Iranische MenschenrechtsaktivistinEine Kämpferin für die Freiheit bekommt den Friedensnobelpreis

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Narges Mohammadi auf einem Bild aus dem Jahr 2007.

Narges Mohammadi auf einem Bild aus dem Jahr 2007.

Der Friedensnobelpreis geht an die iranische Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi. Auch Gefängnisgitter können sie nicht aufhalten.

Nicht einmal die dunkelsten Zellen des berüchtigten Ewin-Gefängnisses in Teheran können Narges Mohammadis kraftvolle Stimme unterdrücken. „Frau, Leben, Freiheit“, hört man die Sprechchöre, die sie selbst im Gefängnis noch anführt. Es ist der Slogan der landesweiten Demonstrationen im Iran für Frauen- und Menschenrechte, die vor einem Jahr anfingen und von Einsatzkräften oft brutal niedergeschlagen wurden. Und es sind die Worte, mit denen die Bekanntgabe des diesjährigen Friedensnobelpreises in Oslo am Freitag begannen.

„Zan, Zendegi, Azadi – Woman, Life, Freedom“, leitete Nobelkomiteevorsitzende Berit Reiss-Andersen die Bekanntgabe des prestigeträchtigen Preises ein. „Das norwegische Nobelkomitee hat beschlossen, den Friedensnobelpreis 2023 an Narges Mohammadi für ihren Kampf gegen die Unterdrückung von Frauen im Iran und ihren Kampf für die Förderung von Menschenrechten und Freiheit für alle zu verleihen.“

„Während ich spreche, ist Frau Mohammadi immer noch im Gefängnis“

Die 51-jährige Mohammadi ist eine der bedeutendsten Frauen- und Menschenrechtsaktivistinnen des Irans, setzt sich für die Abschaffung der Todesstrafe ein und wurde bereits mehrfach wegen ihrer Kritik am Regime und politisch motivierten Gerichtsurteilen verhaftet. „Während ich spreche, ist Frau Mohammadi immer noch im Gefängnis“, sagte Reiss-Andersen. Das Nobelkomitee sprach Mohammadi seine Anerkennung für ihren „mutigen Kampf mit seinen enormen persönlichen Kosten“ aus.

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Die Auszeichnung für Mohammadi folgt 20 Jahre nach jener an Shirin Ebadi, die beide Unterstützerinnen eines revolutionären Wandels im Iran sind. In einer Erklärung ihrer Familie widmet Mohammadi den Preis dem Freiheitskampf der iranischen Bevölkerung.

Norwegen, Oslo: Um 12 Uhr fliegt eine Taube, die den Frieden symbolisiert, aus dem Fenster des Friedensnobelzentrums im Zusammenhang mit der Bekanntgabe des neuen Friedenspreisträgers. Der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr an die Frauenrechtsaktivistin Narges Mohammadi aus dem Iran.

Norwegen, Oslo: Um 12 Uhr fliegt eine Taube, die den Frieden symbolisiert, aus dem Fenster des Friedensnobelzentrums im Zusammenhang mit der Bekanntgabe des neuen Friedenspreisträgers. Der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr an die Frauenrechtsaktivistin Narges Mohammadi aus dem Iran.

Mohammadi sitzt seit Januar 2023 in der für Folter und anderer Menschenrechtsvergehen berüchtigten Ewin-Haftanstalt in Teheran eine langjährige Gefängnisstrafe ab. Sie hatte kurz zuvor einen Bericht an die Öffentlichkeit gebracht, der mutmaßliche Folter an Dutzenden Frauen im Hochsicherheitsgefängnis aufdeckte. Im Ewin-Gefängnis büßte bereits ihr Ehemann eine mehrjährige Haftstrafe ab, der heute mit den beiden Kindern in Frankreich lebt.

Nach Angaben des Nobelkomitees wurde die Menschenrechtsaktivistin 13 Mal verhaftet und fünf Mal zu insgesamt 31 Jahren Haft und 154 Peitschenhieben verurteilt. Ihre Organisation, die von Shirin Ebadi gegründet wurde, hatte das iranische Regime schon vor Jahren verboten.

