Scholz bei „Maischberger“Putin nach Aufstand „keineswegs solide und fest im Sattel“

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Bundeskanzler Olaf Scholz bei Maischberger

Bundeskanzler Olaf Scholz war am Mittwochabend der einzige Gast von Sandra Maischberger.

Olaf Scholz äußerte sich bei Maischberger unter anderem zum Wagner-Aufstand in Russland. Auch innerpolitische Themen waren auf der Agenda.

In der ARD-Sendung „Maischberger“ (22.50 Uhr in der ARD) hat Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwochabend über die Krise in der deutschen Wirtschaft, steigende Preise durch Inflation, Widerstand gegen das Heizungsgesetz und drängende Probleme bei Klimaschutz, Energiepolitik und Migration gesprochen. 

Außerdem gab der SPD-Politiker in der Spezialausgabe des ARD-Talks Auskunft über den Aufstand der Wagner-Söldner, das Erscheinungsbild der Koalition und das starke Wahlergebnis der AfD.

Scholz: Der BND habe nichts vom Aufstand der Söldnertruppe gewusst

Olaf Scholz (SPD) räumte ein, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) vom Aufstand der Söldnertruppe Wagner in Russland überrascht worden ist. Die Dienste in Deutschland „haben das natürlich nicht vorher gewusst“, sagte Scholz bei „Maischberger“, der in diesem Zusammenhang von einer „gefährliche Lage“ sprach.

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„Aber sie haben uns dann auch immer weiter berichtet, was zu beobachten ist.“ Scholz kündigte auch an, den Informationsfluss mit den Verbündeten besprechen zu wollen. Zu Berichten, dass die US-Geheimdienste angeblich früher Bescheid gewusst hätten, sagte er: „Das werden wir alle gemeinsam zu besprechen haben – auch, was der Fall ist von den Dingen, die jetzt spekuliert werden.“

Nach einem Bericht der „Washington Post“ haben die US-Geheimdienste Mitte Juni darüber Informationen erhalten, dass Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin eine bewaffnete Aktion gegen die Militärführung plane. Darüber seien etwa das Weiße Haus, das Pentagon und das Außenministerium informiert worden, berichtete die Zeitung unter Berufung auf nicht namentlich genannte Quellen. Die genaue Art der Pläne und der Zeitpunkt der Umsetzung seien aber unklar gewesen.

Der „New York Times“ zufolge unterrichteten Mitarbeiter der US-Geheimdienste am vergangenen Mittwoch hochrangige Militärs und Regierungsbeamte darüber, dass Prigoschin militärische Maßnahmen gegen die russische Verteidigungsführung vorbereite. Die Informationen, die der Zeitung vorlagen, zeigten demnach, dass die USA von bevorstehenden Ereignissen in Russland wussten.

Laut Scholz hat der Aufstand Risse in den „autokratischen Machtstrukturen“ gezeigt. Der russische Präsident sei nun geschwächt und „keineswegs solide und fest im Sattel“.

Scholz: Die Koalition macht kein gutes Bild

Scholz äußerte sich zudem zu innerpolitischen Problemen und Debatten. Kritisch äußerte er sich über das Erscheinungsbild der von ihm geführten Koalition. Vor allem die lange Debatte über das Heizungsgesetz habe den Eindruck der Zerstrittenheit entstehen lassen, sagte Scholz. „Sie haben Recht, dass – wenn so ein Streit so lange öffentlich ausgetragen wird, – das keinen guten Eindruck macht.“ In der Ampel-Koalition sei es so, „dass wir manchmal sehr lange laut allen mitteilen, wie worüber diskutiert wird“, sagte der Kanzler.

In der Debatte um das Heizungsgesetz hätte er sich gewünscht, „dass das manchmal etwas geschmeidiger gegangen wäre“. Seine eigene Rolle in der Koalition sieht Scholz als Vermittler: „Ich bringe ständig Ordnung in alle möglichen Streitereien“, berichtete er. Den Vorwurf der Union, dass die Koalition mit dem Heizungsstreit Wählerinnen und Wähler in Richtung AfD getrieben habe, wies Scholz aber zurück. Wer dies behaupte, mache es sich „ein bisschen sehr leicht“.

Auch Kritik an seinem Kommunikationsstil wies Scholz zurück: „Ich bin wahrscheinlich der Regierungschef in Deutschland, der am meisten kommuniziert“, sagte der Kanzler. „Wir sind in Zeiten, in denen alles jeden Tag nochmal, nochmal, nochmal gesagt werden muss, weil sich ja so viele Dinge ändern.“

Scholz: Ampel-Streit nicht Hauptgrund für starke AfD

Scholz wies Vorwürfe der Union zurück, der Streit in der Ampel-Regierung sei die Hauptursache für das Erstarken der AfD. Wenn man den Eindruck erwecke, dass dies Menschen dazu motiviere, AfD zu wählen, „dann macht man sich das Thema doch ein bisschen sehr, sehr leicht.“ Scholz räumte zwar ein, dass die Streitereien in der Koalition mit Grünen und FDP keinen guten Eindruck machten und sich auch niederschlagen würden. Er fügte aber hinzu: „Die Herausforderung, vor der wir in dieser Hinsicht stehen, ist tiefer.“

Man müsse vor allem darum ringen, dass es für alle im Land eine gute Zukunft gebe und man gegenseitigen Respekt zeige. Jede und jeder müsse sicher wissen: „Was ich tue, darauf kommt es auch an.“ Im südthüringischen Kreis Sonneberg war am Sonntag erstmals in Deutschland ein AfD-Kandidat zum Landrat gewählt worden.

Dies hatte die Debatte über den aktuellen Höhenflug der AfD auch in bundesweiten Umfragen weiter angefacht, in denen sie um die 20 Prozent rangieren. Mehrere Oppositionspolitiker machen für das Erstarken der AfD die Auseinandersetzungen in der Ampel-Koalition, etwa über das Heizungsgesetz, verantwortlich.

Scholz: Große Enttäuschung über die geringe Erhöhung des Mindestlohns

Der Bundeskanzler zeigte bei „Maischberger“ Verständnis für die Enttäuschung über die geringe Erhöhung des Mindestlohns geäußert.

„Ich hätte mir persönlich eine bessere Erhöhung vorstellen können, aber ich verteidige die Entscheidung“, fügte er hinzu. Das Verfahren sehe nun einmal vor, dass diese Entscheidung von der Mindestlohnkommission getroffen werde – und so sei dies nun geschehen. Scholz wies darauf hin, dass er sich im vergangenen Jahr selbst für die „massive Erhöhung“ des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde eingesetzt habe. Damit liege Deutschland nun in Europa „zu Recht vorne, was den Mindestlohn betrifft“.

Der Kommission zufolge soll sich der gesetzliche Mindestlohn ab 2024 auf 12,41 Euro und ab 2025 dann auf 12,82 Euro erhöhen. Scholz kündigte in dem Interview zudem auf Nachfrage an, dass er seine Inflationsprämie von 3000 Euro „für gute Zwecke“ spenden werde. „Ich brauche es nicht“, sagte er. „Wir haben in der Regierung verabredet, dass jeder für sich, wenn es so weit ist, eine Entscheidung trifft.“

Hintergrund ist der Tarifabschluss für den Öffentlichen Dienst, der einen Inflationsausgleich von 3000 Euro für Beschäftigte vorsieht. Dies gilt auch für Regierungsmitglieder. (pst/dpa/afp/tta)

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