheitsdefinition gibt“, sagt der Stiko-Chef. „Da gibt es 100 unterschiedliche Symptome. Wir wissen bis heute nicht genau, wie gut die Impfung vor Long Covid schützt, in welchen Altersgruppen es wie häufig auftritt.“

Was unterscheidet die Corona-Situation heute von der in den Jahren 2020 und 2021?

„Wir haben durch Impfung und Infektion inzwischen eine gewisse Grundimmunität in der Bevölkerung erreicht“, sagt Thomas Mertens, Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko). Viele Menschen seien sowohl geimpft und hätten eine Infektion hinter sich. Das mache Hoffnung für den Herbst und Winter.

Was bedeutet das für die Impfkampagne?

Das NRW-Gesundheitsministerium setzt vor allem auf das Regelsystem der Hausärzte. „Dort wird man für die Impfung werben“, sagt Gesundheitsminister Laumann. „Der Hausarzt kennt seine Patienten und wird sie ansprechen.“ Das gelte bei Kindern mit Vorerkrankungen auch für die Kinderärzte. Eine Kampagne für alle 18 Millionen Menschen in NRW müsse es daher nicht geben. Das Impfgeschehen werde sich dynamisch über einen längeren Zeitraum erstrecken. „Wer über 60 ist und seine Infektion noch kein halbes Jahr hinter sich hat, wird sich überlegen, ob er sich jetzt schon impfen möchte.“ Über die Gesundheitsämter werde man sicherstellen, dass alle Menschen in Seniorenheimen, in der Tagespflege und in Behinderteneinrichtungen erreicht werden.

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Was wird aus den Impfzentren?

In ein paar Wochen werde man entscheiden müssen, ob man das Sondersystem der Impfzentren in NRW und den anderen Bundesländern noch aufrechterhalten müsse, so Laumann. „Für 20 Menschen am Tag braucht man kein Impfzentrum mehr. Wenn das Coronavirus eine normale Infektionskrankheit ist, gehört das Impfen auf Dauer auch ins Regelsystem.“ Von den 80.000 Impfungen pro Woche in NRW fanden 12.000 im öffentlichen System statt.

Kann man Corona in Deutschland noch als Pandemie bezeichnen?

Der Begriff Pandemie bedeutet, dass ein bisher unbekannter Erreger weltweit in die menschliche Population einbricht und es dort noch keine Grundimmunität gibt. Die Schwere der Erkrankung spiele dabei keine Rolle, so Mertens. „Wir befinden uns an dem Punkt, wo die Pandemie in eine sogenannte endemische Situation übergeht. Das Virus ist in der Population der Menschen und wird dort auch bleiben.“ Man werde es daher auf Dauer wie eine Grippe mit einer Schutzimpfung behandeln können.

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