Corona, Regierung, KlimaSo bewerten die Menschen die Lage in NRW

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NRW-Check-Header

Wie zufrieden sind die Menschen in NRW mit der Corona-Politik? Wie bewerten sie die Arbeit des neuen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst? Und wie stehen sie zum Kohleausstieg. Der „NRW-Check“, eine repräsentative Forsa-Umfrage, gibt Einblick in die Stimmung im Land. Hier die Ergebnisse:

Corona

Die Corona-Pandemie mit ihren Folgen ist für die Menschen im bevölkerungsreichsten Bundesland das derzeit alles beherrschende Problem. Andere Herausforderungen wie die Bewältigung des Klimawandels treten fast völlig hinter die Corona-Krise zurück. Dabei gibt es aber vereinzelt Ausnahmen.

Im ersten „NRW Check“ vor der Landtagswahl nannten zwei Drittel der Wahlberechtigten (64 Prozent) Corona allgemein als größtes Problem in Nordrhein-Westfalen. Dazu kamen jeweils zwischen 5 und 7 Prozent der Befragten, die Corona-Beschränkungen, Impfungen, zu zögerliche Corona-Maßnahmen sowie Corona-Leugner, Impfgegner und Querdenker als das größte Problem bezeichneten. In der Summe steht die Pandemie mit ihren verschiedenen Facetten damit für 87 Prozent der Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens auf Platz eins einer Problemliste, für die Mehrfachnennungen möglich waren.

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Der NRW-Check

Die Aktion

Der „NRW Check“ ist eine Aktion der westfälischen Tageszeitungen. In deren Auftrag führt das Meinungsforschungsinstitut forsa im Vorfeld der Landtagswahl am 15. Mai 2022 vier repräsentative Umfragen durch. Nach der ersten Erhebung, deren Ergebnisse wir hier präsentieren, folgen im Januar/Februar, März und April/Mai drei weitere Befragungswellen. Neben der „Sonntagsfrage“ und der Zufriedenheit mit der Landesregierung geht es dabei auch um die Meinung der Menschen zu den wichtigsten landes- und bundespolitischen Themen.

Für die erste Welle befragte forsa in der Zeit vom 26. November bis zum 7. Dezember 2009 wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger aus Nordrhein-Westfalen.

Die am „NRW Check“ beteiligten 38 Zeitungstitel, unter ihnen der „Kölner Stadt-Anzeiger“, haben eine tägliche gedruckte Auflage von rund zwei Millionen Exemplaren und eine durchschnittliche wöchentliche Gesamtreichweite in gedruckten wie digitalen Angeboten von rund 9,8 Millionen Leserinnen und Lesern (b4p-Studie I/2021). (jf)

Die Teilnehmer

Folgende Titel sind beteiligt: Aachener Nachrichten | Aachener Zeitung | Neue Westfälische | Haller Kreisblatt

Lippische Landes-Zeitung | Mindener Tageblatt | Westfalen-Blatt | Ruhr Nachrichten | Hellweger Anzeiger | Recklinghäuser Zeitung | Rheinische Post | Siegener Zeitung | Bocholter Borkener Volksblatt |

Neue Ruhr/Rhein Zeitung | Westfälische Rundschau | Westdeutsche Allgemeine Zeitung | Westfalenpost | Iserlohner Kreisanzeiger | Westfälischer Anzeiger | Der Patriot | Soester Anzeiger | Märkischer Zeitungsverlag

Kölner Stadt-Anzeiger | EXPRESS | Kölnische Rundschau | Westfälische Nachrichten | Ahlener Zeitung | Münstersche Zeitung |Tageblatt für den Kreis Steinfurt | Borkener Zeitung | Allgemeine Zeitung |

Dülmener Zeitung | Ibbenbürener Volkszeitung | Münsterländische Volkszeitung | Emsdettener Volkszeitung |

Westdeutsche Zeitung | Remscheider General-Anzeiger | Solinger Tageblatt

Auffallend sind bestimmte Abweichungen bei den Parteipräferenzen der Befragten. So sehen von den Anhängern der AfD 22 Prozent die Corona-Beschränkungen als größtes Problem. Im Bevölkerungsdurchschnitt sind es nur 7 Prozent.

Als weitere drängende Probleme nennen die Menschen Bildung (14 Prozent), Verkehr/Mobilität (14 Prozent) sowie Klima- und Umweltschutz (13 Prozent) genannt. Mit 12 Prozent nimmt auch der Unmut über Politik und Politik und Politiker einen vorderen Platz in der Problemliste ein. Auch hier stechen die AfD-Anhänger heraus. Bei ihnen schiebt sich die Migration mit 26 Prozent auf Platz zwei der drängendsten Probleme.

Vor dem Hintergrund dieser starken Fokussierung auf die Corona-Krise gaben 63 Prozent der Bürgerinnen und Bürger an, ihnen gingen die in NRW getroffenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung nicht weit genug. 18 Prozent halten sie für angemessen, 15 Prozent für zu weitgehend.

