Erstmals scheitert mit Friedrich Merz ein designierter Kanzler im ersten Wahlgang – die Reaktionen folgen sofort, auch auf dem Aktienmarkt.
„Ein vernichtender Schlag“Wut und Häme nach Merz’ Wahl-Desaster – AfD jubelt und will Neuwahlen

Friedrich Merz geht am Dienstag durch den Bundestag. Im Hintergrund ist AfD-Chefin Alice Weidel zu sehen.
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Es ist ein Novum in der deutschen Politik-Geschichte: Friedrich Merz ist bei der Wahl zum Kanzler im ersten Durchgang durchgefallen. Merz werde „einer der erfolgreichsten Bundeskanzler werden“, hatte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann kurz zuvor noch im Gespräch mit dem Sender Phoenix erklärt – nur wenige Minuten später folgte dann der politische Paukenschlag im Bundestag.
Während Merz und die Führung der Union eilig und ohne Stellungnahme den Plenarsaal verließen, äußerte sich die politische Konkurrenz schnell zu dem historischen Erdbeben in Berlin – und sparte dabei mitunter nicht mit Spott und Häme.
Jubelstimmung bei der AfD: „Merz kaputt!“
Vor allem bei der rechtsextremen AfD herrschte am Dienstagvormittag Jubelstimmung. „Merz ist der erste Kanzlerkandidat der Bundesrepublik, der im ersten Wahlgang gescheitert ist“, schrieb Parteichefin Alice Weidel bei X. „Das zeigt, auf welch schwachem Fundament die kleine Koalition aus Union und von den Bürgern abgewählter SPD gebaut ist.“
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Vor TV-Reportern erklärte Weidel zudem „Wir sind bereit für die Regierungsverantwortung. Herr Merz sollte sofort abtreten und es sollte der Weg geöffnet werden für Neuwahlen in diesem Land.“ Co-Parteichef Tino Chrupalla sprach derweil von einem „guten Tag für Deutschland“. Mit Merz werde es keinen „Politikwechsel“ geben, führte Chrupalla aus. Andere Rechtsextremisten äußerten sich noch deutlicher: „Merz kaputt“, lautete etwa der Kommentar von Maximilian Krah.
Spott und Häme: „Merz hat erreicht, was niemand vor ihm erreicht hat“
Auch aus der Linken, die angekündigte hatte, Merz nicht wählen zu wollen, gab es prompt Wortmeldungen. „Was für ein Start! Peinlich“, kommentierte etwa der ehemalige Parteichef Dietmar Bartsch bei X. „Merz hat erreicht, was niemand vor ihm erreicht hat“, fügte er an. „An uns hat et nich jelegen“, lautete unterdessen der Kommentar der amtierenden Linken-Chefin Ines Schwerdtner.
Bodo Ramelow sagte unterdessen im Gespräch mit dem TV-Sender Phoenix, er sei „krachsauer“ auf Merz und SPD-Chef Lars Klingbeil. Es hätten Probeabstimmungen durchgeführt werden müssen, die beiden Spitzenpolitiker hätten es nie so weit kommen lassen dürfen, erklärte der Bundestagsvizepräsident.
„Was eine Überraschung… Wer so lange gespalten hat, kann anscheinend kein Land einen“, schrieb derweil der grüne Europapolitiker Michael Bloss auf X. Zuvor hatte auch der Grünen-Abgeordnete Timon Dzienus auf der Plattform verkündet, er habe „gerade GEGEN Friedrich Merz gestimmt“. Die Grünen-Abgeordnete Sara Nanni zeigte sich derweil betroffen: „Kein guter Tag für dieses Land und Europa“, schrieb sie bei X.
FDP sieht „vernichtenden Schlag“ für Ambitionen von Friedrich Merz
Auch bei der in Zukunft außerparlamentarischen Opposition war das Desaster für Merz am Dienstag schnell Thema. „Das war nicht einmal wirklich knapp und ein herber, wenn nicht gar vernichtender Schlag für die Kanzlerambitionen von Friedrich Merz“, kommentierte FDP-Politiker Wolfgang Kubicki.
„Ich hoffe auf eine baldige Klärung, denn eine rot-grüne Minderheitsregierung auf unbestimmte Zeit wäre die schlechteste aller Optionen“, fügte Kubicki an.
BSW: „Merz hat ja einen richtigen Lauf“
Auch Fabio De Masi, Europapolitiker des Bündnis Sahra Wagenknecht, äußerte sich auf X zum Paukenschlag im Bundestag. „Merz hat ja einen richtigen Lauf“, schrieb De Masi. „Da scheinen ein paar Leute nochmal offene Rechnung zu begleichen!“
Unklar bleibt vorerst, wann ein zweiter Wahlgang stattfinden könnte. In Berlin kursierte zunächst der kommende Freitag als möglicher nächster Termin für einen zweiten Anlauf. AfD-Politiker Bernd Baumann sagte derweil in der ARD, dass Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) den Fraktionen vorgeschlagen habe, den nächsten Wahlgang für Mittwoch anzusetzen.
Der Rückschlag für Merz hat derweil auch einen Rücksetzer am Aktienmarkt ausgelöst. Der Dax rutschte schon kurz nach dem Auftakt ins Minus und verstärkte diese Bewegung nach der Merz-Pleite im ersten Wahlgang. Merz erhielt in geheimer Abstimmung 310 von 621 abgegebenen Stimmen und damit sechs weniger als die nötige Mehrheit von 316.