Eine Brigade für LitauenWie sich der Verteidigungsminister in Not bringt

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Verteidigungsminister Boris Pistorius (links, SPD), in dieser Woche beim Besuch von Soldaten in Litauen.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (links, SPD), in dieser Woche beim Besuch von Soldaten in Litauen.

Der deutsche Verteidigungsminister will 4.000 Soldatinnen und Soldaten dauerhaft nach Litauen verlegen. Doch die Ankündigung löst Fragen aus.

Verteidigungsminister Boris Pistorius reiste am Montag nach Litauen, um politische Gespräche zu führen und ein deutsch-litauisches Manöver zu begutachten. Dabei machte der SPD-Politiker nach einem Gespräch mit seinem litauischen Amtskollegen Arvydas Anusauskas eine bedeutende Ankündigung. „Deutschland ist bereit, dauerhaft eine robuste Brigade in Litauen zu stationieren“, sagte er – bestehend aus 4.000 Soldatinnen und Soldaten.

Zwar zeigten sich die Gastgeber hoch erfreut. Anusauskas hatte die Forderung nach dauerhafter Präsenz bereits bei Pistorius‘ erster Visite Anfang März erhoben. Litauens Präsident Gitanas Nauseda hatte sie bei einem Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Ende Mai wiederholt.

Allerdings äußerte der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, André Wüstner, noch am Montag Bedenken. „Innerhalb der Bundeswehr hat die Ankündigung von Boris Pistorius überrascht“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Es gebe eine Menge konzeptioneller Fragen, angefangen beim fehlenden Material, notwendigen strukturellen Anpassungen und den Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen.

Ohne zusätzliche Haushaltsmittel werde das Ganze ohnehin „eine Luftnummer“. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), äußerte sich am Dienstag ähnlich.

Stationierung in Litauen: Das Gastland soll für die Bundeswehr bauen

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Pistorius zwei Bedingungen für eine dauerhafte Stationierung genannt hatte: den Aufbau der notwendigen Infrastruktur durch Litauen – also Unterkünfte, Übungsmöglichkeiten und Munitionsdepots – sowie das Einverständnis des Nato-Oberbefehlshabers für Europa. Letzteres gilt als Formsache.

Noch das geringste Problem ist, dass die Nato-Russland-Grundakte von 1997 eine dauerhafte Stationierung „substanzieller Kampftruppen“ in den östlichen Nato-Staaten eigentlich ausschließt. Denn angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine sind Teile der Grundakte längst Makulatur. Das zwischen der russischen Exklave Kaliningrad und Belarus eingekeilte Litauen mit seiner nicht einmal 20.000-köpfigen Armee fühlt sich substanziell bedroht.

Gravierender wären die menschlichen Konsequenzen einer dauerhaften Stationierung. Bisher wurden Soldatinnen und Soldaten für vier Monate oder ein halbes Jahr nach Afghanistan oder Mali verlegt – und waren anschließend wieder monatelang zu Hause, um familiäre Kontakte pflegen zu können. Jetzt sollen offenbar mehrere tausend von ihnen ihren Lebensmittelpunkt ins Baltikum verlegen. Das wäre eine Zäsur.

Dauerhafte Verlegung? Dafür wäre eine Gesetzesänderung notwendig

Eine Frage ist, ob die Soldaten das wollen. Sie ist auch deshalb nicht trivial, weil die Bundeswehr händeringend nach qualifiziertem Personal sucht. Pistorius‘ Worte könnten zusätzlich abschreckend wirken.

Strack-Zimmermann betont, für einen solchen Schritt müsse ohnehin das Gesetz geändert werden. „Denn bisher sind die Soldatinnen und Soldaten, die nach Litauen verlegt werden, freiwillig dort.“ Die Liberale betont ferner, es gehe bei Pistorius‘ Vorstoß auch darum, „deren Familien einen Alltag zu ermöglichen“. Dazu bräuchte es deutsche Schulen und Kindergärten.

Litauens Präsident hat zwar am Montag entschlossen angekündigt, man werde die Voraussetzungen bis 2026 schaffen. Doch ob die Deutschen mit den Bedingungen einverstanden sein werden, ist ungewiss.

Pistorius hat vor dem Nato-Gipfel in Vilnius Mitte Juli jedenfalls deutsche Befürchtungen und litauische Erwartungen geweckt. Und wohl nicht allein Strack-Zimmermann findet, man dürfe „nur Versprechen machen, die man halten kann“.

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