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Das Sicherheitsbedürfnis steigt dabei mit zunehmendem Alter deutlich. Während von den 18- bis 29-Jährigen nur 61 Prozent die Abwehrmaßnahmen nicht für weitgehend genug halten, sagen das 74 Prozent der über 60-Jährigen. 67 Prozent der AfD-Anhänger sind der Ansicht, die Maßnahmen gingen zu weit. In der Gesamtbevölkerung teilen nur 15 Prozent der Menschen diese Ansicht.

Die Aufhebung der Maskenpflicht an den Schulen in Nordrhein-Westfalen halten zwei Drittel der Bürger für falsch. Nur 26 Prozent finden sie richtig.

Eine Drei-Viertel-Mehrheit der Befragten (73 Prozent) befürwortet die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. Am höchsten ist die Zustimmung bei den älteren Menschen ab 60 (87 Prozent) sowie den Anhängern von SPD, CDU und Grünen. Mehrheitlich gegen eine allgemeine Impfpflicht sind mit 74 Prozent nur die Anhänger der AfD.

Die jüngste Entscheidung der Ampel-Koalition in Berlin zur Einführung einer begrenzten Impfpflicht für Pflegeberufe begrüßen 78 Prozent der Befragten. Sie wünschen sich aber auch eine Ausweitung auf Kita-Personal oder Lehrer. Nur 17 Prozent lehnen diese Maßnahme ab.

63 Prozent der Bürger in Nordrhein-Westfalen hielten einen erneuten „Lockdown“ einschließlich Schließung von Geschäften, Clubs und Freizeiteinrichtungen, Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen für alle Bürger und ein Verbot größerer Veranstaltungen für richtig, wenn die Infektionszahlen weiter steigen sollten. 32 Prozent sind gegen einen generellen „Lockdown“ auch im Falle weiter steigender Infektionszahlen. Besonders hoch ist der Anteil von Gegnern eines Lockdowns bei den Anhängern der AfD (56 Prozent), aber auch der FDP (45 Prozent) sowie bei Selbstständigen (48 Prozent).

Lage der Regierung und des Ministerpräsidenten / Parteien

Gut einen Monat nach dem Wechsel im Amt des Ministerpräsidenten von Armin Laschet zu Hendrik Wüst (CDU) zeigen sich 64 Prozent der Menschen in Nordrhein-Westfalen unzufrieden mit der Arbeit der Landesregierung und 40 Prozent unzufrieden mit der Arbeit des Regierungschefs. Zufrieden äußerten sich jeweils 31 Prozent.

Damit schneidet Wüst als Person deutlich besser ab als seine Koalitionsregierung insgesamt. Etwa ein Drittel der Befragten hat sich aber relativ kurz nach dem Amtsantritt des 46-Jährigen am 27. Oktober noch keine Meinung über seine Arbeit gebildet.

Die Problemlösungskompetenz der Parteien in NRW wird von den Menschen insgesamt sehr skeptisch beurteilt. Mehr als die Hälfte sieht keine Partei dazu in der Lage, mit den Problemen des Landes fertig zu werden. 18 Prozent halten die CDU für am besten geeignet, 13 Prozent die SPD, 5 Prozent die Grünen und 4 Prozent die FDP. Die Bewältigung des Strukturwandels in NRW trauen 34 Prozent der Befragten keiner der Parteien zu. 19 Prozent sehen dazu am ehesten die SPD in der Lage, je 17 Prozent die CDU und die Grünen, 8 Prozent die FDP.

Wären die Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens nicht erst am 15. Mai 2022, sondern bereits jetzt im Dezember zur Landtagswahl aufgerufen, könnten CDU und SPD mit jeweils 27 Prozent der Stimmen rechnen. Für die CDU wäre das ein Minus von 6 Punkten, für die SPD ein Minus von gut 4 Punkten gegenüber ihrem Wahlergebnis von 2017.

Die FDP könnte mit 12 Prozent ihr Resultat von 2017 mit 12,6 Prozent in etwa halten. Die Grünen könnten mit 14 Prozent rechnen und wären damit im Vergleich zur Landtagswahl 2017, als sie 6,4 Prozent der Stimmen erreichten, der große Gewinner. Die AfD würde mit 7 Prozent der Stimmen (2017: 7,4 Prozent) wieder im Landtag sitzen, die Linke den Wiedereinzug mit 4 Prozent erneut verfehlen.

Naturgemäß versammeln sich die Anhänger der Parteien hinter ihrem jeweiligen Spitzenkandidaten. Allerdings hat Thomas Kutschaty von der SPD ein erhebliches Zustimmungsproblem. Gäbe es eine Direktwahl des Ministerpräsidenten, würden ihn 50 Prozent der SPD-Anhänger nicht unterstützen. Nur 37 Prozent würden ihm ihre Stimme geben. Das sind immerhin noch mehr als dreimal so viele wie in der Gesamtheit des Wahlvolks, wo Kutschaty nur auf 12 Prozent Zustimmung kommt.

Hendrik Wüst hätte 71 Prozent der CDU-Anhänger hinter sich und 24 Prozent aller Wahlberechtigten.