Amnesty International Deutschland: „Preis ist Mahnung an Weltöffentlichkeit“

„Der Friedensnobelpreis an Narges Mohammadi ist ein wichtiges, unübersehbares Zeichen – an den Iran und für alle, die weltweit für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie aufstehen“, sagte der Generalsekretär von Amnesty International Deutschland, Markus N. Beeko, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „20 Jahre nach dem Friedensnobelpreis an Shirin Ebadi ist diese Auszeichnung ein wichtiges Symbol und eine Mahnung an Weltöffentlichkeit und Staatengemeinschaft, nicht noch länger hinzunehmen und wegzuschauen, sondern sich entschlossen solidarisch an die Seite der Protestierenden im Iran zu stellen: für Frau - Leben - Freiheit.“

„Mohammadi und alle anderen iranischen Menschenrechtsaktivisten und Freiheitskämpfer müssen umgehend freigelassen werden“, bekräftigt die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Renata Alt (FDP), gegenüber dem RND. „Der Friedensnobelpreis verschafft dieser Forderung die notwendige öffentliche Aufmerksamkeit.“ Die Auszeichnung stärke auch die landesweite Protestbewegung, die von den Iranerinnen und Iranern mehrheitlich unterstützt werde, sagt die FDP-Politikerin. „Der Friedensnobelpreis ist Ausdruck des Respekts vor der Unbeugsamkeit und dem Freiheitswillen von Narges Mohammadi und dem iranischen Volk.“

Frauen im Iran als Inspiration für die Welt

Auch die Vereinten Nationen lobten die Entscheidung aus Oslo und forderten die Freilassung Mohammadis und aller weiteren inhaftierten Menschenrechtsverteidiger im Iran. Die Auszeichnung für die Iranerin betone den außerordentlichen Mut der Frauen in dem islamischen Gottesstaat, sagte Liz Throssell, Sprecherin des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte. „Frauen im Iran sind eine Inspiration für die Welt.“

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Mit dem Friedensnobelpreis würdigt die Jury auch die Hunderttausenden Iranerinnen und Iraner, die sich „an den friedlichen Protesten gegen die Brutalität und Unterdrückung von Frauen durch die Behörden“ beteiligen, so Nobelkomiteevorsitzende Reiss-Andersen, und „gegen die Diskriminierungs- und Unterdrückungspolitik des theokratischen Regimes gegen Frauen demonstriert haben“.

Iran-Experte: Regime verschärft Repressionen

Laut Ali Fathollah-Nejad, Direktor des Center for Middle East and Global Order (CMEG), kommt der Preis zu einem sensiblen Zeitpunkt des revolutionären Prozesses: Die Demokratiebewegung im Iran spüre eine fehlende Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, was dem Regime ein Gefühl der Sicherheit, wenn nicht gar Straflosigkeit vermittle. „Das Nobelkomitee hat hiermit ein starkes Signal der Solidarität an die von Frauen maßgeblich angeführte iranische Demokratiebewegung gesendet und ihr wieder internationale Sichtbar- und Aufmerksamkeit verschafft, die dem Regime stets ein Dorn im Auge ist“, sagte er dem RND.

Laut dem Experten befindet sich die Revolution im Iran derzeit in einer Art Stagnation. „Das Regime wähnt sich aufgrund des Ausbleibens des Drucks des Westens, der seine Präferenz für ein Business as usual mit der Islamischen Republik durch die bedingungslose Wiederaufnahme von Verhandlungen demonstriert hat, in Sicherheit“, sagt Fathollah-Nejad. Es setze weiterhin auf Repressionen und habe diese gegen Frauen zuletzt noch weiter intensiviert. Doch die politische und sozioökonomische Unzufriedenheit in der Bevölkerung sei weiterhin vorhanden und habe sich sogar noch verschärft. „Wir haben es seit dem Abflauen der Straßenproteste seit Jahresbeginn mit einer Schein-Stabilität in Iran zu tun, da es weiterhin unter der Oberfläche brodelt.“

Mohammadis Kampf geht weiter, allen Gefängniszellen zum Trotz.

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