Interessant ist ein Vergleich der momentanen Wahlabsichten für die Landtagswahl mit einer – hypothetisch gleichzeitig stattfindenden – Bundestagswahl. Hier würde die NRW-CDU jetzt mit 23 Prozent ein deutlich schlechteres Ergebnis erzielen als in der Landtagswahl und läge noch unter ihrem Resultat der Bundestagswahl im September mit 26 Prozent.

Während die Landes-CDU also in der Gunst der NRW-Wähler besser dasteht als die Bundespartei, ist es für die SPD genau umgekehrt. Ihr Landtagswahlergebnis liegt um 2 Punkte unterhalb ihres Resultats im Bund. Der Stimmanteil von 29 Prozent bei einer hypothetisch jetzt stattfindenden Wahl entspricht recht exakt dem realen Ergebnis der NRW-SPD vom September (29,1) Prozent.

Allerdings ist der Termin der bevorstehenden Wahl bislang erst einer Minderheit der Bürgerinnen und Bürger geläufig. Lediglich ein Drittel wusste das korrekte Datum im Mai. 13 Prozent nannten einen anderen Termin. 56 Prozent gaben an, sie wüssten nicht, wann die Wahl stattfindet.

Klimaschutz, Energie und Strukturwandel

Die Menschen im Industrieland Nordrhein-Westfalen haben massive Zweifel am Erfolg der Energiewende. Im „NRW Check“ glaubten fast zwei Drittel (63 Prozent) der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger nicht, dass der Kohleausstieg bis 2030 gelingen könne. Den Versuch eines vorgezogenen Kohleausstiegs halten dennoch 58 Prozent für richtig, nur 34 sprachen sich dagegen aus.

Hier ergeben sich durch die Aufschlüsselung der Befragungsergebnisse im „NRW Check“ nach Regionen einige Besonderheiten. Die größten Befürworter eines vorgezogenen Kohle-Ausstiegs sind mit 67 Prozent die Rheinländer. Möglicherweise spielt hier die räumliche Nähe zum rheinischen Braunkohlerevier eine Rolle. Die Menschen im Ruhrgebiet, dem früheren Zentrum des Kohlebergbaus, liegen mit einer Zustimmungsrate von 57 Prozent praktisch im Bevölkerungsdurchschnitt. Am skeptischsten sind die Sauer- und Siegerländer (52 Prozent).

Ein heterogenes Bild ergibt sich auch beim Blick auf die Parteipräferenzen. Die Grünen-Anhänger sind fast ausnahmslos für einen schnelleren Ausstieg aus der Energiegewinnung aus Kohl. Die AfD-Anhänger sind zu 81 Prozent dagegen. Überdurchschnittlich ablehnend ist auch der Anteil der CDU-Anhänger mit 49 Prozent.

Fast ein Drittel aller Befragten befürchten einen Verlust von Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen als Folge der Energiewende. Nur zehn Prozent erwarten einen Zuwachs. Die Hälfte (54 Prozent) geht davon aus, dass die Zahl der vorhandenen Arbeitsplätze in etwa gleich bleiben werde.

Aus der klaren Priorisierung der Corona-Pandemie als drängendstes Problem des Landes ergibt sich, dass die Herausforderungen des Klimaschutzes derzeit für die übergroße Mehrheit der Menschen in den Hintergrund rücken. Vier von fünf Befragten (79 Prozent) halten ihn nicht für das zurzeit wichtigste Problem. Vielmehr gebe es andere Probleme, die genauso wichtig oder sogar noch wichtiger sind. Diese Einschätzung findet sich in weitgehend ähnlicher Form in allen Bevölkerungs-und Wählergruppen wieder. Einzige Ausnahme: die Grünen-Anhänger. Sie sehen zu 51 Prozent doch den Klimaschutz als größtes Problem. Allerdings sieht eine fast ebenso große Gruppe (49 Prozent) das anders. Selten eindeutig ist die Haltung der AfD-Wähler: Nur einer von 100 gibt dem Klimaschutz auf der Problemliste Priorität, für 95 Prozent hat er nicht diese Bedeutung.

Von steigenden Energie- und Benzinpreisen sehen 58 Prozent der Menschen in Nordrhein-Westfalen ihren Haushalt stark oder sogar sehr stark belastet. Nur fünf Prozent geben so gut wie keine Belastungen an. Überproportional sagen das vor allem junge Leute bis 29.

Von denjenigen, die zumindest von einer gewissen Belastung durch höhere Energiepreise ausgehen, müssen sich 23 Prozent nach eigenen Angaben beim Heizen und (Warm-)Wasser-Verbrauch einschränken, 19 Prozent beim Autofahren, 13 Prozent bei Freizeitaktivitäten und jeweils 11 Prozent beim Stromverbrauch beziehungsweise bei Ausgaben des täglichen Bedarfs. 5 Prozent der Menschen geben an, sie müssten sich wegen der steigenden Energiepreise in allen Bereichen einschränken. 45 Prozent müssen sich bislang nicht einschränken oder können keine konkreten Einschränkungen nennen.

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